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"Eine Art politische Befehlsausgabe": Parteiblätter der Region Basel
Die Parteiorgane der Region Basel sind keine Ruhmesblätter
Den Sprachrohren geht fast alles ab, was attraktiven (Partei-)Journalismus ausmacht
Von Peter Knechtli
Immer noch zu Tausenden flattern die Zeitungen der politischen Parteien in die Briefkästen ihrer Mitglieder. OnlineReports verfolgt die Sprachrohre der Parteien seit Jahrzehnten. Hier folgen eine subjektive Bewertung von Parteiorganen, die OnlineReports zugeschickt werden, und einige grundlegende Fragen zur parteipolitischen Kommunikation. Grösster Negativpunkt: Die nahezu kategorische Absenz von Analyse und Hintergrund.
Zunächst einmal: Seien wir froh, dass es noch Parteien gibt, dass es Parteizeitungen gibt, und dass es Leute gibt, die diese Parteiblätter schreiben, redigieren, gestalten, produzieren. Die Druckerzeugnisse - ob sie nun "bâlance", "links.ch" oder "Baselbieter Post" heissen - sind eine Art Überlebenskünstler. In regelmässigen Abständen flattern sie treu ins Haus. Sie sind vor allem für die Parteimitglieder bestimmt - aber auch für die Konkurrenz ("Seht, was wir alles Attraktives unternehmen, wie fröhlich unsere Funktionäre sind!") und für die Medien. Wie die Parteimitglieder auf ihren jeweiligen "Osservatore romano" reagieren, ist uns nicht repräsentativ bekannt, aber wir haben unsere Vermutungen.
Selten ein "Aha!" oder "Schau mal!"
Auf unserer Redaktion jedenfalls lösen die Sprachrohre der Parteien meist Verlegenheit aus: Investieren wir bei der Lektüre einige Minuten in Erkenntnisgewinn oder in Lebenszeitvernichtung? Leider ist vor allem das Letztere fast durchgehend der Fall. Vielleicht überschätzen wir die Funktion der Parteizeitung. Aber was uns die Damen und Herren Chefredaktoren hier servieren, löst so gut wie nie ein "Aha!", "Schau mal!" oder "Hast Du das auch gelesen?" aus. Vielmehr besteht die Lektüre aus physischer Aktivität: Blättern und dann die Handbewegung ins Altpapier (oder bestenfalls ins Archiv).
Das müsste nicht sein. Denn hinter den Blättern und (im Fall der CVP) Blättchen steckt viel unbezahlte Arbeit von Milizpolitikern, die unseren Respekt verdient: Das Organ will ja gefüllt sein. Und das heisst: Selbst in die Tasten greifen oder Beiträge und Bilder organisieren (und dann die rechtzeitige Ablieferung überwachen und nötigenfalls ein Mail mit zeitlicher Alarmstufe "rot" schicken), die Parteiarbeit und die Polit-Szene darum herum beobachten. Möglicherweise müssen bei Mitgliedern oder Sympathisanten Inserate akquiriert werden. Insgesamt: Eine Arbeit, die nicht zu unterschätzen ist und beträchtliche personelle Ressourcen bindet - von den finanziellen gar nicht zu reden.
Rechtfertigt der Aufwand das Ergebnis?
Nur: Rechtfertigt das Ergebnis den Aufwand, der eine Partei wie eine Grundlast durch die Jahre hindurch begleitet und an deren Budget zehrt? Wir äussern hier unsere ernsthaften Zweifel und die Hoffnung, dass die Parteileitungen - je schneller desto besser - über die Frage nachdenken, wie zeitgemäss, wie effektiv und wie nützlich gemessen am investierten Aufwand das gedruckte Gesinnungs-Organ noch ist.
Zwar braucht die Parteileitung einen Kommunikations-Funken zur Basis (damit die sich ihrer Zugehörigkeit wieder bewusst wird und die Botschaft der Spitze empfängt). Doch der Funke will nicht springen, weil auch guter Partei-Journalismus zeitlichen und geistigen Aufwand erfordert, den Miliz-Produzenten bei allem gutem Willen kaum leisten können. Der Schreibende war vor einigen Jahren von einer Partei eingeladen worden, die Mitgliederzeitung zu analysieren und Verbesserungsvorschläge zu formulieren. Geändert hat sich Null und nichts. Ein Blick in die Parteiblätter, die regelmässig unsere Redaktion erreichen, zeigt ein breites Qualitätsspektrum - von beherzt bis beschämend.
