© Foto by Museumsdienste Basel-Stadt
"Acht Stunden sind schnell vorbei": Museumsnacht 2007
Zwei Fahrpläne für eine Nacht
Ein Stadtfest für die Kultur: Am 18. Januar ist in Basel Museumsnacht
Von Aurel Schmidt
Wieder ist in Basel Museumsnacht: Für den Besuch der 32 teilnehmenden Museen und acht Gastinstitutionen werden 21'000 Besucher erwartet. Ein vielfältiges kulturelles Programm mit Workshops, Theater- und Cabaretaufführungen, musikalischen Darbietungen und gastronomischen Angeboten ist für sie vorbereitet.
Museumsnacht! Museumsnacht! Und ganz Basel ist auf den Beinen. Warum nicht? Die Museumsnacht ist fast so etwas wie ein Stadtfest. Der kulturelle Hintergrund vermischt sich mit einer gesellschaftlichen Erwartung. Und damit, sagen wir es offen heraus, beginnen auch schon die Probleme.
Alle die Menschen, die von 18 bis zwei Uhr morgens unterwegs sind, was treibt sie an? Was führen sie im Schild? Eigentlich müsste man bei einem Anlass wie der Museumsnacht in der unnachahmlichen Art von Kurt Tucholsky gleich zwei Artikel schreiben: einen ersten für die Kritiker und Verächter und einen zweiten für die Anhänger und Verteidiger des Anlasses.
Was der Skeptiker denkt
Der Skeptiker wird sagen: Geht alle einfach hin, das ist die beste Art, dem Spuk ein Ende zu bereiten. Die Nacht- und Museumswandler könnten doch auch bei Tag die Museen besuchen, warum unterlassen sie es? Jetzt drängen sie durch die Museen und sehen, weil so viele das gleiche tun, eigentlich nichts. Oder nicht viel. Oder nichts anderes als die anderen Museumsbesucher, die auch gekommen sind. Am Preis allein kann es nicht liegen. Der Besuch der Museumsnacht ist ja nicht gratis, und für den Preis von 20 Franken für einen Abend kann man tagsüber auch ein oder zwei Museen aufsuchen, da würde man auch auf die Rechnung kommen.
Das allein kann also kaum den Ausschlag geben. Es muss daher noch andere Gründe geben, und unser Skeptiker zerbricht sich die den Kopf, welche es sein könnten. Hingehen, weil alle anderen auch hingehen? Reicht das? Mit einem Glas im Gedränge zu stehen? Das ist immer verlockend, aber kein Mensch weiss warum. Da bleibt der Skeptiker lieber gleich zu Hause.
Eymann: "Phantastische Entwicklung"
Aber es ist möglich, dass es, bescheiden ausgedrückt, noch andere Beweggründe gibt, um sich am 18. November um 18 Uhr auf die Piste zu begeben und bis um zwei Uhr nachts von Museum zu Museum durch die Stadt zu streichen. 32 teilnehmende Museen und acht angeschlossene Gastinstitutionen beteiligen sich an der Nacht.
Die Basler Museen strahlen weit über die Stadtgrenzen hinaus, und die Museumsnächte haben seit 2001 eine "phantastische Entwicklung" genommen (Christoph Eymann, Basels Kulturvorsteher). Der Museumsnacht kommt auf diese Weise eine publikumsorientierte Wirkung zu, die sie ruhig haben darf. Haben soll. Aufmerksamkeit ist nützlich. Das Stadtmarketing wird das mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen. Und das Pharmazie-Historische Museum, um ein Beispiel herauszugreifen (siehe Kasten), wird sich ebenfalls freuen, wenn vielleicht auch aus einem anderen Grund. 2006 verzeichnete es 3'000 Besucher. Das ist ungefähr ein Drittel des Jahresbesuchs. Anderen kleineren Museen ergeht es ähnlich. Die Museumsnacht ist für sie alle unverzichtbar, fast existenziell geworden.
Kultur soll "erlebbar" sein
Bei den grossen Museen dürften die Dinge etwas anders liegen. Anna Schmid, Direktorin des Museums der Kulturen und Vorsitzende der Museumsdirektorenkonferenz, meint dazu allerdings, dass der gewohnte Museumsbesucher die Museumsnacht wahrscheinlich eher meiden wird. Umso mehr kommt es daher darauf an, Kultur für die Mehrheit der Besucher und Besucherinnen "erlebbar" zu machen, eine persönliche Beziehung dazu herzustellen. Die Stimmung soll gut sein, die Umgebung stimmen, es gibt zu essen und zu trinken. Offenbar kommt es nicht selten vor, dass kleine Gruppen von Freunden und Bekannten gemeinsam die Museumsnacht besuchen. Man macht sich einen stimmungsvollen Abend.
