Die galoppierende Entwertung der "Weltwoche"
Von PETER KNECHTLI
Im Dauer-Drama um die Zukunft des noch von der Basler Mediengruppe kontrollierten Zürcher Jean-Frey-Verlags ("Weltwoche", "Bilanz", "Beobachter", "TR7") kündigt sich ein neuer Akt an: Nicht an Ringier geht der Verlag, sondern zur Zwischenlagerung an die Investmentbank Swissfirst, die die Anteile bei bislang unbekannten institutionellen und privaten Investoren platziert.
Im medialen Urteil kommt die Basler Mediengruppe, die Ringier knallhart vor den Kopf gestossen hat, mehrheitlich schlecht weg: Der Verkauf trage "Züge einer Verzweiflungstat", kommentierte die NZZ, die dem Basler Verlagshaus um Matthias Hagemann "mangelnde Vertragstreue und schlechten Stil" attestierte.
Eine verlässliche Bewertung des Streits der Presse-Titanen ist in Tat und Wahrheit derzeit kaum abzugeben: Es liegen schlicht zu wenig Grundlagen vor, um den wahren Bösewicht verlässlich zu orten.
Da bringt es letztlich niemanden weiter, wenn sich beide Verlage gegenseitig "eklatante" oder auch nur gewöhnliche "Vertragsverletzungen" vorwerfen. Wir haben die Verträge bisher nicht im Wortlaut gesehen. Vielleicht haben beide Recht: Die Basler Mediengruppe hat tatsächlich parallel verhandelt und entsprechende Vertragsbestimmungen verletzt; vielleicht hat aber auch Ringier auf Zeit gespielt und den Preis für die Prestige-Titel Stück für Stück, Millionen um Millionen, herunter gepokert.
Soviel steht fest: Haupt-Hypothek im Verkaufs-Paket "Jean Frey" ist nicht das Loch in der Pensionskasse, sondern die desolate wirtschaftliche Situation der "Weltwoche". Da mag Matthias Hagemann noch so lange - und aus nachvollziehbaren Motiven - vom "Qualitätstitel" schwärmen, Chefredaktor Roger Köppel noch sehr vom "intellektuellen Tischgespräch" träumen - in Wirklichkeit hat die "heisseste Kartoffel des Medienwesens" (so die "Südostschweiz") zu viel Kredit verspielt. Das seit einem Jahr geführte luftige Tamtam um den "Relaunch", die überkandidelten Ankündigungen eines neu erfundenen Journalismus und schliesslich die unerträglich lange Unsicherheit über die neuen Besitzverhältnisse beschleunigen den Niedergang des früheren Top-Titels.
Ob der erfolgreiche TV-"Arena"-Dompteur Filippo Leutenegger, ohne Erfahrung im Vermarkten von Printprodukten, als neuer Konzernchef den Turnaround der "Weltwoche" schaffen kann? Wir würden's ihm und der Presselandschaft gönnen. Nur zweifeln wir daran. Wenn sich journalistische Qualität nur noch auf Beschwörung beschränkt und selbst Ressortleiter in Redaktionen die "Weltwoche"-Lektüre inzwischen für entbehrlich halten, ist Alarmstufe rot angesagt.
Das Wirtschaftsmagazin "Bilanz" und "Beobachter" werden auch die jetzige Kampfphase unbeschadet überstehen. Aber wenn sich die "Weltwoche" mehr von der Reputation der Vergangenheit nährt als von ihren aktuellen Recherchenleistungen, dann wird sie zum Anachronismus. Und die Fütterungsbereitschaft der Investoren zum Pokerspiel.
10. Februar 2002