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"Eigentlich Ochsentour-Politiker": SP-Kandidierende im Social Media-Status*
Baselbieter SP auf Wahlkampf-Tour mit und zu sich selbst
OnlineReports begleitete ein Grüppchen auf einer Wald-Wanderung zur Teambildung zwischen Tafel- und Faltenjura
Von Peter Knechtli
Ihre beiden Sitze verteidigen und einen Wähleranteil von 24 Prozent erringen will die Baselbieter SP in den Nationalratswahlen vom 18. Oktober. Eine Wanderung über Wald- und Wanderwege auf Bad Ramsach führte die Partei heute Donnerstag durchs Oberbaselbiet – nicht in erster Linie zu den Wählenden, sondern zu sich selbst.
Der Laptop von Nationalrat Eric Nussbaumer war schon am frühen Morgen aufgeklappt, als sich in Gelterkinden ein Grüppchen sozialdemokratischer Wahlkämpfender im Gelterkinder Bahnhof-Restaurant "Trafico" zu einer weiteren Eappe der "Wahl-Tour traf. Andere fingerten schon an ihren Smartphones herum, um Meinungs-Beiträge in einer bestimmten regionalen Tageszeitung zu kommentieren. "So funktioniert Journalismus: Heute die Lüge – morgen die Gegen-Lüge", zitierte Fraktionspräsidentin und Kandidatin Kathrin Schweizer einen uns nicht bekannten Journalisten in einem Twitter-Post. Ihr Mitbewerber, der frühere Kantonalpräsident Martin Rüegg, kümmerte sich derweil um die Regelung zuviel bestellter Gipfeli.
Eine Wanderung zu sich selbst
Wo sind die kämpferischen Transparente? Zum Beispiel: "Regierung spart Kanton zu Tode"? Wo tröten Inhalte durch Megaphone: "Mit der SP sichere Arbeitsplätze, menschenwürdige Löhne und eine nachhaltige Wirtschaft"?, schoss es mir duch den Kopf in der irrigen Annahme, es gehe hier um die Mobilisierung der Massen.
Als das Grüppchen wenige Postauto-Minuten später am 1723 erbauten Feuerwehr-Weiher in Rünenberg stand und sich vom ehemaligen Revierförster Johann Schneider (nicht -Ammann) und Martin Rüegg – beide beständige Exponenten des "Erlebnisraums Tafeljua" – in der gleissenden Morgensonne die Dorfgrössen Martin Birmann und General Johann August Sutter erklären liess, wurde mir klar: Hier ging es gar nicht um einen Kampf-Marsch zu den Massen, sondern um eine Wanderung zu sich selbst. Teambildung war angesagt. Spirit of SP Baselland. Man kommt sich so etwas näher als sonst.
770 Höhenmeter habe der SP-Trupp überwunden, renommierte Nussbaumer später schelmisch im Gespräch mit Genossen. Das stimmt, vom Meeresspiegel aus gerechnet. In Wahrheit waren es der steile Abstieg zum "Giessen" und dann der Aufstieg über Matten und durch Wälder auf Bad Ramsach.
Biologielektion, nicht ganz politikfrei
Immer wieder hielt die Gruppe inne, um sich wissbegierig das Waldbiotop, die europäisch führende Biodiversität der Jurawälder bis hin zu problematischen Arten wie Douglasien (einer: "invasiv wie die SP") oder Thuja, das grassierende Eschensterben oder die Exklusivität des Elsbeerbaums erklären zu lassen, der bis 4'000 Franken pro Kubikmeter einträgt.
Vorbei am "Guggerhof", der hälftig auf Rünenberger und Häfelfinger Boden steht, aber politisch zu Häfelfingen gehört, weil die massgebliche Küche auch dort steht, ging es weiter, wie es sich die Fussvolk-Vertreter auch politisch wünschen: bergan. "Wir sind eigentlich Ochsentour-Politiker", keuchte Nussbaumer. Als es an Zwetschgenbäumen vorbei ging, wurde der Frenkendörfer politisch etwas indiskret. Ein türkischer Bub habe ihn gefragt, was Zwetschge auf Türkisch heisse. "Erik."
