Militärischer Stil wird SVP zum Verhängnis
Von PETER KNECHTLI
Die Baselbieter SVP hat im Landrat eine böse Schlappe hinnehmen müssen: Ihr Kandidat Dieter Eglin scheiterte an der Wahl zum neuen Kantonsgerichts-Präsidenten, weil beträchtliche Teile Freisinnigen dem von SP und Grünen unterstützten bisherigen Vizepräsidenten Andreas Brunner zum Sieg verhalfen.
Dieser Entscheid kommt nicht nur einer bitteren Niederlage für den jungen Juristen Eglin gleich, sondern auch einer Desavouierung der SVP als stärkster bürgerlichen Kraft im Kanton. Dass diese Partei schäumt vor Wut, ist ebenso ohne weiteres nachvollziehbar wie ihre faktische Aussage, die Freisinnigen hätten die "Bürgerliche Zusammenarbeit" (BüZa) damit in tausend Scherben zertrümmert.
Nun trifft tatsächlich zu, dass die entscheidende FDP-Unterstützung für den SP-Aspiranten aufs höchste Richteramt des Kantons historische Dimension aufweist. In besseren BüZa-Zeiten wäre dank solider bürgerlicher Mehrheit im Landrat der bürgerliche Kandidat ohne Wenn und Aber gewählt worden.
Doch die Zeiten ändern sich, für die SVP zum Guten, was ihre derzeitige Wählerstärke betrifft, wie zum Schlechten, was ihre Einbindung in bisher berechenbare bürgerliche Allianzen betrifft. Die SVP ist stark geworden mit Forderungen, die im Volk auf breite Zustimmung stossen, aber auch mit einem militaristischen Organisations- und Führungsverständnis, das von oben nach unten orientiert ist. Was sich auf eidgenössischer Ebene am Trio Blocher, Mauer, Mörgeli offenbarte, infiltriert seit längerer Zeit mehr und mehr auch die kantonalen SVP-Kulturen: Reihen schliessen, Abweichler ausschliessen oder isolieren, knallhart und kompromisslos in der Sache und im Kampf um Ziele und Posten. Überdeutlich ist ein auf Führungsanspruch ausgerichtetes Block-Denken, das in starkem Mass nach Freund und Feind unterscheidet.
Illusionen wären fehl am Platz: Auch Links-Grün trifft Ämter- und Postenabsprachen, aber der Geist des an die Öffentlichkeit geratenen Entwurfs einer BüZa-"Vereinbarung" über die künftige Richterposten-Verteilung unter den Parteien SVP, FDP und CVP spricht für sich.
Nun gibt es aber auch noch eine Parteien-Welt jenseits der SVP, die daran ist, das Block-Denken aus der alten Welt sachte zu überwinden. Das war im Landrat zu spüren an einem Statement des grünen Finanzspezialisten, der in der Rechnungs-Debatte den freisinnigen Baselbieter Finanzdirektor über den Klee lobte. Dies wurde aber auch manifest an der FDP-Haltung in der Wahl des Kantonsgerichts-Präsidenten. Die Freisinnigen wollen mit wieder gewonnenem Selbstvertrauen offensichtlich ihr Bild korrigieren, nur der SVP hinterher zu rennen.
Die Entwicklung oder zumindest das Bemühen der ideologischen Grenz-Überschreitung und der Beurteilung politischer Aufgaben nach sachlichen Kriterien ist zu begrüssen: Sie ist effizient, bringt öffentliche Verwaltungen ohne unnötige, rein parteiennützig motivierte Reibungsverluste weiter und perfektioniert eine politische Umgangs-Kultur, die andere Meinungen anhört und in die eigene Meinungsbildung miteinbezieht.
Da steuert die Baselbieter SVP, die noch nicht den Stil der Mutterpartei adaptiert hat, in ein ernsthaftes Profil-Problem. Ihr Fraktionspräsident beteuerte in der Wahl-Debatte um das Kantonsgerichts-Präsidium, die SVP sei im Baselbiet Regierungs- und nicht Oppositionspartei. In ihrer Aussen-Wahrnehmung trägt die SVP aber doch deutlich oppositionelle Züge: Von Bildungsfragen über Hafen- und Gleichstellungsgeschäfte bis zum Widerstand gegen den Staatsbeitrag an den Basler Messe-Ausbau lassen sich gleich reihenweise Geschäfte aus der SVP oder ihrem Umfeld aufzählen, die oppositionelle, gegen die Regierungsmeinung gerichtete Züge tragen, an der Urne indes kaum je zu einem Abstimmungserfolg führten. Kommt dazu: Der Glanz des einst sehr einflussreichen Nationalrats, Aushängeschilds und Blocher-Machers Caspar Baader ist seit dem Sturz der Galionsfigur verblasst.
Aus diesem Profil-Problem ist mittlerweile auch ein Partner-Problem geworden. Darüber darf der momentane Schmusekurs der CVP mit der SVP nicht hinwegtäuschen, denn die Christdemokraten vertreten damit vor allem auch eigene Ämter-Interessen, beispielsweise bei der gelegentlich anstehenden Wahl eines neuen Ersten Landschreibers, von der Verteidigung des einzigen CVP-Regierungssitzes gar nicht zu sprechen. In Sachgeschäften werden Christdemokraten und Freisinnige zur SVP aber immer wieder auf Distanz gehen müssen, wenn die konservative Volkspartei an ihrer Strategie nichts ändert. Kommt es zwischen den beiden Mitte-Parteien dann auch noch zu einer Übereinstimmung mit Rot-Grün, ist die Isolation der SVP perfekt.
