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"Ende Jahr zur Kasse": Defizitärer Basler EuroAirport
Fasten Seatbelts, liebe Steuerzahlende
Die Defizite des Basler EuroAirports wachsen in zweistellige Millionenhöhe – Politiker rechnen damit, dass der Staat zahlen muss
Von Peter Knechtli
Schon bald könnten die Steuerzahlenden aus den beiden Basel wegen des defizitären EuroAirports zur Kasse gebeten werden. Erstmals konkretisiert der Präsident der Basler Finanzkommission, Daniel Wunderlin, gegenüber OnlineReports, was Verwaltungsrats-Vize Edi Belser im Frühjahr erst sanft andeutete. Trotz kleiner Akqusitionserfolge ist ein Aufschwung nicht in Sicht.
In die nächtliche Stille mischt sich immer wieder das Brummen von Motoren. Am Nachthimmel über dem Oberbaselbiet taucht ein kreisendes Licht nach dem andern auf. Aber die Flugzeuge haben mit dem nahe gelegenen Flughafen Basel-Mulhouse nichts zu tun. Denn während die Bevölkerung im Grossraum Zürich um Fluglärm und Absturzrisiken hadert, herrscht auf dem EuroAirport Basel-Mulhouse fatale Gemütlichkeit.
Der einzige binationale Flughafen der Welt steckt in der grössten Krise seiner Geschichte. Noch zu Jahresbeginn, als die Swiss-Flucht aus Basel bereits ruchbar war, prognostizierte Direktor Jürg Rämi für das laufende Jahr ein Passagierwachstum von 5 Prozent. Heute zeichnet sich ein weiterer Rückgang um 19 Prozent ab: 3,058 Millionen Passagiere wurden letztes Jahr gezählt, Ende dieses Jahres werden es noch 2,4 Millionen sein. "Wir müssen uns auch auf einen Worst Case einrichten", sagte Rämi letzten Februar. Jetzt konstatiert seine Sprecherin Vivienne Gaskell: "Wir sind mitten drin."
Der rapide Niedergang des Flugbetriebs am EuroAirport fällt ausgerechnet mit dem Abschluss seines bisher grössten Investitionsprogramms zusammen. Mit einem Aufwand von 380 Millionen Franken auf eine Abfertigung von 6 Millionen Passagieren ausgebaut, dürfte das Flughafen-Management nächstes Jahr, wenn der erwartete weitere Rückgang auf 2,3 Millionen Passagiere Wirklichkeit wird, eine nicht genutzte Kapazität von über 60 Prozent zu beklagen haben.
"Künftig ohne staatliche Mittel..."
Was Umweltschützer und Lärmgeschädigte freut, macht Finanzpolitikern der Region zunehmend Sorgen. Nur dank äusserst günstigen Zinssätzen von durchschnittlich 2,5 Prozent wird die Schuldenlast von 270 Millionen Franken noch nicht zur existenzentscheidenden Grösse. Die Zinsenlast von sieben Millionen Franken, so Chef Rämi, sei "noch bezahlbar". Aber die Finanzen insgesamt geraten in Schieflage: 2001 sank der EuroAirport mit 500'000
"Im Jahr 2001 schrieb der EuroAirport erstmals rote Zahlen." |
Franken in die roten Zahlen, vergangenes Jahr waren es bereits 2 Millionen. Dieses Jahr, so heisst es im neusten Bericht der grossrätlichen Finanzkommission, dürfte sich "eine Defizit in der Grössenordnung von rund 10 Millionen Franken einstellen".
Diese Zahl ist brisant. Denn 66 Millionen Franken hatte 1999 das Volks der Kantone Basel-Stadt und Baselland an den Flughafenausbau unter anderem unter der Prämisse bewilligt worden, dass der EuroAirport seinen Betrieb künftig ohne staatliche Mittel finanziere.
