Jean-Frey-Investoren: In der Freyheit liegt die Chance
Von PETER KNECHTLI
Jetzt ist der Schuss draussen. Die meisten Namen der neuen Besitzer des Jean-Frey-Verlags sind bekannt. Auf den ersten Blick fällt dreierlei auf:
• Der - zumindest finanziell - starke Mann ist mit einem Anteil von 25 Prozent der 72jährige Financier Tito Tettamanti. Trotzdem gehört er einstweilen nicht dem Verwaltungsrat an.
• Mit Ausnahme von Heinz Wermelinger (CM Crossmedia) und dem Berner Burger Charles von Graffenried (Besitzer der "Berner Zeitung") sind keine Personen mit grosser Erfahrung im Mediengeschäft dabei.
• Es handelt sich um breit gestreutes bürgerliches bis rechtsbürgerliches Kapital; Vermutungen, dass frühere Roche-Kapitäne sich als Rentner-Hobby ein Medienhaus halten wollen, sind unbegründet.
Letzte Gewissheit über die Kräfteverhältnisse besteht indessen nicht, da immerhin 20 Prozent der Kapitaleigner ihre Identität nicht bekannt geben.
Aus der Zusammensetzung des bekannten Aktionariats lässt sich der Schluss ziehen, dass keine grossen Medienkonzerne massgeblich mitmischen und dass keine parteipolitische Kraft - wie etwa Christoph Blochers SVP - den untauglichen Versuch unternehmen wollte, sich in Bonsai-Berlusconischer Manier ein Stück Medienmacht unter den Nagel reissen zu wollen.
Eine solche Polit-Strategie hätte ohnehin nichts getaugt: Weder wäre das ganze Firmenkonstrukt glaubwürdig geworden noch hätten pluralistische Titel wie "Weltwoche" und "Bilanz" auch nur den Hauch einer Chance gehabt, auf dem Lesermarkt zu überleben. Von einem "Beobachter" von SVP-Gnaden schon gar nicht zu reden. Umgekehrt erschien allerdings die Art, wie sich die "Beobachter"-Redaktion vorschnell an die Brust des Marktmächtigsten Ringier zu werfen wagte, statt das neue Aktionariat erst unvoreingenommen zu prüfen, sachlich nicht nachvollziehbar. Heute lässt sich zumindest sagen, dass unter den neuen Jean-Frey-Aktionäre keine medienfeindlichen Schreckgestalten auszumachen sind.
Allerdings muss sich durch Tatbeweis erst noch weisen, wie weit es den Investoren - wie bisher suggeriert - auch um idealistisches Engagement ("Medienvielfalt") geht und nicht nur nur ums schnelle Geschäft oder um ideologischen Einfluss.
Die bisherigen Beteuerungen - antizyklisches Verhalten, Rentabilität erst in drei bis fünf Jahren - weisen zumindest auf langfristige Anlageinteressen hin. Rentabel kann die Gruppe - und insbesondere die kriselnde "Weltwoche" - aber nur werden, wenn ihre Journalistinnen und Journalisten über die grösst mögliche Medienfreyheit verfügen. Die Investoren müssen sich darum angesichts ihrer breit gestreuten privaten und geschäftlichen Interessen bewusst sein, dass sich Konflikte mit unabhängig recherchierenden Journalisten nicht vermeiden lassen.
Wenn "Weltwoche", "Bilanz" und "Beobachter" mit einer vorbildlichen Medienfreyheit antreten können, wie sie in den siebziger und achtziger Jahren noch die Debatten der Berufsverbände prägten, und wenn das Marketing-Management dieses idealistische Kapital geschickt auszunützen versteht, dann haben sowohl die Titel wie die Investoren eine Erfolgschance.
23. März 2002