© Foto by OnlineReports.ch
"Nur keine Panik!": BZ-Verleger Peter Wanner
"Spritzigere Zeitung, mehr Primeurs, verstärkte Themenführerschaft"
Das erste Exklusiv-Interview mit BZ-Verleger Peter Wanner nach der Absetzung von Chefredaktor Matthias Zehnder
Von Peter Knechtli
Drei Jahre nach seiner Ernennung wird BZ-Chefredaktor Matthias Zehnder ausgewechselt. Im Interview mit OnlineReports äussert sich Verleger Peter Wanner (71), Präsident der "AZ Medien"-Gruppe (270 Millionen Franken Umsatz), zu seinen Erwartungen an den neuen BZ-Chef David Sieber, zu seiner Basler Strategie und zur grossen Konkurrenz "Basler Zeitung".
OnlineReports: Die gedruckte Presse gerät immer stärker unter Druck. Die Jugend liest keine abonnierten Zeitungen mehr, die treuen Abonnenten sterben allmählich aus. Wie geht die "AZ Medien"-Gruppe mit diesem Phänomen um?
Peter Wanner: Wir glauben immer noch an die gedruckte Presse, aber auch an Online. Wir verfolgen eine duale Strategie. Die Print-Produkte wollen wir herausgeben, solange sie nachgefragt werden. Zwar ist das Geschäftsmodell der Tageszeitung langfristig in Frage gestellt, aber Printprodukte werden nicht einfach verschwinden. Vielleicht hat Umberto Eco recht, der kürzlich sagte, die Zukunft der Tageszeitung sei die Wochenzeitung.
OnlineReports: Heisst dies, dass die AZ und die BZ aus Ihrem Verlag AZ Medien langfristig nicht mehr als Tageszeitungen erscheinen?
Wanner: Nur keine Panik! Heute wünschen immer noch sehr viele Leute täglich eine Zeitung. Und das wird noch lange dauern. Trotzdem muss man über neue Formen der Erscheinungsweise nachdenken. Vielleicht erscheinen unsere Tageszeitungen in zehn bis zwanzig Jahren nur noch vier oder fünf mal pro Woche. Regionalzeitungen, die zum Beispiel zwei bis drei mal wöchentlich erscheinen, scheinen im Internet-Zeitalter weniger Probleme zu haben.
OnlineReports: Die "BaZkompakt", die die Frequenz reduziert hat, ist aber bisher kein Erfolgsmodell.
Wanner: Stimmt, aber dieses Produkt entstand vermutlich nur, um Prospekte zu transportieren.
OnlineReports: Sie haben 20 Millionen Franken in das Online-Portal "Watson" investiert und müssen nun Leute entlassen. Glauben Sie, dass Online-Portale dieser Art gewinnbringend finanziert werden können?
Wanner: Ja, das glauben wir. Wir reduzieren zwar dort gerade fünf Stellen, weil wir die Eckwerte des Businessplans nicht ganz erreicht haben. Es geht darum, die Zukunft von "Watson" langfristig zu sichern. Mit 1,3 Millionen Unique Clients sind wir nach anderthalb Jahren gut unterwegs, nur ist die Monetarisierung durch Werbung noch nicht ganz dort, wo wir sie gern hätten.
OnlineReports: Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung der "BZ Basel"?
Wanner: Wir sind recht zufrieden. Wir haben die abonnierte Auflage der BZ in Stadt und Landschaft um 5'000 Exemplare gesteigert. Wir sind heute bei 25'000 Exemplaren. Wir sind damit die einzige Zeitung in der Schweiz, die zulegt. Natürlich profitieren wir vom massiven Auflage-Rückgang bei der BaZ. Aber wir wollen unsere Auflage weiter steigern und auch den Online-Bereich ausbauen.
OnlineReports: Wie hat sich die Verbreitung der Ausgabe Basel der "Schweiz am Sonntag" in den letzten zwei Jahren entwickelt?
Wanner: Wir sind zufrieden. Das Basler Lokalteam macht einen guten Job.
OnlineReports: Wir hören aber, die Basler Ausgabe der "Schweiz am Sonntag" schreibe keine schwarzen Zahlen.