Swiss sinkt 2004 auf 20 Prozent Passagieranteil
Dieses Prinzip ist jetzt in Frage gestellt. Schon vor einigen Monaten mochte der neue Flughafen-Vizepräsident und frühere Baselbieter SP-Ständerat Edi Belser "nicht ausschliessen, dass der Flughafen langfristig nochmals öffentliche Mittel braucht". Wie sich jetzt abzeichnet, könnte eine Staats-Spritze aus den beiden Defizitgarantie-Kantonen Basel-Stadt und Baselland schon bald Realität werden. Grossrat Daniel Wunderlin, Präsident der Finanzkommission: "Ich befürchte, dass wir Ende Jahr zur Kasse gebeten werden." Der SP-Parlamentarier glaubt überdies, "dass der Turnaround nicht so schnell zu bewerkstelligen ist und dass auch nächstes Jahr
"Der Turnaround wird nicht so schnell zu bewerkstelligen sein." |
Verluste anfallen werden". Wie sich jetzt zeige, sei die Ausrichtung auf einen Hauptkunden – die Swiss – "immer gefährlich".
Gemessen am sinkenden Gesamtvolumen transportierte die Swiss im dritten Quartal letztes Jahr noch 54 Prozent aller Passagiere, dieses Jahr waren es noch 39 Prozent, kommendes Jahr werden es noch 25 Prozent und nächstes Jahr noch 20 Prozent sein. Mit "Air France" (31 Prozent, +7 Prozent) und "Lufthansa"/"Hapag-Lloyd" (23 Prozent, +7 Prozent) verbessern sich zwar Mix und Risikoverteilung, dies aber in schrumpfenden Märkten.
Kleine Akquisitionserfolge
Wie der darbende EuroAirport zum Höhenflug zurückfinden kann, weiss niemand richtig und die Proteste gegen den Swiss-Rückzug auf Zürich sind in der Region Basel weitgehend verstummt. Teilweise recht erfolgreich operieren ab Basel neue Linien mit Flugzeugen unterschiedlicher Grösse – so "Cirrus Airlines" nach Leipzig, "Air Nostrum" nach Barcelona, "Aigle Azur" nach Constantine (Algerien), "Cimber Air" nach Kopenhagen
"Langfristig wird eine neue Schweizer Luftfahrtpolitik nötig sein." |
oder der Mini-Jet von "Club Airways" auf der Strecke Genf-Basel-Genf. Den Volumen-Durchbruch bringen diese Akquisitionen aber längst nicht.
Diese Nischenstrategie hält Thomas Bieger, Betriebswirtschaftsprofessor an der Universität St. Gallen, "kurz- bis mittelfristig für sinnvoll". Dazu kann auch die Akquisitionen eines Low-cost-carriers gehören, die Prüfung eine Cargo-Hubs und die Beschränkung auf Kleinstflugzeuge, die ein an den Bedürfnissen der regionalen Kunden orientiertes Europanetz bedienen.
Langfristig sieht Bieger nur den "Hub Schweiz", der eine neue schweizerische Luftfahrtspolitik erfordert und die Aufgaben unter den Landesflughäfen klar verteilt. Beispielweise gelte es "zu prüfen, Umsteigemöglichkeiten zwischen Basel und Zürich durch ultraschnelle Bahnverbindungen zu ermöglichen.
Warten auf den direkten Bahnanschluss
Ohne einschneidende Katastrophen wie Attentate sieht der Basler Airport-Chef Rämi Mitte nächstes Jahr Licht am Horizont: Investitionen sind kaum noch vorgesehen und Frankreich zeige sich vom Bahnanschluss des EuroAirports äusserst angetan. Doch der brandneue Schweizer Terminal Süd, demnächst fertig gestellt sein wird, bleibt "bis auf weiteres geschlossen".
> Der EuroAirport auf dem Niveau von 1995 |
Jahr | Passagiere pro Jahr in Millionen | 1995 | 2,4 | 1996 | 2,37 | 1997 | 2,7 | 1998 | 3 | 1999 | 3'601 | 2000 | 3'783 | 2001 | 3'550 | 2002 | 3'058 | 2003 | 2,4 | |
14. Dezember 2003
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