Traktors, Marke McCormick
Eric, die Zwetschge. Er lachte dabei auf eine Weise, die ausdrückte: Dieses Witzlein in eigener Sache kann sich das politische Schwergeiwcht der Baselbieter SP leisten. Ganz unpolitisch wurde der Ingenieur, als er sein iPhone zückte und stolz Fotos seines Traktors, Marke McCormick, Typ 326D, Jahrgang 1965 herzeigte. Dieses Diesel-Modell, von seinem Grossvater erworben und vererbt, benötigt er beim Umbau seiner Zweitwohnung im Elsass. Wie sehr Nussbaumer beim Balkensetzen Hand anlegt, beweist sein unter Körpereinsatz gekrümmtes und durch Nägel malträtiertes Handy.
Ach ja, das SP-Listen-Septett war nicht komplett. Susanne Leutenegger-Oberholzer und Christoph Hänggi waren ebenso verhindert wie Ständeratskandidat Claude Janiak, Jung-Talent Samira Marti musste mit Pfeifferschem Drüsenfieber forfait geben. Dafür stiess in der Mittagspause auf Bad Ramsach Miriam Locher zum Wander-Tross, während sich einige Juso-Aktive nach dem Mittagsmahl wieder an die Arbeit machten und den (geografischen) Abstieg der Stammliste überliess.
Nicht vergessen: Erlebnisraum Tafeljura
Eine leicht meditative Note bekam Selbstbestärkung-Trip am Fusse einer immensen Rottanne, deren Nähe als Kraftort gilt, was die Anwärterinnen und Anwärter dankbar für ein Verweilen zwecks seelischer Stärkung nutzten. Man war und blieb unter sich. Was in bilateralen Gesprächen ausser Hörweite des Journalisten ausgetauscht und getuschelt wurde, lässt sich nur erahnen. Vielleicht: Gibt es in der kommenden Legislatur einen vorzeitigen Rücktritt, wer wäre Nachrückender oder Nachrückende? Oder: Wer liesse wen durch Aussitzen nicht nachrücken?
Ein kollektives Thema war nicht nur der Wald, sondern immer wieder auch der "Erlebnisraum Tafeljura", dessen Verein Martin Rüegg präsidiert. Diese Bürgerinitiative ist – im Gegensatz zum Projekt "Jurapark", das sie lancierte – absolut lebendig und aktiv.
Die engagierte Häfelfinger Biobäuerin Vreni Wüthrich, die Schwester des abtretenden SVP-Nationalrats Christian Miesch und "Erlebnisraum"-Vorstandsmitglied, berichtete über den Erfolg einer Aktion, die zu 750 neuen Hochstammbäumen führte. Es dürften, so liessen ihre Ausführungen durchblicken, auf den ausgeräumten Wiesen des Oberbaselbiets gern noch einige mehr dazu kommen. Als Versucherli offerierte Vreni Wüthrich ein "Hochstamm-Tutti-Frutti". Einhelliger Befund: köstlich.
Frau Matter aus Buckten
Obschon (von einem Apéro-Panache abgesehen) alkoholfreie Verpflegung kam Nussbaumer später auf der Ruine Homburg richtig in Fahrt: Der bärtige Bisherige liess mitsingend Country-Musik aus seinem Trümmer-Phone plärren, während sich andere Aktive die Zeit vertwitterten, was OnlineReports gnadenlos dokumentierte (Aufmacherbild).
Unten in Buckten wurde das "Läufelfingerli" bestiegen, wo Eric Nussbaumer den zweiten vorsätzlichen Kontaktversuch vollzog und mit Frau Matter aus Buckten ins Gespräch kam, die wir später beim Apéro der Ortssektion in der Soll-Begegnungszone von Sissach wieder trafen.
Hier, wo nun mehr oder weniger zufällig auch die listenverbundene Grünen-Präsidentin Florence Brenzikofer vorbeischaute, kam so etwas wie kulinarisch animierte Strassen-Präsenz auf, bevor es nach Lausen weiterging, wo der Schweiss des Tages bei Grill mit liquiden Mitteln heruntergespült wurde.
Im Postauto nach Rünenberg hatte Eric Nussbaumer an diesem Tag übrigens den ersten Volks-Kontakt. Er: "Wie nehmen Sie das Baselbiet politisch wahr?" Sie: "Es geht so."
* von links: Martin Rüegg, Kathrin Schweizer, Miriam Locher, Eric Nussbaumer auf der Ruine Homburg
13. August 2015