Die "Motz-Kultur" ist ein Luxusproblem
In jeder Mittagspause kostet der Run auf die spärlich vorhandenen Mikrowellen dem Gymnasium Oberwil den letzten Nerv.
Die Hälfte der Schülerinnen und Schüler stürmt direkt nach dem Gongschlag aus dem Zimmer, nur um sich dann mit allen anderen, die dieselbe Idee hatten, in die Schlange zu quetschen.
In der Schlange gilt: "De Fieser isch de Gschwinder" – es gibt unzählige Tricks, sein "Tupperware" über Freunde, die bereits weiter vorne stehen, schneller ins Warme zu schmuggeln. Oft bleibt aber auch nichts anderes übrig, als nach der halben Mittagspause aufzugeben. Dann esse ich meine Penne mit Pesto halt kalt. Wie frustrierend ist das denn? Ärgerlich genug jedenfalls, dass schliesslich alle genervt sind und Sätze rauslassen wie: "Immer die Scheiss-Erstklässler" oder "Mir sind eifach z'viel Lüt an dere Schuel".
Die kalten Penne schlagen auf den Magen. Das vergebliche Anstehen schlägt auf die Stimmung. In der nächsten Doppelstunde sind alle hässig und lassen das die Lehrpersonen spüren. Wenn diese genervt sind, lassen sie es ja auch immer wieder gerne an uns ab.
"Manchmal gehört das Motzen
und Nerven auch einfach dazu."
Ständig genervt durch den Alltag zu gehen, sofort ready, auf Kleinigkeiten verärgert zu reagieren, ist aber keine Exklusivität meiner Schule. Gehen Sie doch frühmorgens in die "Migros" am Bahnhof SBB. Da wurde ich letztens regelrecht ins Kühlregal gecheckt, weil ich zwischen einem Pendler und seiner "Cola Zero" stand.
Kleinste Ärgerlichkeiten werden persönlich genommen. Wir scheinen nichts lieber zu tun, als uns über alles zu nerven. Ob das ein Problem unserer Zeit ist? Ein Generationenproblem, sprich die Schuld meiner Generation, ist es sicherlich nicht. Sogar meine Grossmutter stellt fest, dass vor allem viele "Alte" sich nur beklagen: Das Wetter, die Baustellen, die ÖV, das neue, viel zu komplizierte Betriebssystem ihres Smartphones – alles eine Zumutung. Wir Jugendlichen sowieso.
Manchmal gehört das Motzen und Nerven auch einfach dazu. Die Sticheleien, wenn sich Autofahrende über Velos und sich beide zusammen über E-Bikes nerven, finde ich beispielsweise erträglich. Überwiegend nerve ich mich aber über E-Bikes.
Bedauerlich ist diese "Motz-Kultur" aber, wenn sie sich gegen "Ärgernisse" richtet, hinter denen eigentlich gute Absichten stecken. Nur: Wenn dir zum tausendsten Mal dieselben Petitionen und Demo-Aufrufe geschickt werden, von denen du schon lange weisst, dann nervt leider auch das.
Klar ist: Der Einfluss scheinbar belangloser Kleinigkeiten auf die Stimmung ist riesig. Als letzthin in einer stylishen Basler Pizzeria die gross beworbene vegane Variante auch nach einer Stunde noch nicht fertig gebacken war, nervte uns das so sehr, dass es uns fast das Date versaute.
Luxusproblem? Definitiv.
2. Dezember 2019
"Petition statt Faust im Sack"
Wie wär's mit einer Petition der Schüler an die Schulleitung, mehr Mikrowellen zur Verfügung zu stellen und nicht nur die Faust im Sack zu machen? Meine beide Enkel die dort ins Gymi gingen, hatten das Problem auch schon. Nur haben sie sich bald einmal eingerichtet und meistens kalt gegessen. Der eine hat ab und zu ein kleines Gasköcherchen mitgenommen, wenn s Mami am Vortag was Leckeres gekocht hat.
Bruno Heuberger, Oberwil