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© Foto by H. Gallimard
"Noch einmal von vorne": Algerischer Schriftsteller Sansal

Auf die arabische Revolution muss noch eine Nach-Revolution folgen

Gäste aus Algerien, Ägypten und Tunesien gaben in Basel Einblicke und Auskunft über die Ereignisse in ihren Ländern


Von Aurel Schmidt


Nach den Ereignissen in einem Teil der arabischen Länder macht sich Freude und Optimismus breit. Es herrscht Aufbruchstimmung, aber niemand geht davon aus, dass das Ziel erreicht ist. Im Gegenteil, die Arbeit an der Zukunft beginnt erst.


Die interessierte Öffentlichkeit hat im Frühjahr 2011 mit grosser Anteilnahme die Ereignisse in Nordafrika verfolgt, die unter der Bezeichnung "Arabischer Frühling" und "Arabellion" in die Erinnerung und in die Geschichte eingegangen sind. Heute stellt sich, angesichts der ersten Wahlergebnisse, die massiv zu Gunsten der Islamisten ausgefallen sind, Ernüchterung ein. Was haben wir erwartet? War alles eine Illusion?

Der algerische Schriftsteller Boualem Sansal, Preisträger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2011, war am Montag in Basel Gast im Literaturhaus und gab über die zurückliegenden Ereignisse Auskunft. Die Bücher von Sansal sind auch auf Deutsch erschienen, in Algerien sind sie nicht erhältlich, eine Folge davon, dass der Autor mit seiner Kritik am Regime nicht zurückgehalten hat.

 

Deutliche Worte gegen "die Bärtigen"

In den sechziger Jahren war Algerien politisch ein sozialistisches, laizistisches und kulturell ein weltoffenes Land. Im Theater wurden Brecht und Ionesco aufgeführt. Der Bürgerkrieg in den neunziger Jahren hat eine unvorstellbare Gewalt ausgelöst und alles verändert. Entschieden kritisiert Boualem den Einfluss der Religionen, deutliche Worte findet er gegen "die Bärtigen" und gegen "die grüne Pest, die die Welt vergiftet".

Sinngemäss richtet sich sein Urteil gegen den religiösen Einfluss überall in der Welt. Wo dieser Einfluss zu gross wird, entsteht eine "institutionalisierte Bigotterie". Das kann auch in seinem kleinen Buch mit dem Titel "Postlagernd Algier", einem "zornigen und hoffnungsvollen Brief" an seine Landsleute, nachgelesen werden. Genau genommen ist es für alle, die verstehen, zwischen den Zeilen zu lesen, ein Brief an die ganze Welt.

Wenn der Islam zur Staatsreligion gemacht wird, dann wird der Staat "zum Garanten eines angekündigten und zum Teil bereits durchgeführten Völkermords" erhoben, heisst es in dem Brief.

 

Kampf für die Rechte der Frauen und die Freiheit

Die Diktatur, die Korruption und der Islamismus sind die drei Schwerpunkte von Sansals Diskurs. Dazu kommt die Kritik am "Kult der Chefs" sowie die Anklage des Westens, der zu lange die Regimes in Nordafrika und jetzt den sogenannten moderaten Islam nach türkischem Modell unterstützt, angeblich, um kein politisches Vakuum entstehen zu lassen. Heute ist es das Militär, das die Islamisten gewähren lässt, um seine eigene Machtstellung behalten zu können.
 
Unmissverständlich drückte Sansal auch aus, dass die arabische Revolution ihr Ziel nicht erreicht habe, solange die Rechte der Frauen nicht berücksichtigt sind: "Der Kampf für die Freiheit ist ein Kampf für die Frauen." Was auch umgekehrt gilt.

 

Angela Merkels "marktkonforme Demokratie"

Im Gespräch macht Sansal den Eindruck eines gebildeten, kosmopolitisch denkenden Menschen, aber unüberhörbar kommt in seinen Überlegungen ein starker pessimistischer Unterton zum Ausdruck. "Alles muss noch einmal von vorne begonnen werden", sagt er. Trotzdem lacht er gern und viel.
 
Sein Widerstand gegen die politische Fehlentwicklung deckt sich, leicht angepasst, mit demjenigen, der auch in Europa geführt werden müsste, wenn man nur etwa an die Aussage von einer "marktkonformen Demokratie" von Angela Merkel denkt oder an die alles dominierende Euro-Politik der EU. Nirgends auf der Welt stimmt heute die politische Ordnung. Ein Wutbürger ist Sansal jedoch nicht, nur ein vehementer Demokrat. Klar wird im Gespräch mit ihm, dass es keinen Kampf der Kulturen gibt, sondern nur einen zwischen fortschrittlich gesinnten auf der einen Seite und rückwärts orientierten Menschen auf der anderen Seite.

Umso mehr ist Sansals eindringliche Mahnung an Europa zu verstehen, die eigenen Werte zu pflegen. "Sonst wird Europa selbst zur Diktatur."

 

Kairo, Tunis: Keine Angst
 
Einen Tag nach dem Besuch Sansals in Basel führte der Schriftsteller Roland Merk, Herausgeber des Buchs "Arabesken der Revolution. Zornige Tage in Tunis, Kairo ..." im Vorstadttheater ein Gespräch mit der ägyptischen Schriftstellerin Salwa Bakr und dem tunesischen Filmautor Lassaad Dkhili. Das Thema war das gleiche, der "arabische Frühling", der Tonfall aber ein ganz anderer. Beide Teilnehmer verbreiteten  Optimimus. Man sieht jetzt wieder glückliche Gesichter in Kairo und Tunis. "In den Strassen breitet sich Freude aus", konnte Lassaad Dkhili beobachten. "Die Angst ist gebrochen, man kann sagen, was man will. Das Land gehört uns." Fast denkt man an den amerikanischen  Folk-Sänger Woody Guthrie: "This is your land, this is my land."

"Die Jugend hat uns überrascht", stellte Salwa Bakr fest. Und man sagt jetzt wieder "Danke", "Bitte", "Entschuldigung". Psychiater wollen sogar festgestellt haben, dass chronische Erkrankungen zurückgegangen sind.

 

Ein langer Konflikt

Lassaad Dkhili sprach von einer unumgänglichen "kulturellen und ökonomischen Nach-Revolution". Zu Recht, wenn man an die hohe Jugendarbeitslosigkeit denkt. Und um die Jugend ging es beiden Referenten zur Hauptsache. Das heisst aber auch: um die Zukunft beider Länder.

Nur am Rand kam das Religionsthema zur Sprache. Immerhin haben in Aegypten 22 Prozent der Bevölkerung Salafisten gewählt. "Es ist eine gefährliche Situation. Alle Parteien müssen jetzt ihr wahres Gesicht zeigen." Mehr war von Lassaad Dkhili nicht zu erfahren. Ausgestanden ist die Sache noch lange nicht. "Die Revolution ist noch nicht zu Ende", meinte Salwa Bakr dazu, "es wird ein langer Konflikt sein." Sie bat das Publikum, die arabischen Länder nicht wegen des Erdöls zu unterstützen und sie nicht als Markt zu missbrauchen.

Bibliografie
Boualem Sansal: Postlagernd Algier. Merlin Verlag. 16.90 Franken.
Roland Merk: Arabesken der Revolution. Edition 8. 31.90 Franken.

1. Februar 2012

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