Kultur sei Vermittlung und habe einen Bildungsauftrag zu erfüllen, meint Christoph Eymann. Die Museumsnacht dürfe daher "nicht zu elitär" sein. Hier zuckt der Skeptiker kurz zusammen. Das ist die Philosophie von '68, die heute durchrealisiert, aber zugleich auch anfechtbar geworden ist. In den letzten Jahren hat die Kultur eine problematische Popularisierung erfahren, die natürlich auch damit zusammenhängt, dass der Wind heute rauher bläst und die Museen sich vermehrt selber tragen müssen. Sie können aus diesem Grund weniger vom gestellten Anspruch an die Sache aus- und müssen dafür mehr auf die Erwartungen des Publikums eingehen. Da dürfen sie nicht allzu viel verlangen. Die Museumsnacht als Event ist das Ergebnis dieser Entwicklung.
Rapper bei Beyeler
Die Museen haben sich unter den gegebenen Umständen damit arrangiert. Hauptsache, das Publikum kommt in grosser Zahl. Letztes Jahr waren es 21'000 Besucher. Dass sie dieses Jahr wieder kommen, dafür ist alles getan worden. Die Museen und Gastinstitutionen haben sich auf das Kulturfest der Stadt vorbereitet: vom Transportproblem (zum Beispiel bekommt das Museum Tinguely eine eigene Schiffanlegestelle) bis zur Party, die nach der Museumsnacht natürlich nicht fehlen darf.
In den meisten der 32 Museen wird ein Programm für Kinder und Familien geboten mit Workshops, Theater- und Tanzaufführungen, Quiz-Veranstaltungen. Im Karikatur & Cartoon Museum wird ein gemeinsames Wandbild "über alltägliche Katastrophen und andere erfreuliche Dinge" gezeichnet, im Museum Tinguely wird gezeigt, wie Frottagen hergestellt werden, in der Skulpturhalle wird eine Führung durchgeführt, die auf die Frage "Ist Nacktheit erotisch?" eine Antwort sucht, in der vornehmen Fondation Beyeler tritt der Rapper Black Tiger auf.
Viel zu sehen, zu hören und zu erfahren
Bis zum 18. Januar verbleiben noch ein paar Tage. Es wird sich empfehlen, nicht allzu sehr auf den Skeptiker zu hören, sondern die Zeit zu verwenden, um ein genaues Programm für den Abend und die Nacht zu erstellen. Denn acht Stunden sind schnell vorbei, und es gibt viel zu sehen, zu hören, zu erfahren und zu tun.
10. Januar 2008
Basler Museumsvielfalt: Zwei Beispiele
• Das Pharmazie-Historische Museum im "Haus zum Vorderen Sessel" am Totengässlein 3 ist aus der 1924 gegründeten privaten Sammlung von Josef Anton Häfliger, Apotheker und Professor an der Uni, hervorgegangen. Ein Glücksfall: Der private Charme ist erhalten geblieben: Das Pharmazie-Museum ist auch ein Museums über das Museum. Unter anderem vermitteln die szenografische Nachbildung einer Alchemistenküche und eines Labors sowie die Übernahme der historischen Hofapotheke Innsbruck einen verräumlichten Eindruck des Arzneiwesens, das sich von alten, magischen Vorstellungen und alchemistischen Praktiken über die Herstellung von Medikamenten aus Pflanzen und Mineralien in Destilliergeräten, Mörsern und Standgefässen bis zum Beginn der pharmazeutischen Industrie entwickelt.
Das Museum ist der Uni angeschlossen und muss sich selber tragen, zum Teil durch den Verkauf im historischen Mobiliar der Barfüsser-Apotheke von Kräutern und selbst hergestellten Seifen.
• Ein Museum persönlicher Art ist das "Rappaz-Haus". Das zweigeschossige Gebäude im Klingental 11 diente Rolf Rappaz (1914-1996) als Atelier. Nach tiefgreifender Renovation hat Gisèle Rappaz darin einen Ausstellungsort eingerichtet, der die vielfältige Arbeit des Grafikers und Malers dokumentiert und würdigt. Rappaz war der konkreten Kunst verpflichtet. Das Haus ist nur mittwochs von 10 bis 22 Uhr geöffnet, aber in der Museumsnacht wie alle anderen Museen in Basel zugänglich.