Wanner: Wir machen hier eine Gesamtbetrachtung. Die gesamte Zeitung ist break-even. Ohne Lokalausgaben wäre die Auflage kleiner und der Inserate-Umfang im Mantelteil geringer. Die Lokalausgaben helfen mit, die Leserzahlen zu stabilisieren. Wir planen auch weitere Marketing-Anstrengungen, um die Leserschaft steigern zu können. Ziel muss es sein, dass wir eines Tages 500'000 Leser erreichen.
"Wir wollen uns noch stärker als
echte Alternative zur BaZ profilieren."
OnlineReports: Welches strategische Ziel verfolgen Sie auf dem Medienplatz Basel?
Wanner: Wir wollen mit der BZ in beiden Basel stärker Fuss fassen. Bis in fünf Jahren möchten wir eine Auflage von 30'000 Exemplaren erreichen. Wenn die Auflage der BaZ im selben Mass wie bisher sinken würde, ist es denkbar, dass wir in einigen Jahren Parität erreichen. Das würde aber von unserer Seite grosse Anstrengungen erfordern.
OnlineReports: Sehen Sie die BZ als Konkurrenz oder als Ergänzung der "Basler Zeitung"?
Wanner: Wir sind Wettbewerber und wir wollen im Raum Basel weiter investieren – wo und wie, kann ich Ihnen jetzt nicht verraten ...
OnlineReports: ... zum Beispiel?
Wanner: Wir wollen uns noch stärker als echte Alternative zur BaZ profilieren.
OnlineReports: Nach nur gerade drei Jahren trennen Sie sich von BZ-Chefredaktor Matthias Zehnder, den Sie für Ihre Basler Offensive geholt haben. Welches sind die Gründe?
Wanner: Zehnder hat einen guten Job gemacht und die Auflage erhöht. Die Gründe? Das ist wie bei einem Trainerwechsel beim FCB. Da macht Herr Heusler die Gründe auch nicht öffentlich. Natürlich gab es gewisse Differenzen. Unsere Idee ist, dass wir mit einem neuen, erfahrenen Chefredaktor noch schneller zum Ziel kommen.
OnlineReports: Das heisst ausgedeutscht, dass Sie mit dem Tempo der Auflage-Erhöhung nicht zufrieden sind?
Wanner: Doch, aber um im Fussball-Jargon zu bleiben, wir wünschen uns etwas mehr Angriffs-Fussball. Wir waren manchmal zu reaktiv. Ich stelle mir eine etwas spritzigere Zeitung mit mehr Primeurs und verstärkter Themenführerschaft vor. Und da braucht es natürlich mehr Ressourcen. Die hat Zehnder zugegebenermassen immer gefordert, aber nicht bekommen.
OnlineReports: Hätte er in seinen Kommentaren dicker auftragen müssen?
Wanner: Nein, seine Kommentare waren okay. Er hat polarisiert und das finde ich wichtig bei Kommentaren.
OnlineReports: Hatte er Auseinandersetzungen mit AZ-Chefredaktor Christian Dorer?
Wanner: Das sind Interna.
OnlineReports: Gibt es Abstimmungs-Friktionen zwischen Basler Lokalredaktion und der Zentralredaktion?
Wanner: Ja, das gab es auch. Daran wollen wir auch arbeiten. Der Mantelteil muss baslerischer werden.
OnlineReports: Herr Wanner, woher nehmen Sie immer das viele Geld?
Wanner: (lacht) Wir gehen erstens haushälterisch mit dem Geld um. Zweitens haben wir die nötige Grösse, um Skaleneffekte zu erzielen und drittens wird unser Gewinn reinvestiert. Wir nehmen nichts aus der Firma heraus. In Basel sehen wir Wachstumschancen, das ist ein interessanter Markt mit hoher Kaufkraft.
OnlineReports: Hat Zehnder im Gegensatz zu Markus Somm zu wenig Ego-Performance betrieben – oder anders gesagt: sich selbst zu wenig zur Marke gemacht?
Wanner: Nein, er hat eine gute Reputation, zeigt viel Engagement und ist ein Chrampfer. Ich kann mir auch vorstellen, dass er in der einen oder andern Form weiter für die BZ schreibt. Die Türen sind offen.
OnlineReports: Beispielsweise als Kolumnist?
Wanner: Warum nicht?
