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© Foto by Marc Wetli
"Höllisch gut erzählt": Allschwiler Autorin Sandra Hughes

Eine Amour fou zwischen Himmel und Hölle

In ihrem neuen Buch "Zimmer 307" schickt die Autorin Sandra Hughes eine entwurzelte Kindfrau auf eine Achterbahn der Gefühle


Von Anna Wegelin


Aus der Welt in Sandra Hughes' Büchern gibt es kein Entrinnen. Ein teuflisch gut erzähltes, über weite Strecken kurzweiliges Melodrama auf Leben und Tod: Das ist auch der dritte Roman "Zimmer 307" der in Allschwil lebenden Schriftstellerin über eine einsame junge Frau, die ihr Liebesglück bei einem Gigolo sucht.


"Zimmer 307" beginnt gleich mit einem Selbstmord: Felicitas, die Protagonistin im neuen Roman von Sandra Hughes, schneidet sich die Pulsadern auf – ihr Angebeteter hat eine Andere. Sie erhofft sich ein besseres Leben nach dem Tod. Doch es kommt ganz anders.

Die Schweizer Schriftstellerin, die mit ihrer Familie in Allschwil lebt und in Basel arbeitet, rückt uns "Feli" gnadenlos auf den Leib. Wir leiden, lecken und lechzen mit ihr nach IHM. Feli, eine kindliche Frau, ist eine Zumutung. Sie will alles vom Mann und hält nichts von sich selbst. Gleichzeitig haben wir das Nachsehen mit ihr: Denn zuerst fehlte der Vater und dann kam der abscheuliche Partner ihrer Mutter. Dabei hatte alles so gut begonnen.

Heisse Schokolade und frische Krabben

Feli erlebt eine ganz normale Kindheit in Norddeutschland. Augenfällig ist einzig, dass ihre Grossmutter Aurora (die Morgenröte), eine Art Zweitmutter, sie mit heisser Schokolade und frischen Krabben füttert. Doch dann zieht ihre Mutter Heike in die Schweiz zu Ron, einem miesen gewalttätigen Typen. Und nimmt Feli mit. Später flüchtet sich Feli, der eigentlich eine Karriere als Springreiterin oder Designerin von Teetassen gewinkt hätte, in die Hotellerie von Klosters bis Sharm El Sheikh. Sie gibt die tadellose Empfangsdame und schafft es sogar zum Sales Manager: "Lächeln wurde zu meiner Fassade, hinter die niemand sehen durfte." Bis sie in Pontresina einen mysteriösen Gigolo bedient, dem sie augenblicklich verfallen ist.

Der Gast von Zimmer 307 heisst Domenico Salatina und hat eine kunterbunte Vita: Ökonom, Philosoph und "Professor der Globalisierung" an der Uni von Bologna, gelernter Fliesenleger, der als Hilfspfleger jobbt und sich nebenher auch noch als "erfolgloser Schriftsteller" versucht. Die beiden werden ein Liebespaar und Feli erlebt in dieser Amour fou eine Achterbahn der Gefühle zwischen Himmel und vor allem Hölle.

"Männer zur Hölle schicken"

Es gibt noch eine andere Hölle in "Zimmer 307", welche die Autorin von Anfang an ins Spiel bringt: Felis zweites Leben, ihr Leben nach dem Leben also, das auch eine Vorstellungswelt im Kopf sein könnte – ein Motiv, das wir auch in Sandra Hughes' zwei früheren Werken finden, "Lee Gustavo" 2007 und "Maus im Kopf". Feli landet in einer Art Unterwelt-Anstalt, in der die neoliberalen Tugenden bis zur Perversion hochgehalten werden und der "Boss" der grosse Unbekannte ist.

Nachdem sie zuerst in der Abteilung Supervision F für "Selbstmörderinnen, Nutten und Betrügerinnen" Körbe flechtet – "Binsen binden würde mich von Neuem in Kontakt mit mir selbst bringen" –, arbeitet sie sich vom Mädchen-vom-Dienst im Frauentrakt bis zur Geschäftsführerin der Abteilung Ideal Recycling M hoch mit dem Ziel, "Männer zur Hölle zu schicken", "die in ihrem früheren Leben Dokumente und Checks fälschten, hohe Boni einstrichen, Steuern hinterzogen, arme Schlucker um ihre Rente betrogen, ihre Frauen hintergingen". Endlich kann sie mal die Peitsche knallen lassen, freuen wir uns hämisch mit ihr. Doch dann taucht plötzlich dieser verfluchte Domenico auf ...

Mutlos mit Hasenherz geboren

"Felicitas trug ich gerne mit mir herum", sagt Sandra Hughes gegenüber OnlineReports. Es habe ihr grosses Vergnügen bereitet, die Welt zu erschaffen, in der sie nach ihrem Selbstmord landet. Auf die Frage, wieso Feli diesem Mann, in Hughes' eigenen Worten ein "Macker hoch fünf und einfühlsam zugleich", dermassen verfallen ist, antwortet sie: "Vielleicht sucht sie etwas in ihm, etwas, ohne das sie sich unvollständig fühlt."

"Zimmer 307" ist rasant und höllisch gut erzählt. Herkömmliche Rollenbilder – hier die lebensgehemmte Feli, die von sich aus nicht weiss, was ihr Wert ist; dort der selbstverliebte Dandy Domenico, der den Anschein macht, als gäbe es nur ihn auf Welt – karikiert und zerlegt die Autorin gekonnt und mit Genuss.

Doch es gibt auch eine ganz andere Stimmung in diesem modernen Melodrama der Liebe: Unter Felis panischem Deckmantel verbirgt sich ein verletztliches Kind, dem die elterliche Geborgenheit aus einer Laune des Schicksals heraus vergönnt bleibt – genauer gesagt jene Zugehörigkeit, die zwei Elternteile, Mutter und Vater, zusammen hätten aufbringen müssen. "Ich war mutlos geboren worden, zum Verlassenwerden bestimmt. Ich gab meinem Vater die Schuld. Er war gegangen, ohne mich erst anzusehen. Bei so einer bleibt keiner. Er hatte mir ein Hasenherz verpasst, klein und ängstlich."

Die Chancen dieser "Entwurzelten" (wie es einmal heisst) auf Glück stehen also nicht gerade zum Besten. Wäre da nicht ausgerechnet Domenico, der meint: "Was trauerst du einem Vater nach, der sich nie um dich kümmerte? Wieso sollte einer eine Lücke hinterlassen, der nie da war?" Vielleicht lernt sie ihre Lektion ja doch noch – und schickt die Männer endlich zum Teufel.

 

Service:
Sandra Hughes:
"Zimmer 307". Roman. Dörlemann Verlag. Zürich 2012. 184 Seiten, 27.50 Franken
Buchvernissage am Donnerstag, 9. Februar, 19 Uhr im Literaturhaus Basel. Weitere Lesung in der Region:  Freitag, 17. Februar, 19.30 Uhr in der Buchhandlung Wigger in Allschwil.

3. Februar 2012

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