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"Dieser Entscheid fällt nicht leicht": Hafner und Frehner bei Lagebeurteilung
SVP verzichtet auf zweiten Wahlgang - Gass in stiller Wahl gewählt
Die stärkste bürgerliche Kraft will gegen FDP-Sicherheitsdirektor Gass nicht mehr antreten
Von Peter Knechtli
Unter scharfer Kritik an den traditionellen bürgerlichen Parteien gab die Basler SVP heute Dienstagnachmittag ihren Verzicht auf die Teilnahme am zweiten Wahlgang zu den Regierungsratswahlen bekannt. Damit dürfte der bisherige Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass (FDP) in stiller Wahl gewählt sein.
Am Wochenende waren im Kanton Basel-Stadt sechs von sieben Regierungsräten im ersten Wahlgang gewählt worden. Von den Bisherigen blieb einzig FDP-Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass (Bild) unter dem absoluten Mehr. SVP-Kandidat Patrick Hafner erreichte weniger Stimmen als die Hälfte des absoluten Mehrs betrug. Im Vorfeld der Wahlen hatte die SVP jedoch entschieden angekündigt, ohne Rücksicht auf die bürgerlichen Parteien zum zweiten Wahlgang anzutreten. SVP-Vizepräsident und Parteistratege Sebastian Frehner am 19. Mai im Interview mit OnlineReports: "Wir werden Patrick Hafner sicher nicht zurückziehen – als Dank dafür, dass die traditionellen bürgerlichen Parteien unseren Kandidaten nicht unterstützen.
Schuldzuweisung der SVP
So weit kommt es nun aber nicht: Heute Dienstagnachmittag gab die SVP in einem Communiqué den Verzicht auf die Teilnahme am zweiten Wahlgang bekannt.
Wortlaut: "Die traditionellen bürgerlichen Parteien sind daran schuld, dass alle rot-grünen Kandidaten den Einzug in den Regierungsrat schon im ersten Wahlgang geschafft haben. Ihre Ausgrenzungsstrategie gegenüber der SVP führte einzig dazu, dass sowohl der FDP- als auch der SVP-Kandidat nicht im ersten Wahlgang gewählt wurden. Die SVP, als grösste bürgerliche Partei und Wahlsiegerin der Grossratswahlen, gehört in den Regierungsrat; die Zusammensetzung des Regierungsrats entspricht nicht den tatsächlichen politischen Kräfteverhältnissen. Die SVP Basel-Stadt nimmt im Gegensatz zu den traditionellen bürgerlichen Parteien ihre Verantwortung gegen die Zerfleischung der bürgerlichen Kräfte und für eine geschlossene bürgerliche Zusammenarbeit wahr und tritt nicht zum zweiten Wahlgang der Regierungsratswahlen an. Dieser Entscheid fällt der SVP nicht leicht. Sie erwartet nun von den traditionellen bürgerlichen Parteien endlich den Tatbeweis, dass auch sie an einer konstruktiven Zusammenarbeit aller bürgerlichen Parteien interessiert sind und nicht einzig ihre Partikularinteressen verfolgen."
Wahlaussichten chancenlos
Obschon die Anmeldefrist für die Teilnahme am zweiten Wahlgang erst morgen Mittwoch abläuft, dürfte somit Hanspeter Gass als in stiller Wahl gewählt gelten. Denn schon zuvor hatten EVP und DSP sowie die Schweizer Demokraten den Verzicht ihrer Kandidaten Heinricht Ueberwasser, Stephan Maurer und Patrik Cattin bekannt gegeben. Auch die SP hielt sich mit ihrem Bekenntnis, den Anspruch der FDP auf einen Regierungssitz zu akzeptieren und auf eine eigene Kandidatur zu verzichten, zurück. Die FDP-Partner CVP und LDP hatten sich zuvor schon klar für die Wiederwahl von Gass ausgesprochen.
Unter diesen klaren Voraussetzungen erschien eine Kandidatur der SVP - ob mit Patrick Hafner oder mit einem andern Kandidaten - im vornherein völlig aussichtslos. Schon am vergangenen Sonntagabend punkt 19 Uhr hatte sich SVP-Vizepräsident Sebastian Frehner im Wahlzentrum mit Kandidat Hafner zu einer ersten Lagebeurteilung getroffen (Bild oben). Frehner erklärte gegenüber OnlineReports, den Ausschlag zum Verzicht habe gegeben, dass der Grund "Rot-grün zu bekämpfen und einen Sitz wegzunehmen", jetzt nicht mehr gegeben sei: "Wir müssen uns nicht im bürgerlichen Lager zerfleischen."
"Es gab keinen Deal"
Frehner sagte weiter, dem Rückzug der Kandidatur Hafner seien "sehr lange Diskussionen" im Parteivorstand und mit weiteren wichtigen Exponenten der Partei vorausgegangen. Mit den traditionellen bürgerlichen Parteien hätte "keine Gespräche" stattgefunden. Frehner: "Es wäre ja an den Freisinnigen gelegen, auf uns zuzukommen und uns höflich zu bitten, nicht noch einmal anzutreten." Es habe auch nie zur Debatte gestanden, allenfalls mit einem neuen Kandidaten anzutreten. Schon bei der bevorstehenden Diskussion um die SVP-Steuerinitiative werde sich zeigen, ob sich die traditionellen bürgerlichen Parteien "weiterhin mit Rot-grün anbiedern und unsere Initiative bekämpfen".
