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"Verpflichtung, der Partei etwas zurückzugeben": Buser-Print- und Plakatwerbung
Nationalrats-Kandidat Christoph Buser rührt die auffälligste Werbetrommel
Der Direktor der Wirtschaftskammer fährt eine im Baselbiet noch nie gesehene Wahlkampagne – darüber reden will er nicht
Von Peter Knechtli
Wenn, wie im Baselbiet, ein Ständeratssitz neu zu besetzen ist, entwickelt der Wahlkampf eine besondere Dynamik – vor allem, wenn eine amtierende Nationalrätin wie Daniela Schneeberger (FDP) um diesen Sitz kandidiert. Im Kampf um ihr mögliches Erbe fährt ihr Parteikollege Christoph Buser eine autarke Wahlkampagne, wie sie das Baselbiet noch nie erlebt hat.
Wir sind auf Erkundungstour durch die Strassen des Baselbiets. Dem politisch interessierten Beobachter bietet sich ein erfreuliches Bild: Die Laternenpfosten sind vollgepflastert mit Wahlplakaten, gelegentlich aufgelockert durch eine "Hoochi-Goochy"- oder "Oktoberfest"-Werbung. Breite Stelen mit F12-Plakaten leisten sich Bewerber der vordersten Front – Sinnbild für eine auch im virtuellen Zeitalter noch politisch lebendige Bevölkerung. All diese Selbstdarsteller im munteren Kopf-Salat möchten in Bern mitreden: Sie kandidieren für ein Amt als National- oder Ständerat.
Stückelberger und Schenker
Besonderen Ehrgeiz entwickeln neben den Grünen und den Sozialdemokraten die Freisinnigen: Weil ihre Daniela Schneeberger nicht nur für ihre Wiederwahl als Nationalrätin kandidiert, sondern auch für den frei werdenden Ständeratssitz, eröffnet sich dem hinter ihr liegenden sechsköpfigen Feld die Chance, im Fall ihrer Wahl in die Kleine Kammer auf Platz zwei zu landen und sogleich auf ihren Nationalratssitz nachzurücken.
Als sich vergangenes Jahr die Doppelkandidatur Schneebergers abzeichnete, schossen die Spekulationen über ihre mögliche Nationalrats-Nachfolge ins Kraut. Zu den meistgenannten Namen zählten jene des Arlesheimer Landrats Balz Stückelberger und der heutigen FDP-Kantonalpräsidentin und Itinger Landrätin Saskia Schenker.
Stückelberger hatte sich zusammen mit Christoph Buser, dem Direktor der Wirtschaftskammer, schon vor vier Jahren um die Ständerats-Nomination duelliert und war mit zwei Stimmen Differenz unterlegen. Buser ging – auch in Erwartung eines Spitzenergebnisses in den Nationalratswahlen – mit einer Doppelkandidatur ins Rennen. Er blieb aber mit gut 31'000 Stimmen chancenlos gegen den amtierenden SP-Ständerat Claude Janiak (gut 42'000 Stimmen), der gleich im ersten Wahlgang das Absolute Mehr schaffte.
Buser steht nach Tiefschlag auf
Für Buser folgten im Zusammenhang mit Vorwürfen um die Geschäftspolitik der Arbeitsmarkt-Kontrolle vier bittere Jahre der Negativ-Schlagzeilen. Diesen Frühling folgte mit der Abwahl aus dem Landrat der Tiefpunkt seiner politischen Karriere. Seine selbskritische Bilanz: Er habe für seine Wiederwahl "zu wenig gemacht und muss das auf meine Kappe nehmen."
Doch statt sich von der Politik zu verabschieden, rappelte er sich auf, um sich mit einer nochmaligen Kandidatur für den Nationalrat zurückzumelden. Seiner Nomination am Parteitag vom 10. April erwuchs keinerlei Widerstand, zumal sich genau so viele Bewerbende angemeldet hatten, wie Listenplätze zur Verfügung stehen.
Vor dem freisinnigen Parteivolk sagte Buser, er sehe es nach seiner Ständerats-Kandidatur vor vier Jahren und dem damaligen "riesigen Support" als "eine Verpflichtung an, der Partei etwas zurückzugeben". (O-Ton hier) Für ihn wäre es, sagte er fast demütig, schon "ein Erfolg, Dritter oder sogar Zweiter zu werden". Mit seiner Kandidatur wolle er vor allem zur Wahl Daniela Schneebergers in den Ständerat mithelfen. Seine eigenen Wahlchancen bezeichnete Buser damals als "alles andere als intakt".