Absenz von Analyse und Hintergrund
Nicht alle, aber die meisten Organe wirken denn auch fast durchs Band weg leb- und lustlos, eher rückwärtsgerichtet, die Durchschlagskraft geht ihnen ab. Es finden keine Debatten statt, es werden keine parteiinternen Kontroversen ausgetragen, es dominieren Parolenbeiträge als eine Art politischer Befehlsausgabe von oben nach unten ("Nein zur 5. AHV-Revision", "Nein zur zentralistischen Einheitskasse") oder Kommentare der bekannten Funktions- oder Mandatsträger. Widerspruch ist kaum anzutreffen, Lobhudelei (meist in eigener Sache) dagegen umso häufiger, die Basis wird so gut wie gar nicht abgebildet.
Doch der gravierendste Mangel liegt in der eklatanten Absenz der Analyse und des Hintergrunds. Dabei haben wir es doch mit Parteistrategen, Drahtziehern und Zusammenhang-Kundigen zu tun. Aber öffentlich geäusserte Gedanken über die Entwicklung des politischen Systems oder gar selbstkritische Reflexionen scheinen sie zu scheuen wie er Teufel das Weihwasser. Eine der löblichen Ausnahmen war im jüngsten Heft von "Basels starker Alternative" (Selbsteinschätzung) zu finden: Hier stossen wir, einem Wunder gleich, auf eine kritische "Halbzeitbilanz" der rot-grünen Regierungsarbeit aus der Feder von "Basta"-Grossrat Urs Müller - egal, ob man seine Meinung teilt oder nicht.
Mit spannenden Analysen und Hintergrundberichten, die durchaus auch von Parteizeitungen erwartet werden dürfen, könnte ein Manko teilweise ausgeglichen werden, das gedruckte Polit-Periodika im Zeitalter der unmittelbaren Information generell bleischwer belastet: Sie sind schwerfällig, von der Aktualität abgekoppelt, unfähig, rasch zu reagieren. Folge: Eine Ansammlung von "Déja-vus", die Lese-Lust bleibt aus, wie die in nicht gerade berauschender Zahl vorhandenen Zielpublikums-Reaktionen belegen.
Verordnetes Wahl- und Abstimmungsverhalten
Analysen, Hintergründe, vertiefte Kommentare - das wäre Stoff, der sich eignet, von den Medien aufgenommen und einer breiteren Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht zu werden. Doch diese Qualität - auch wenn sie nicht Hauptziel der Parteipresse ist - haben nur die wenigsten Beiträge. Was wir an Texten antreffen, spiegelt die Parteien als pure Vereine, die Wahl- und Abstimmungsverhalten verordnen, aber Haltungen nicht mehr kontinuierlich herleiten.
Es stellt sich, zumindest teilweise, gar die Existenzfrage: Ist diese Art der Kommunikaton und das verwendete Medium noch zeitgemäss? Stünden im Online-Zeitalter nicht effizientere Alternativen zur Verfügung? Welche Möglichkeiten einer attraktiveren und weit kostengünstigeren Präsenz bietet das Internet? Welchen Stellenwert hat die handwerkliche Diskussion (auch in Online-Anwendungen) innerhalb der Partei-Kommunikation?
Der genannte "Basta"-Beitrag trägt den Titel "Rot-Grün muss noch zulegen". Das gilt auch für ihre Parteiorgane. Und auch für jene der andern Parteien.
