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© Foto by Musée Fabre, Montpellier Agglomération / Frédéric Jaulmes
Der Künstler als Produzent, Kreator und Selbstvermarkter: Gustave CourbetZwei Ausstellungen in Genf und Basel zeigen das Werk des französischen Begründers des Realismus Von Aurel Schmidt Ach, der Ursprung der Welt! Dass "L'Origine du monde", das skandalumwitterte Werk des Malers Gustave Courbet, soviel Aufsehen erregt, ist ärgerlich, weil es ablenkt von soviel anderem, das es über den Künstler zu sagen gäbe. Aber ohne Events, Highlights, Rankings scheint es nicht zu gehen, das ist die höchste Stufe, die das Denken erreicht. Das Explizite überwiegt. Keine Möglichkeit, sich zu entziehen. Jetzt kann das Gemälde in der Fondation Beyeler im Rahmen ihrer Courbet-Ausstellung besichtigt werden.
"Realismus heisst, sich an das halten, Courbets Name ist auf das Engste mit der Stilrichtung des Realismus verbunden, mit dem der Kunstaufstand einer neuen Generation verbunden war. Realismus heisst: Sich halten an das, was da ist, nicht was sich der Künstler im Elfenbeinturm seines Ateliers ausdenkt. Schnell trocknende Farben hatten die Maler in Freie gelockt, was auch die Motivwahl beeinflusste. Schluss mit den antiken Idealen eines Emile Bouguereau, der dem bourgeoisen Publikum Nymphen und Harems-Sklavinnen zum Delektieren anbot, meistens kunstvoll gemalt, bestimmt, aber völlig fern seiner Zeit mit ihrem Problemen. Heute ist Bouguereau ein Kollateralkapitel in der Kunstgeschichte – und Courbet eine Schlüsselfigur, in der sich die Tendenz der Zeit widerspiegelt.
Courbet war Republikaner, von ruraler Herkunft und beeinflusst vom Sozialismus von Joseph-Pierre Proudhon aus Besançon. Also malte er Arbeiter, die Steine für den Strassenbau zurechtklopfen ("Die Steinklopfer", zerstört) und Frauen, die Korn sieben ("Les Cribleuses de blé"), aber damit hatte es nicht sein Bewenden. Auch seine geliebte heimatliche Landschaft malte er, wie er sie sah und wie man sie heute noch sehen kann, ebenso Akte, nicht nur erotische, sondern auch schwerfällige Körper, wie es das Leben mit sich bringt, oft mit kunsthistorischen Anspielungen (Rembrandt, Ingres), nur in Courbets Zeit versetzt. Ausserdem Porträts, Jagdszenen, Blumen.
"Mit Provokationen und Publizität Als Promoter wusste er, worauf es ankam. Mit Broschüren und Skandalen, Provokationen und Publizität sorgte er dafür, dass er im Gespräch blieb. Als einige seiner Werke für den Salon 1855, der in die Weltausstellung integriert war, von der Jury abgelehnt wurden, liess er gleich nebenan einen Pavillon errichten, wo er die refüsierten Werke zusammen mit zahlreichen weiteren dem Publikum vorzuführte, als Privat- und Protestveranstaltung.
"Das Disparate beziehungsweise die Extreme Man sieht also, was für eine Scharnierstelle Courbet in der Kunstgeschichte einnimmt. Seine Modernität liegt weniger in der Aussage als in der künstlerischen Produktion und der Künstlerpersönlichkeit. In koordinierter Parallele ist es jetzt in zwei Ausstellungen möglich, sich mit Courbets Schaffen auseinanderzusetzen – im Musée Rath in Genf und in der Fondation Beyeler in Riehen.
In einem Saal mit einer geschlossenen Gruppe von Selfies, von Selbstporträts Courbets, taucht plötzlich eine Landschaft auf. Was hat das zu bedeuten? In einer anderen Gruppe mit dem Thema des Puits-Noir, dem Ort im Tal der Brême nahe Ornans, wo Courbet oft gemalt hat, ist ein Frauenakt vertreten, der auf Anhieb wie ein Fremdkörper wirkt. "L‘Origine du monde" wird ebenso mit einem Blumenporträt wie mit einigen Werken konfrontiert, in denen der Künstler die Quelle der Loue abgehandelt hat, dem Fluss, der sich aus einer Felsengrotte ergiesst und das Tal bildet, in dem Ornans liegt, Courbets Heimat, mit der er zeitlebens eng verbunden war. Es ist, als wollte der Künstler etwa zu verstehen geben: Von hierher komme ich!
Neu ist das Vorgehen nicht mehr, aber die Methode fordert jedes Mal neu das Erstaunen, die Neugier, die Unruhe heraus. Das Disparate beziehungsweise die Extreme ergeben in der Zusammenführung am Ende eine neue Ebene der Erkenntnis, die für jede Person individuell ist. Es ist dies das dialektische Prinzip, bei dem aus These und Antithese ein Neues, Drittes hervorgeht, die Synthese, zum Beispiel der Realismus in seiner übergeordneten allegorischen Erweiterung wie im grossen Atelierbild Courbets, "L'Atelier réelle déterminant une phase de sept années de man vie artistique", das er 1855 in seinen "Pavillon du Réalisme" aufgenommen hatte.
Gerade dieses Werk stellt übrigens die denkbar deutlichste Gegenposition zur Malerei des oben genannten Bouguereau her und macht deutlich, dass Courbet keinen kruden Realismus im Sinn hatte, sondern es ihm auf eine Interpretation des Alltäglichen und Sichtbaren ankam.
"Wie trist waren Courbets letzte Lebenjahre? Anders geht das Musée Rath vor. Wegen der Folgen seiner Beteiligung an der Commune 1871 in Paris flüchtete Courbet in die Schweiz, wo er am 23. Juli 1873 eintraf und sich in La Tour-de-Peilz bei Vevey niederliess. Mit nur 58 Jahren starb er dort am 31. Dezember 1877. Nach der gängigen Auffassung waren seine letzten Lebensjahr trist und von Geldsorgen, Alkoholismus, Enttäuschung, Depression gezeichnet.
6. September 2014
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