Keine Grundwelle für eine Kantons-Fusion
Von PETER KNECHTLI
Dass die Baselbieter Regierung die von Wiedervereinigungs-Freunden lancierte Initiative zur "Fusion" von Basel-Stadt und Baselland ablehnt, wie sie am Dienstag verkündete, ist keine Überraschung. Vielmehr ist sie die absehbare und logische Folge der beiden Regierungsrats-Ersatzwahlen vom Frühling.
Damals wählte das Volk mit Thomas Weber (SVP) und Anton Lauber (CVP) zwei bekennende Fusions-Gegner beziehungsweise "Fusions-Kritiker" (wie sich Lauber ausdrückte und sich damit eine Rückzugsoption offen liess) in die Exekutive. Hätte nämlich SP-Nationalrat Eric Nussbaumer anstelle von Weber das Rennen gemacht, dann hätten die Wiedervereinigungs-Befürworter in der Regierung die Mehrheit errungen und die Initiative mit Bestimmtheit befürwortet. Aber unter den aktuellen Mehrheitsverhältnissen bleiben die Fusions-Freunde Urs Wüthrich (SP) und Isaac Reber (Grüne) in der Minderheit.
Letztlich aber entscheidet weder die Regierung noch der Landrat über die Wiedervereinigung, sondern das Volk. Insofern ist die Fusions-Initiative das geeignete Instrument, die Debatte über die Wiederherstellung der Grenzen von 1833 zu eröffnen. Allerdings ist von einer Eruption der Fusions-Lust in der Baselbieter Bevölkerung weit und breit nichts zu spüren. Zum Vergleich die Rückblende um 180 Jahre: Vor der Kantonstrennung kochte die Volksseele so stark, dass der Konflikt mit den "Herren der Stadt" mit Gewehren und Sensen ausgetragen wurde.
"Die vertiefte Partnerschaft gehört
auf die Dringlichkeits-Agenda."
Eine Grundwelle der Fusions-Begeisterung lässt sich auch nicht herbeidebattieren. Gerade das von den Befürwortern gern ins Feld geführte Argument, die Grenzen zwischen beiden Basel würden im heutigen Alltagsleben kaum mehr wahrgenommen – vom Verkehr über Schulen bis zum FC Basel –, ist ein Grund, die Wiedervereinigung als obsolet zu betrachten: Sie ist über weite Strecken wenn auch nicht rechtlich und staatspolitisch, aber faktisch vollzogen. Die verbleibenden Unterschiede und Kirchturm-Domänen – wie in der Gesundheits-, Verkehrs- und Bewilligungspolitik – können auch ohne Fusion harmonisiert werden, sofern der Wille dazu dies- und jenseits der Kantonsgrenzen vorhanden ist.
Es verwundert auch nicht, dass sich einst glühende Fusions-Befürworter angesichts einer Stimmung der Vergleichgültigung in der Bevölkerung aus der ersten Reihe der Wiedervereinigungs-Turbos verabschiedet haben. Sie hätten es auch schwer, im Volk das Fusions-Feuer zu entfachen. Ziemlich geschlossen treten einzig die SP und die Grünen für den Zusammenschluss ein, die CVP ungeeint, während die FDP weitgehend und die SVP geschlossen eine Fusion ablehnt.
Dass der Durchmarsch zur kantonalen Verschmelzung auf zahlreiche faktisch begründete und emotionale Widerstände stösst, liess sich spätestens dann erahnen, als der grüne Sicherheitsdirektor Isaac Reber zwei Gänge zurückschaltete, die Idee eines Gegenvorschlags zur Initiative in die Regierung einbrachte – und damit scheiterte. Dem Vernehmen nach wollte er sowohl die Fusion als auch die vertiefte Partnerschaft durch den allfälligen Verfassungsrat auf Faktenbasis prüfen lassen. Diesen Vorschlag verwarf die Regierung aus der richtigen Überlegung, das Fuder werde dadurch juristisch überladen. Ausserdem stiess die Idee eines Zusatzauftrags an den Verfassungsrat auch in Basel-Stadt auf geringe Begeisterung.
Indem sich die Regierung dennoch öffentlich zu einer vertieften Zusammenarbeit bekannte, gestand sie Reber aber die Genugtuung zu, einen Teil seines Anliegens aufgenommen zu haben. Dieses Vorgehen ist richtig: Die Regierung steht jetzt in der Pflicht; sie muss die vertiefte Partnerschaft mit Basel-Stadt jetzt auf die Dringlichkeits-Agenda setzen und den Worten Taten folgen lassen.
Die Fusions-Initiative, soviel ist heute schon absehbar, wird einen schweren Stand haben. Wie zeitgemäss die Strukturen unseres Staatswesens noch sind, darüber lässt sich ernsthaft streiten. Dabei fällt auf, dass sich die Stimmen mehren, die sich einen Wirtschaftsraum Juranordfuss als neue Gebietskörperschaft eher vorstellen können als eine Flickwerk-Fusion der beiden Basel, die das untere Fricktal und das Schwarzbubenland weiterhin aussen vor lässt.
Leitartikel vom 12. August 2012: "Der Kampf zwischen Fusions-Turbos und Autonomie-Bremsern
29. August 2013