OnlineReports-Bewertung der Parteiblätter:
Titel
| Kommentar
| Rang
|
Note 5
| Klarer Spitzenreiter unter den regionalen Parteiblättern. Gediegen vierfarbig. März-Ausgabe mit stolzen 24 Seiten Eigenleistungen - von Kommentaren über historischen Rückblicken bis zur 8-seitigen Programmbeilage. Hat in den letzten Jahren stark Boden gut gemacht. Mehr Basis-Beteiligung wünschenswert. Ansprechende Vielfalt, auf gutem Weg. | 1 |
Note 5
| Beachtliche 16 Seiten Eigenproduktion in der "Baselbieter Post" (mit Zusatz "Wir Liberalen"). Recht breite Themenpalette. Die fähigsten Köpfe der staatstragenden Partei sollten gelegentlich mit kantigen Analyse und vertiefenden Kommentar in Erscheinung treten, die länger sind als 40 Zeilen. Lässt auch mal eine SP-Stimme zu Wort kommen. Hat noch Belebungs-Potenzial. | 2 |
Note 4
| März-Ausgabe mit acht Seiten Umfang. Hat von allen Parteiorganen die stärkste nationale und internationale Komponente - auf Kosten der lokalen Auseinandersetzung. Wirkt ziemlich statisch und ist Weltmeister in der Disziplin "tierischer Ernst". Sollte Standpunkte zu aktuellen lokalen Fragen stärker betonen. Referiert, führt keinen Dialog. Erinnert leise an die Poch-Zeitung. | 3 |
Note 3-4
| Nur vierseitige, dafür vierfarbige Beilage innerhalb eines Kopfblattes der SP Schweiz. Selbstkritikfähig ("SP Baselland verfehlte alle ihre Wahlziele"). Dem beschränkten Platz entsprechend dürftig ist das Inhaltsangebot. Hilfreich das kontradiktorische Trolleybus-Argumentarium. Andere Beiträge häufig déja-vu. | 4 |
Note 3 | Die 12-seitige, zu rund einem Viertel mit Werbung bestückte "bâlance" der CVP beider Basel ist mit kleinem Querformat, redaktionellem Kurzfutter und viermaliger Erscheinung pro Jahr offensichtlich auf Sparflamme angelegt. Die Partei macht sich kleiner als sie ist. | 5 |
Note 2-3 | Im 24-seitigen "Basler Freisinn" (ohne Zusatz "Wir Liberalen") muss der Basler Freisinn gesucht werden. In der März-Ausgabe finden wir ausser einem Veranstaltungshinweis nichts. Peinlich - als herrschte Sommerflaute. Schade, dass es über den Basler Freisinn nicht mehr zu sagen gibt.
PS: In besseren Zeiten sind vier Seiten Zufälliges und wenig Aufregendes zu finden. | 6 |
24. April 2007
Tipps an Parteizeitungs-Strategen
• Analysen präsentieren, Hintergrundartikel bestellen
• Weniger Seiten, aber mehr Erkenntniswert
• Debatten anreissen
• Zukunftsgerichteten Ansatz wählen
• Regelmässige Primeurs bieten
• Auch die Basis zu Wort kommen lassen
• Eigene Polit-Stories "ausgraben"
• Widerspruch und Lebendigkeit fördern
• Medien-Kommentare kritisch würdigen und analysieren
• In Interviews härter fragen
• Humor reinzwingen
• Eigene Schwächen nicht verschweigen
• Weniger offensichtliche (Selbst-)Lobhudelei
• Gegnerische Position aufnehmen und erklären, weshalb die eigene plausibler sei
• Politischen Gegner mit Fakten, nicht mit Pöbelei herausfordern
• Ausbau von Online-Aktivitäten prüfen
"Beeindruckende Liste von Empfehlungen"
Mehr noch als der ehrenvolle 1. Rang, den Sie dem liberalen Parteiblatt zuerkannt haben, hat mich Ihre Liste von Empfehlungen für Verbesserungen beeindruckt.
Da Parteiblätter mit einiger Wahrscheinlichkeit am genauesten von den Aktiven der vorletzten Generation der jeweiligen Partei gelesen werden, wird die Hauptaufgabe der Redaktionen darin bestehen, diesen verdienten Senioren den Verzicht auf Selbstbeweihräucherung schmackhaft zu machen.
Hans Ulrich Iselin, Riehen
"So schlecht kann unsere Zeitung nicht sein"
Tatsächlich ist in der letzten Ausgabe der FDP-Zeitung nichts aus Basel zu finden. Dafür gibt es auch einen ganz einfachen Grund, den wir OnlineReports auch gerne mitgeteilt hätten. Da unsere Zeitung aus Kostengründen als Kopfblattsystem funktioniert, sind wir darauf angewiesen, dass die Termine eingehalten werden. Bei der letzten Ausgabe wurde plötzlich der Redaktionsschluss rund 10 Tage vorgezogen. Eine einfache Anfrage hätte genügt, um diesen Sachverhalt an den Tag zu bringen.
Übrigens: So schlecht, wie jetzt unsere Parteizeitung gemacht wurde, kann sie gar nicht sein. Denn schon öfters wurde gerade im OnlineReports aus unserer FDP-Zeitung zitiert.
Daniel Stolz, Präsident Basler FDP, Basel
"Auch eine Frage des optimalen Mitteleinsatzes"
Ein in mancherlei Hinsicht interessantes Thema, das Peter Knechtli hier aufgreift! Zu ergänzen wäre, dass es nicht "bloss" um inhaltliche und ästhetische Fragen geht, sondern auch um die Frage nach dem optimalen Parteifinanzmitteleinsatz. Anders gesagt: Wenn man für (absolut oder relativ) weniger mehr erhalten kann - weshalb sollte man darauf verzichten?
Patric C. Friedlin, Basel