OnlineReports: Die Trennung kam für Zehnder aber etwas gar schnell und überraschend.
Wanner: Das bestreite ich nicht.
"Der neue Chefredaktor
soll die Szene etwas aufmischen."
OnlineReports: Weshalb fiel Ihre Wahl auf David Sieber?
Wanner: Wir kennen ihn aus der Zeit, als er kurz bei uns arbeitete, und später über seine Funktion bei der "Südostschweiz". Nun war er auf dem Markt und so kamen wir ins Gespräch. Sehr wichtig ist mir, dass David Sieber bereit ist, von Anfang an in der Region Basel Wohnsitz zu nehmen. Dass er zudem im Baselbiet aufgewachsen ist, machte ihn zu einem ernsthaften Anwärter.
OnlineReports: Was erwarten Sie von ihm als neuem BZ-Chefredaktor? Soll er einen aggressiveren Stil pflegen als sein Vorgänger Zehnder?
Wanner: Wir erwarten spannende Geschichten und Primeurs. Er soll die Szene etwas aufmischen, ohne den Pfad der Seriosität zu verlassen.
OnlineReports: Also nach BaZ-Chef Markus Somms Vorstellung, die Politik aus den Angeln heben?
Wanner: Nein, das wäre anmassend. Aber wir wollen die Politik durchleuchten und Aufklärungsarbeit leisten. Entscheidend ist, dass unsere Geschichten inhaltlich wasserdicht sind.
OnlineReports: Ist Sieber – zwar Baselbieter, aber aus der Ostschweiz kommend – mit den aktuellen Verhältnissen in der Region Basel genügend vertraut?
Wanner: Da wird er sich rasch einleben. Wer zum Ort seiner Jugend zurückkehrt, erlebt ein Wiedersehen, ist sofort mit den Verhältnissen vertraut. Man muss Sieber beispielsweise nicht erklären, was die Basler Fasnacht ist.
"Die BaZ will primär
SVP-nahes Gedankengut verbreiten."
OnlineReports: Mit welchem Plan soll Sieber die "Basler Zeitung" angreifen?
Wanner: Wir fahren eine Wachstums-Strategie. Wir haben ein paar Ideen, er hat ein paar Ideen. Wir erwarten von ihm jetzt auch Vorschläge. Ebenso wird er sich mit Chefredaktor Christian Dorer koordinieren müssen.
OnlineReports: Stimmt die Chemie zwischen den beiden?
Wanner: Ja.
OnlineReports: Wird es zu weiteren Mutationen innerhalb der BZ-Redaktion kommen?
Wanner: Das muss der neue Chefredaktor entscheiden. Er wird sicher mit dem bestehenden Team beginnen.
OnlineReports: Wer muss vor wem mehr Angst haben: Die BZ vor der BaZ oder die BaZ vor der BZ?
Wanner: Angst wäre der falsche Ratgeber. Wir sind Wettbewerber. Ich bin mir nicht einmal so sicher, ob bei der BaZ die Auflage die entscheidende Rolle spielt. Sie verfolgt primär eine ideologische Mission und will SVP-nahes Gedankengut verbreiten. Gemessen an den Wahlresultaten in beiden Basel ist diese Mission allerdings gründlich misslungen.
OnlineReports: Ist es Ihr Ziel, die BaZ-Auflage eines Tages zu übertrumpfen?
Wanner: Wir haben den Ehrgeiz, unsere Auflage eines Tages mit jener der BaZ zu egalisieren. Deshalb wollen wir in Basel jetzt die nächste Stufe zünden und verstärkt auch als baselstädtische Zeitung wahrgenommen werden.
OnlineReports: Kommt für Sie der Punkt, an dem Sie die BaZ übernehmen könnten?
Wanner: Ein Verkauf der BaZ wird nicht Christoph Blochers Ziel sein. Er betreibt mit BaZ und "Weltwoche" ein publizistisches Agenda-Setting und setzt dabei die Themen für die nationale Politik. Und wenn, dann hätten die Zürcher Grossverlage wahrscheinlich die grössere Kriegskasse.
OnlineReports: Würde sich Ihre AZ Medien-Gruppe, die Sie zu 85 Prozent kontrollieren, ihrerseits schlucken lassen?