Der Zwei Sekunden-Test
Doch jetzt, zwei Wochen vor den Wahlen, wird eines deutlich: Buser gibt Vollgas – und wie. Er fährt eine multimediale Kampagne, wie sie das Baselbiet noch nie erlebt hat. Ob er tatsächlich mehr Plakate stellen liess als jeder andere Kandidat im Kanton, wie mehrere Parteifreunde gegenüber OnlineReports mutmassten, kann sein, lässt sich aber nicht verifizieren. Der Kandidat vom Altmarkt bestreitet es, will aber keine Zahlen nennen.
Tatsache ist, dass sicherlich keine FDP-Kandidatur ihre Namens-Marke so auffällig ins Auge sticht wie jene von Buser. Während die meisten andern Plakate – vielleicht abgesehen von jenem Daniela Schneebergers – eher altbacken daherkommen, besticht Busers Aufrittt mit modernem Layout. Frisch, kurz, knackig.
Der Name "Buser" in grossformatigen weissen Versalien auf blauem Grund optimistisch aufwärts zeigend besteht den Zwei Sekunden-Test, dem schon sein Ziehvater Hans Rudolf Gysin die Qualität der Strassen-Poster unterzog: Kann der Name im Vorbeifahren nicht innerhalb von zwei Sekunden klar wahrgenommen werden, verfehlt das Plakat seine Wirkung.
Nicht so bei Buser: "Buser in den Nationalrat", "2x auf Ihre Liste" und der Claim "Mache, was wichtig isch". Hinweis auf seine Website (dort steht, was er für wichtig hält), anfänglich noch ein kleines "Liste 1", in letzter Zeit kein Hinweis mehr auf die FDP. Seine Selbstdarstellung rückt ab von der vorgefertigen Norm-Grafik der FDP Schweiz, die beispielsweise Kantonalpräsidentin Saskia Schenker benützt.
Adressenstämme und Versandkapazitäten
Zwar zeigte sich Buser durchaus mit Listen-Kolleginnen und -Kollegen an kommunalen FDP-Wahlkampfanlässen. Aber die Grundkampagne lief recht abseits der Beobachtung durch die Informationsmedien: Buser zapfte Verbände wie die Hauseigentümer, Organisationen und Kernthemen an, in denen er eine führende Funktion hat, oder die zur tragenden Agenda seiner Gewerbepolitik gehören. Im Management der im Haus der Wirtschaft verwalteten Adressenstämme und Versandkapazitäten liegt eine kraftvolle konventionelle Marketing-Energie.
Buser organisierte von Liestal bis Laufen fünf Informations-Veranstaltungen zum Baselbieter Energiepaket ("Jetzt sanieren und profitieren!"), zu denen er als Präsident des kantonalen Hauseigentümer-Verbandes begrüsste. Unter Hausbesitzern lancierte er eine Umfrage ("Was ist Ihnen wichtig?") zu Themen wie Eigenmietwert, Mehrwertabgabe oder künftige Vorschriften in der Energiepolitik, frankiertes Antwortkuvert beigelegt. Ein damit verbundener Wettbewerb winkt mit 25 "attraktiven Preisen" wie Nachtessen und Einkaufs-Gutscheinen.
Täglich ist der TCS-Verwaltungsrat und Vorsitzende der kantonalen Task-Force "Anti-Stau" diese Woche mit Vorträgen zum Thema "Stau, Stau, nochmals Stau" oder "Lebenstraum Wohneigentum" unterwegs. Zusammen mit ertretern der "Konferenz der Gewerbe- und Industrievereine" reichte er einen Fünf Punkte-Forderungskatalog zur Mobilität an die Regierung ein.
Es wimmelt von Botschaften und Testimonials
Daneben aber – und dies ist neu – nutzt Buser die sogenannten Sozialen Medien professionell und in einem Mass wie keine und keiner seiner Mitkandidierenden. Ob altersstufengerecht auf Twitter, Facebook, Instagram, YouTube, LinkedIn oder auf seiner eigenen Website: Es wimmelt von Testimonals und Buser-Videos mit Botschaften, die alle nicht neu, aber erstmals in dieser Form und Fülle verbreitet werden. Wo immer Buser auftritt, selbst an einem ETH-Seminar in Zürich – immer ist die Videokamera dabei. Akteur ist er allein.
In Szene setzt ihn ein neu beauftragtes Social Media-Team der Wirtschaftskammer, das PR-Interviews führt und sie technisch wie grafisch professionell aufbereitet. Dem neusten "Standpunkt der Wirtschaft" ist zu entnehmen, dass der Bieler Mark Schwede, ein Strategieberater für digitales Marketing, beigezogen wurde. Eine Werbegentur, wie Parteifreunde vermuten, stehe nicht dahinter.