Die "BüZa" ist damit allerdings noch nicht tot, wie erste Statements der SVP nach dem gescheiterten Wahlgeschäft insinuieren. Sie wird nur nie mehr das sein, was sei einmal war. Ohne eine zumindest minimale Allianz von SVP, FDP und CVP wird die krasse bürgerliche Übervertretung in der Baselbieter Kantonsregierung – vier Bürgerliche, ein Sozialdemokrat - nicht über die nächsten Wahlen zu retten sein. An einer Erstarkung von Rot-Grün in der Kantonsregierung dürfte die SVP kein vitales Interesse haben. Als stärkste bürgerliche Kraft hat sie fraglos am ehesten Anspruch auf zwei bürgerliche Regierungssitze, so dass die Freisinnigen einen Sitz abgeben müssten. Auch die CVP hat ein grosses Interesse, die "BüZa" als Notnagel-Bündnis funktionstüchtig zu erhalten: Wenn beispielsweise die Grünen Anspruch auf einen Regierungssitz anmelden, dürfte die C-Partei auf SVP und FDP angewiesen sein wie nie zuvor.
Auch die SVP Schweiz ist keineswegs tot. Aber sie steckt in einer tiefen Identitätskrise: Abgesetzte Kult-Figur Blocher, verlorene Volksabstimmungen, grösste Mühe mit der Oppositionsrolle, eklatante Stilverletzungen, Parteispaltung, Spaltung in der Frage der Personenfreizügigkeit, Immunitäts-Problem für Toni Brunner und Isolation durch die übrigen Gross-Parteien von rechts bis links. Das färbt auch auf die Baselbieter Sektion ab. Die SVP muss ihre Rolle neu definieren, und dazu gehört zentral das Überdenken der Freund/Feind-Strategie. Sonst wird sich ihr bemerkenswerter Aufwärts-Trend bei den nächsten Wahlen nicht mehr fortsetzen.
Peter Knechtli
Weiterführende Links:
SVP scheitert mit Dieter Eglin als Kantonsgerichts-Präsident
Frei-Denker haben als SVP-Richter einen schweren Stand
Geheimvereinbarung soll SVP-Führungsfunktion festigen
Hochspannung vor Baselbieter Richterwahlen
20. Juni 2008
"Im Börsengeschäft nennt man das Insidertrading"
Das Problem, das ambitiöse, fortgeführt autonom denkfähige, autonom denkwillige Mitglieder der um die "Verräter bereinigten" SVP haben, ist - nennen wir die Dinge beim Namen - das offenbar seit der Bundesratswahl 2007 gültige Dekret der nationalen SVP-Partei- und Fraktionsführung, das das von alt Bundesrat Blocher erlassene Zürcher SVP-Programm zum absoluten Katechismus eines jeden SVP-Mandatsträgers in diesem Lande macht. Strafe bei Verstoss: Ausschluss. Verweigerter Ausschluss durch die Kantonalpartei: Ausschluss der Kantonalpartei.
Das Verständnis eines SVP-Mandatsträgers ist bzw. wird ergo sein, dass er anders als die Politiker von rechtsstaaatlich disponierten Parteien nicht der Bundes- und Kantonsverfassung verpflichtet ist, sondern dem klar nationalistischen und perfide rassistischen Programm seiner Partei bzw. der autoriären Parteiführung! Für jede/n, dem Rechtsstaat verpflichtete/n Person oder Politiker heisst das offenkundig, dass ein Vertreter jener Partei und Disposition nicht gewählt werden kann. Dieses Verhalten führt in letzter Konsequenz dazu, dass Vertreter jener Partei so lange nicht in die Zweite und/oder Dritte Gewalt gewählt würden, wie jene Partei nicht über eine Mehrheit in der Ersten Gewalt bzw. beim Souverän verfügt. Was einer konsequent umgesetzten Oppositionspolitik entspricht.
Exemplarisch für das Gesagte ist der Fall Brunner, Amtgeheimnisverletzung. Für Mitglieder der gesetzgebenden Behörde muss, anders beispielsweise als für Diener einer Sekte, klar sein, dass Recht und Gesetz herrschen. Die Normalität für Nationalrat Toni Brunner ist offenkundig, dass er klar dem Amtsgeheimnis unterstellte Informationen eins, zwei Blocher & Cie. offenbart. Im Börsengeschäft nennt man das "Insidertrading". Derweil der Vorteil dort rein finanzieller Art ist, ist es im Falle Brunner/Blocher & Cie. unter anderem ein politisch-taktischer. Amtgeheimnisverletzungen sind in Art. 320 StGB geregelt und werden "mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft". Wem das nicht passt, muss das Strafrecht ändern. Hierzu antragsberechtigt sind auch die 63 SVP-Parlamentarier in Bern.
Patric C. Friedlin, Basel
"Das Orakel täuscht sich sehr"
Verkehrte Welt. Das ganze Land feiert Armee-Chef Nef für sein gradlinig-prinzipienfestes Handeln. Gleichzeitig macht Peter Knechtli dieselben Maximen für den erhofften Niedergang der SVP und ihrer Exponenten Baader, Blocher und Brunner dingfest. Das Orakel täuscht sich sehr. Erstens ist militärisch nicht mit militaristisch gleichzusetzen. Zweitens hat Caspar Baader sein Pulver noch längst nicht verschossen. Drittens bleibt Christoph Blocher auch ohne Staatsamt ein politisches Kraftwerk. Und viertens könnte das von seinen Neidern so herbeigesehnte Strafverfahren gegen Toni Brunner gut und gern ausgehen wie das Hornberger Schiessen. Wie überhaupt zu sagen ist, dass diese Tendenz zur Kriminalisierung der Politik sehr bedenklich ist. Früher hat man den politischen Widersacher politisch bekämpft. Heute ruft man nach dem Richter. Darunter nimmt die Demokratie Schaden.
Heinz Moll, Prag