Wanner: Nein, wir wollen das Heft als Familienunternehmen nicht aus der Hand geben. Drei meiner vier Kinder sind im Unternehmen tätig. Mein ältester Sohn Michael ist dafür ausgebildet und in der Lage, dereinst die Führung zu übernehmen. Für Führungsaufgaben kommen allerdings auch der jüngere Sohn und eine Tochter in Frage.
"Die 'TagesWoche' und wir mit der BZ
wollen im Grunde das Gleiche."
OnlineReports: Die Rede ist von Kooperationsgesprächen mit der "TagesWoche", die sich ebenfalls nicht als Erfolgsmodell erwiesen hat.
Wanner: Die "TagesWoche" und wir mit der BZ wollen im Grunde das Gleiche sein, nämlich eine publizistische Alternative zur BaZ. Schade eigentlich, dass wir je einen eigenen Weg gegangen sind.
OnlineReports: Sind Sie mit Beatrice Oeri in Kontakt?
Wanner: Nein, bin ich nicht ...
OnlineReports: ... oder mit einem Repräsentanten der "TagesWoche"?
Wanner: Ich führe keine Verhandlungen, aber einen ersten Kontakt mit Herrn Oscar Olano, dem Verwaltungsrats-Präsidenten der "Neue Medien Basel AG"*, hat es gegeben.
OnlineReports: Weshalb werden diese Gespräche erst jetzt geführt?
Wanner: Gute Frage. Aber man muss schon sehen: Die "TagesWoche" ist mit ihrer Printausgabe eine Wochenzeitung und wir sind eine Tageszeitung. Da gibt's halt nicht so viele Berührungspunkte. Eine engere Zusammenarbeit mit der "TagesWoche" kann ich mir aber schon vorstellen.
OnlineReports: Und wie sähe diese Zusammenarbeit aus?
Wanner: Sie werden wohl verstehen, dass ich Ihnen meine Ideen nicht öffentlich ausbreiten werde.
OnlineReports: Können Sie sich vorstellen, Basler Kreise an der BZ zu beteiligen?
Wanner: Diese Idee wird immer wieder an uns herangetragen. Wir sind hier offen. Wir müssten dann die Verlagsrechte der BZ in eine neue Basler Gesellschaft transferieren und Basler Kreise an dieser Gesellschaft beteiligen. Das gäbe dann eine stärkere Verankerung der Zeitung in der Region und eine stärkere Identifikation der Bevölkerung mit der Zeitung.
* Die "Neue Medien Basel AG" ist die Herausgeberin der "TagesWoche"
5. November 2015
Weiterführende Links:
Wanners Kalkül
OnlineReports: Wie schätzen Sie die BaZ-Entwicklung der letzten Jahre ein?
Peter Wanner: Ich kann mir kaum vorstellen, dass die BaZ-Verantwortlichen damit zufrieden sind. Es wird manchmal herumgeboten, die BaZ sei besser geworden. Das kommt aber meistens aus der rechtsbürgerlichen Ecke. Aus der politischen Mitte oder von links höre ich das nicht.
Wenn wir einen Auflagenvergleich der beiden Blätter wagen, dann sieht das Bild derzeit so aus: Die BaZ weist eine total verbreitete Auflage von 50'237 Exmplaren aus, die BZ eine Auflage von 25'821 Exmplaren, die Grossauflagen nicht berücksichtigt. Bei der verbreiteten Auflage ist alles drin: Abonnierte Auflage, verkaufte Auflage, Gratis-Auflage.
Wenn ich nun bei der BaZ die überregional (in der übrigen Schweiz) verbreitete Auflage von der Gesamtauflage abziehe, schätzungsweise sind das rund 5'000 Exmplare, und bei der BZ die 5'385 Exmplare, welche die AZ im Fricktal hat, hinzuzähle, denn diese sind für den Werbemarkt im Wirtschaftsgebiet Basel relevant, dann komme ich in diesem sogenannten "WG 31" auf ein Verhältnis von 3:2 (45'000:31'000 Exemplare).
Man könnte nun mathematisch ausrechnen, wann wir uns bei gleichbleibendem Rückgang und Anstieg der jeweiligen Auflage treffen. Beim Fussball würde es schneller gehen, das 3:3 zu schiessen.