Kandidat Patrick Hafner zeigte sich gegenüber OnlineReports "offen gesagt enttäuscht über das Resultat der Regierungsratswahlen". Das Ergebis zeige "deutlich, dass sich die traditionellen Bürgerlichen letztlich auch sich selbst geschadet haben, weil sie nicht mit der SVP zusammenarbeiten wollten". Die SVP zahle aber "trotz allem nicht mit gleicher Münze zurück, sondern verhält sich entsprechend ihrer staatstragenden Verantwortung". Folglich, so Hafner weiter, sei er mit dem "Vorschlag des Parteivorstands, meine Kandidatur jetzt nicht weiterzuführen", einverstanden gewesen.
Keine Zeichen der Annäherung
CVP-Präsident Markus Lehmann, der von OnlineReports über den SVP-Verzicht erfuhr, reagierte mit Fassung auf die Nachricht: "Ich bin zufrieden. Das ist das einzig Richtige, sonst wäre es mit der SVP auf alle Zeiten verkachelt gewesen." Wenn nun der zweite Wahlgang obsolet werde, könne "viel Geld gespart" werden.
Auch der frühere liberale Grossratspräsident Andreas Burckhardt zeigte sich gegenüber OnlineReports "zufrieden" mit dem SVP-Rückzug. Damit könnten "Aufwand und Kosten gespart" werden. Er glaube nicht, so Burckhardt weiter, "dass Herr Hafner in einem zweiten Wahlgang Erfolgs-Chancen gehabt hätte". Klar äussert sich die LDP-Politiker zur Frage, ob die traditionellen bürgerlichen Parteien sich nun der SVP, wie von ihr gefordert, annähern sollten: "Als Parteivertreter können wir nicht mir der SVP zusammenarbeiten, wenn man von ihr ständig Ohrfeigen kriegt." So, wie die SVP im Moment gesamtschweizerisch aufgestellt ist, hätten "viele konservative Liberale Schwierigkeiten, sich an die SVP anzunähern".
FDP-Präsident Daniel Stolz mochte zum SVP-Rückzug keine emotionale Bewertung abgeben: "Dies ist ihr Entscheid. Ich hätte jeden Entscheid akzeptiert. Wenn sie angetreten wäre, wären wir in die Wahl gestiegen und das Verdikt der Bürgerinnen und Bürger abgeholt." Stolz ist nicht der Meinung, es sei Aufgabe der Freisinnigen gewesen, die SVP zum Verzicht zu bitten: "Wenn wir dies gemacht hätten, wäre dies als Druck empfunden worden." Für Stolz gibt der Wahlausgang keinen Anlass für eine Verhaltensänderung seitens der FDP: Wir haben inhaltlich schon immer mit der SVP zusammen gearbeitet, wo es Sinn macht." Auch die so genannten "Storchen-Gespräche" mit den Spitzen der vier Parteipräsidenten und Grossratsfraktionen jeweils vor den Grossratssitzungen seien nie abgebrochen worden: "Die gibt es immer noch."
16. September 2008
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Hanspeter Gass: "Anerkennung für SVP"
Noch vorgestern Sonntagmittag, bei Bekanntgabe des Resultats der Basler Regierungsratswahlen, dürften Hanspeter Gass zeitweise Gefühle der Einsamkeit und der Beklemmung beschlichen haben: Als einziger amtierender Basler Regierungsrat schaffte er die Wahl im ersten Wahlgang nicht. Mit 18'855 Stimmen blieb er unter dem absoluten Mehr von 20'538 Stimmen.
Heute Dienstagnachmittag (Bild) hellte sich sich die Stimmung des Freisinnigen auf, als der Verzicht der SVP auf Teilnahme am zweiten Wahlgang bekannt wurde: "Ich bin zufrieden, denn ich war mir bewusst, dass die SVP auch anders hätte entscheiden können."
Doch auch am Vorabend zierte kein Blumenstrauss das Büro von Hanspeter Gass. Auf seinen Tischen lagen Ordner Akten, Zeitungen und Mini-Rettungsfahrzeuge. Er äusserte sich auch zurückhaltend: "Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben." Erst morgen Mittag um 12 Uhr steht formell fest, ob er wirklich in stiller Wahl für weitere vier Jahre gewählt worden ist.
Ein unübersehbar erleichternd wirkender Sicherheitsdirektor äusserte sich im Gespräch mit OnlineReports anerkennend über die SVP und ihr Wahlergebnis wie derzeit selten ein Parteifreund. "Die SVP ist jetzt die grösste bürgerliche Fraktion im Grossen Rat, sie stellt den nächsten Grossrats-Präsidenten und hat Anrecht auf die ihr zustehenden Kommissionssitze und -Präsidien." Der Verzicht darauf, in die zweite Runde zu steigen, sei auch "ein Signal an die drei bürgerlichen Partein für eine konstruktive Zusammenarbeit, ein erster Schritt auf die Parteien hin".
