Ab in die Bünzli-Ferien für alle
Und plötzlich stürzen wir uns auf die Ferienhäuschen. Ob wir diesen Sommer nicht mit paar Freunden hochfahren können, wird bei den Eltern vorsichtig gefragt. Genau, ohne euch am liebsten. Denn sturmfrei ist momentan selten. Das gibt’s gar nicht mehr, habe ich das Gefühl.
Wenn die Eltern mal ausser Haus sind, dann nur für ein kurzes Tüürli mit dem E-Bike, wo sie am späten Nachmittag wieder vor der Türe stehen. Das reicht halt nicht für eine Party. Und schon gar nicht, um Haschkekse zu backen und danach das ganze Haus auszulüften. Die grosse Freiheit nach dem Schulabschluss haben wir uns anders vorgestellt.
So werden Eltern und Grosseltern mit gezückter Agenda belagert, bis sie nach unserem letzten "mir hebe scho Sorg" einwilligen und ihre Zweitwohnung für eine Woche hergeben. Wir putzen vor der Abreise auch. Versprochen.
"Als hätten wir damals
für den jetzigen Lockdown geübt."
Dass diese Masche funktioniert, sieht man schon, bevor der Sommer richtig angefangen hat: Auf "Instagram" häufen sich die Stories von Jugendlichen auf Kuhwiesen und vor Bergpanoramen. Die Outfits, die in einem normalen Sommer in Amsterdam, Berlin oder auf einem Festival hätten getragen werden sollen, dürfen natürlich nicht fehlen. Sie werden bei Spaziergängen durchs Tal ausgeführt und wirken ein wenig deplatziert. Aber Wanderhosen wären halt nicht so sexy.
Aber woher dieser Run auf die Ferienhäuschen? Klar, uns bleibt diesen Sommer nichts anderes übrig, als Bünzli-Ferien zu verbringen.
Als junger Teenie war das ja der Horror, mit den Eltern für eine Woche in einer Hütte mehr oder weniger eingesperrt zu bleiben, während in Basel die Hölle los war. Wer Empfang hatte, bekam von den Abenteuern der anderen Gleichaltrigen nur per Social Media etwas mit – bis das Datenvolumen aufgebraucht war. Schlimmstenfalls hockte man dann noch die ganze Zeit im Nebel und vertrieb sich die Zeit widerwillig mit Gesellschaftsspielen. Als hätten wir damals für den jetzigen Lockdown geübt.
Bünzli-Ferien mit Menschen aus dem eigenen Freundeskreis aber, so scheint es mir, werden zur willkommenen Übung. So ein bisschen erwachsen spielen. Wir kriegen das auch ziemlich gut hin. Abgesehen davon, dass plötzlich jemand zu Hause anrufen muss, um nachzufragen, wie das mit dem Risotto-Kochen schon wieder funktioniert. Und wenn wir im Nebel feststecken, dann muss der Grossvater halt per Telefon das Jassen erklären. Wobei, dazu gibt es ja "YouTube"-Tutorials.
Auch die Einkaufsliste ist vielleicht ein wenig unausgewogen: vor allem Pasta und Bier. Zum Ärger der Nachbarn, wenn wir am Abreisetag die Recycling-Station für eine halbe Stunde besetzen, um säckeweise Aluminiumdosen zusammenzudrücken, die unseren Versuch bezeugen, den Festivalsommer auf den Balkon zu holen.
Eins ist klar: Ein Sommer im Ferienhaus macht uns noch lange nicht zu Bünzlis. Das überlassen wir gerne der älteren Generation. Und solange wir keine E-Bike-Tüürli machen, ist ein bisschen Bünzli auch okay.
18. Mai 2020
"Am falschen Ort"
Warum kann man sich beim Lesen des Textes von Max Kaufmann nicht des Eindrucks erwehren, dass er die Bünzlis am falschen Ort vermutet?
Beat Münch, Basel
"Etwas verpasst"
Da hat Max Kaufmann aber etwas verpasst! Der Trend bei den "begüterten Nicht-Bünzli's" geht weg von Hotel-Ferien zu Ferien in Appartements / Wohnungen und komfortablen Ferienhäuschen; man "flieht" offenbar von der immer extremer werden "Ballerman-Atmosphäre", die auch an renommierten Destinationen Einzug hält.
Dieter Troxler, Rünenberg
"Im Party-Outfit auf die Alp"
Wer ist wohl der grösste Bünzli? Wohl derjenige, der Ferien in der Schweiz von einer gewissen Altersgruppe an als bünzlig bezeichnet und Biertrinken und mit Party-Outfit auf die Alp gehen cool findet.
Charlotte Strub, Basel