Interview abgesagt
Ein vereinbartes Interview mit OnlineReports über seine Kampagne sagte Christoph Buser ab, in seinen mündlichen Auskünften hielt er sich ungewöhnlich zurück. Er habe "innovative neue Wege mit guter Grafik" gehen wollen mit einem Schwerpunkt auf Sozialen Medien und "wenigen Inseraten in den regionalen Medien". Zu den Kosten der Kampagne wollte er sich nicht äussern. Es gehe ihm darum, "möglichst viele Stimmen" zugunsten von Daniela Schneeberger beizutragen.
Selbstredend dürfte er aber genauso anstreben, am 20. Oktober möglichst weit vorne mitzumischen, um in den darauf folgenden vier Wochen den Ständeratssitz für Schneeberger ins Trockene zu bringen. Der Gratisanzeiger "Baselbieter Woche" erschien letzte Woche ohne Text auf der Frontseite. Dafür mit ganzseitigem Buser-Inserat (siehe Aufmacherbild oben).
Wenn Daniela Schneeberger im zweiten Wahlgang die Grüne Maya Graf oder den Sozialdemokraten Eric Nussbaumer tatsächlich schlägt, könnte Buser der zweite Nationalrats-Platz genügen, um – wie dereinst Gewerbedirektor Hans Rudolf Gysin – die Reise nach Bern anzutreten. Sollte es auch diesmal nicht klappen, muss er sich sicherlich den Vorwurf nicht mehr machen, "zu wenig gemacht" zu haben.
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7. Oktober 2019
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"Zapfen ab"
In den vergangenen Wochen fuhr ich öfters mit dem Postauto von Gelterkinden nach Rheinfelden. Allüberall im Oberen Baselbiet schreit einem der "Buser machts" entgegen. Diese inflationäre Zupflasterung entlang der Hauptrouten erinnert mich an meine kritische Äusserung vom vergangenen Frühling, wo ich mutmasste, dass kleine Kinder im Keller laut singen, wenn von Angst getrieben.
Der Zapfen ist nun aber definitiv ab, wenn ich dieselben Plakate in Magden und Rheinfelden sehe – wer wird da nun für dumm verkauft ?
Oder zwei Thesen andersrum: 1. Entweder haben die Leute der APG keine Ahnung von Geografie oder 2. Der Buser-Clan ist so raffiniert, dass er die Baselbieter Pendler bereits im Vorhof des Baselbiets abholt.
So oder so: Für mich einfach nur abscheulich.
Ueli Pfister, Gelterkinden
"Was das Richtige ist, erfährt man nicht"
Der Buser-Overkill nervt gewaltig. Ständig wird einem dieses Gesicht aufgezwungen, Und dann diese hohlen Phrasen dazu! "Mache, was das Richtige isch" — was ist denn das Richtige für Herrn Buser? Das erfährt man nicht. Es entsteht der Eindruck, dass das politische Amt gekauft werden soll durch überwältigenden finanziellen Einsatz. Die Finanzierungs-Transparenz fehlt natürlich nach wie vor, was ja eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Überhaupt bin ich dafür, dass der Plakataushang auf zwei Wochen beschränkt werden sollte, für mich sind diese immer gleichen Plakate mit immer wieder denselben Köpfen und ihren dümmlichen Phrasen eine grosse Belästigung.
PJ Wassermann, Hersberg
"Spuren auch in Basel-Stadt"
Sogar im Kanton Basel-Stadt hinterlässt Christoph Buser Spuren. Jedenfalls hängt an der Peter Ochs-Strasse unterhalb des Wasserturms ein Wahlplakat von ihm, einige hundert Meter von der Kantonsgrenze entfernt!
Robert Heuss, Basel
"Spekulationen und Gerüchte"
Vielen Lesern des Muttenzer- und Prattleranzeigers ist bestimmt nicht entgangen, dass in Inseraten die Herren Andreas Schneider (Präsident der Wirtschaftskammer BL) und Hans-Rudolf Gysin (ex FDP-Nationalrat) Thomas de Courten (SVP) zur Wahl in den Nationalrat empfehlen und nicht etwa Christoph Buser, heutiger Direktor der Wirtschaftskammer und Gysins Zögling. Dies ist doch fragwürdig und gibt Anlass zu Spekulationen und Gerüchten.
Paul Dalcher, Pratteln
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