Für ihn als Sicherheitsdirektor sei es "wichtig, mit der SVP im Grossen Rat gut zusammenzuarbeiten, weil sie sich auch für sicherheitsrelevante Fragen interessiert".
Wäre die SVP nochmals angetreten, meinte er, "wäre ich motiviert und zuversichtlich in den zweiten Wahlgang gegangen". Dass ihm jetzt höchstwahrscheinlich eine auch tatsächlich stille Wahl ohne Parteien-Jubel, fliegende Blumen-Bouquets und Küsschen-Küsschen unter Medienpräsenz bevorsteht, damit kann Hanspeter Gass "gut leben". Er mache sich "keine Illusionen darüber, dass meine Arbeit in den nächsten vier Jahren angenehmer wird". Denn: "Wir stehen im Schaufenster der Öffentlichkeit. Aber wenn ich der Bevölkerung unsere Arbeit näher bringen kann, dann hat sich der Preis dafür gelohnt."
"Das finde ich schon lustig"
Das finde ich schon lustig: Wenn sich Herr Borer zum Beispiel über die verschiedenen Lärmquellen in der Stadt äussert, wird ihm empfohlen, die Stadt zu verlassen und aufs Land zu ziehen, wo der Pfeffer wächst und Ruhe herrscht. Tut er das und meldet sich von dort – noch immer kompetenter als manch anderer Kommentator –, wird ihm gleich mal die Schuld am Wählerrückgang und an Steuersenkungen (!) um die Ohren geklatscht, und man fordert ihn auf, sofort zurück zu kommen und "anzupacken".
Daniel Thiriet, Riehen
"Bürgerliche Besserwisser, kommt zurück!"
Zum Kommentar von Edi Borer, Kaiseraugst: Interessant ist, dass politische Vorgänge im Kanton Basel-Stadt nicht selten von Leuten kommentiert werden, die diesem Kanton entweder durch Wegzug Steuersubstrat entzogen oder aber nie hier gewohnt haben. Und besonders lustig ist es, wenn ein Aargauer in einem einzigen Feedback sowohl Vorgänge im Baselbiet als auch "in dieser Stadt" kommentiert.
Solche Kommentare sind in etwa gleich viel wert wie die gut gemeinten, aber unangebrachten und letztlich nutzlosen Vorschläge eines Fussballzuschauers an den Trainer oder die Mannschaft. Deshalb, liebe bürgerliche Besserwisser: Kommt (zurück) in den Kanton Basel-Stadt und packt mit an. Ein guter Teil des bürgerlichen Wählerrückgangs ist nämlich schlicht und einfach durch Wegzug ebendieser Wählerschaft in die Agglomeration zu erklären. Tatsächlich sind zusätzliche Steuersenkungen im Stadtkanton nötig, um den Aderlass an guten Steuerzahlern zu stoppen. Wir Bürgerlichen vor Ort arbeiten daran und können jegliche Unterstützung von scharfsinnigen Heimkehrern gut gebrauchen.
Daniel Albietz, Riehen
"Eigentlich müsste die SVP Bedingungen stellen"
Ganz klar: Der Entscheid der SVP ist nicht nur richtig, sondern zeugt auch von Klugheit gegenüber dem Basler Stimmbürger. Mich ärgert eigentlich nur der Kommentar des CVP-Präsidenten: "... sonst wäre es mit der SVP auf alle Zeiten verkachelt gewesen." Ja um Himmels Willen, wars denn zwischen den Mitte-Bürgerlichen und der SVP bisher anders als "verkachelt"? Erst erklären die Bürgerlichen die SVP zu den "Unberührbaren", weil ihnen der – zugegeben oft rüde – Stil von Angelika Zanolari nicht gepasst hat. Und dann geht die Ausgrenzung der SVP - trotz merklich moderaterem Stil - vor den diesjährigen Wahlen gleich weiter.
Eigentlich müsste doch die SVP "Bedingungen" stellen, denn sie hat - im Gegensatz zu den etablierten Mitte-Bürgerlichen – erneut Stimmen gewonnen. Dass eine bürgerliche Allianz mit der SVP auch bei etwas weiter auseinander liegenden Positionen Sinn machen und auch erfolgreich sein kann, zeigt die "Büza" im Baselbiet seit Jahrzehnten. Wenns um die Wurst geht, werden dort Animositäten ganz pragmatisch auf die Seite gestellt und Zweckallianzen geschmiedet – gegen links. Offenbar ist den Mitte-Bürgerlichen in Basel die "kirchliche Appropriation" der Linken aber viel wichtiger. Derweil lacht sich diese über den vorauseilenden Gehorsam der Bürgerlichen ins Fäustchen. Und sie wird bei nächster Gelegenheit erneut am Marionetten-Faden ziehen, damit die Mitte wieder nach ihrer Pfeife tanzt. Hübsch weit hat man es in der Stadt schon gebracht.
Edi Borer, Kaiseraugst
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