Klimastreik und "Junge SVP"-Kandidaten
Seit einigen Wochen hängen bereits die Wahlplakate an der Einfahrt des Gymnasiums Oberwil.
Jeden Morgen scheinen sie mich daran zu erinnern, meine Wahlliste rechtzeitig einzuwerfen. Diese Erinnerung wäre aber gar nicht nötig. Das übernehmen bereits Freundinnen und Freunde über soziale Medien wie "Snapchat" und Co.
Die Wahlen sind auf unseren Social Media-Kanälen hauptsächlich ein Thema, weil wir uns darüber aufregen, dass zwei Jungs aus der Parallel-Klasse für die Junge SVP kandidieren. Ehrlich gesagt: Mich überrascht es nicht, dass es gerade diese beiden sind.
Genau diese Jungs machen sich bösartig über die Klimabewegung oder Mitschülerinnnen lustig, die sich am Frauenstreik engagierten. Laut meinen "Snapchat"-Nachrichten werden die beiden keine Stimmen aus meinem Feundeskreis bekommen. Von mir auch nicht.
"Strenge Absenzenregeln verunmöglichen
es, an den Klimademos teilzunehmen."
An unserer Schule haben sie trotzdem potentielle Unterstützer. Wenn ich das Verhalten einiger (zum Glück weniger) Männer in den Wirtschaftsklassen sehe, kommt die Junge SVP bei denen wahscheinlich gut an.
Einer dieser Wirtschaftsschüler rief mir beispielsweise, als meine Freundin und ich uns beim Tschüss-Sagen kurz küssten, zu: "Wäh Alte, no nie so öbbis schwuls gseh." Ernsthaft jetzt.
Immerhin löst die Kandidatur dieser Beiden Diskussionen aus. Unsere Schule will das ja auch. Das Gymnasium möchte mit Unterricht in politischer Bildung und mit Mittagsforen unser Interesse an Politik fördern. Das ist sicher wichtig.
Trotzdem denke ich, dass Grossteil dieses Interesses durch die Klimastreiks ausgelöst werden. Verhandlungen über einen Flugverzicht bei Schulreisen sind das Politischste, das ich an meiner Schule bisher erlebt habe. Mit den Klimastreiks kommen auch Kolleginnen und Kollegen, die man sonst schnell in die Ecke "Mathe-Nerd und politisch uninteressiert" stellen würde, auf die Idee, zum ersten Mal im Leben an eine Demo zu gehen. Ich finde das stark.
Nur ist es so, dass es unser Gymnasium mit extrem strengen Absenzenregeln verunmöglicht, an den Klimademos teilzunehmen, ohne dass unentschuldigte Absenzen im Maturzeugnis stehen. Wer unbedingt an die Demos gehen möchte, geht trotzdem – klar.
Doch mit diesem Druckmittel werden genau diejenigen abgeschreckt, die sich gerade, so wie es unsere Schule ja will, für Politik zu interessieren beginnen. Ist doch schade, oder?
7. Oktober 2019
"Ein kleines Demokratie-Erlebnis"
Es ist eben so, dass unsere so genannten "demokratischen Regeln", auch jene von Schulabsenzen, eben auch von den "Oberen" gemacht werden, die wir ja früher mal gewählt haben. Ein kleines Beispiel, wie wir Bürger diese Demokratie erleben dürfen. Es ist und war schon immer so, jedes Land hat die Regierung, die es ja selbst gewählt hat. In Deinem Fall ein kleines Beispiel, wie solche Dinge zusammen hängen.
Bruno Heuberger, Oberwil