Diese starke Frau will das Volk nicht in der Regierung
Eine grosse Überraschung ist der Ausgang der Baselbieter Regierungsratswahlen nicht. Die Kernfrage war es, ob es den Sozialdemokraten gelingt, den seit dem Rücktritt von Edi Belser vor vier Jahren an die SVP verlorenen zweiten Sitz in der Exekutive zurück zu gewinnen. Nachdem der politisch moderate Urs Wüthrich in einer Regierungsrats-Ersatzwahl vor drei Jahren nur knapp gescheitert war, galt er unter den linken Bewerbungen als der Favorit, für den sogar bürgerliche Strategen mehr oder weniger offen eine Wahlempfehlung abgaben.
Den zweiten SP-Sitz hätte Susanne Leutenegger Oberholzer erobern sollen. Doch hier weist das Ergebnis bei näherer Analyse dramatische Indizien auf: Die auf kantonaler Ebene tätige FDP-Landrätin Sabine Pegoraro schlägt die politisch deutlich erfahrenere SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer um über 6'500 Stimmen.
Dass die drei bürgerlichen Parteien FDP, CVP und SVP einen derart unbestrittenen Sieg errangen, hat mehrere Gründe. Zum einen spielte ihre Bürgerliche Zusammenarbeit (BüZa), die traditionelle Wahlallianz, dieses Jahr mit hoher Disziplin. Dies auch wenn bürgerliche Exponenten im Wahlkampf hinter vorgehaltener Hand an ihrer Kandidatin Pegoraro die "fehlende eigene Linie" monierten.
Ihr gutes Ergebnis dokumentiert, dass eine Serie eklatanter Fehlleistungen der nationalen FDP - das Swissair-Debakel rund um den Zürcher FDP-Filz ist nur ein Beispiel - nicht auf die Baselbieter Kantonalpartei durchgeschlagen hat. Darüber hinaus hat die promovierte Juristin, die mit dem Motto "mehr Sicherheit und mehr Polizei im öffentlichen Raum" in den Wahlkampf zog, auch grössere Wählerschichten ausserhalb der bürgerlichen Stammwählerschaft angesprochen. Schliesslich gelang es der künftigen Justiz- und Polizeidirektorin, sich als kooperative, linientreue Politikerin ohne offensichtlichen Makel zu positionieren.
Genau diesen Sprung über das traditionell links-grüne Elektorat hinaus gelang Susanne Leutenegger Oberholzer trotz hoher nationaler Medienpräsenz nicht. Beobachter sind sich einig, dass ihr für das Regierungsmandat ihre eigene, machmal brüskierende Persönlichkeit im Wege stand. "sol", so ihr Kürzel, ist eine starke, aber auch eine schwierige Frau. Zu viele Weggefährtinnen und Weggefährten hat sie in ihrer respektablen Polit-Schlacht schon vor den Kopf gestossen - Journalisten inbegriffen. Damit löste sie Abwehrreflexe aus, die im Killer-Argument der bürgerlichen Konkurrenz gipfelten, sie sei "nicht teamfähig". Sicherlich löste die ehrgeizige und fordernde Ökonomin und Juristin, der blendende Dossierkenntnisse attestiert werden, auch in Beamtenkreisen Angst und Schrecken aus - weil sie sich entschlossen zeigte, die ins Betuchliche neigende politische Kultur des Baselbiets wieder aufzumischen.
SP-Parteipräsident Eric Nussbaumer ist beizupflichten, dass Leutenegger Oberholzer in der Baselbieter Regierung eine "starke Führungsrolle" gespielt hätte und auch in der Lage gewesen wäre, ihre polarisierende Art abzulegen. Aber dies ist in der emotionalen Verfassung einer Majorzwahl gar nicht die Frage. Hier kann Profil ein Nachteil sein, weil nicht nach Profil ausgewählt wird, sondern nach harmonischer Konfektion.
Genauso wie Sabine Pegoraro dürfen auch die Bisherigen mit ihren Ergebnissen sehr zufrieden sein. Der Freisinnige Adrian Ballmer errang trotz Hosenlupf mit Gemeinden den Spitzenplatz, CVP-Frau Elsbeth Schneider setzten die massiven Kostenüberschreitungen bei Spitalbauten in keiner Weise zu und auch der als intellektueller Dreikäsehoch apostrophierte SVP-Regierungsrat Erich Straumann überstand diesen Zahltag ohne Blessuren.
In dieser Grosswetterlage könnte ein bemerkenswerter Aspekt dieser Wahl leicht untergehen: Das ausgezeichnete Ergebnis der grünen Kandidatin und Nationalrätin Maya Graf. Im Hinblick auf die nationalen Wahlen vom Herbst dürfte mit ihr zu rechnen sein.
30. März 2003
"Soll Susanne Leutenegger Oberholzer nur in Bern zum Rechten sehen?"
Sehr aufschlussreich war die Stellungnahme von Hans Rudolf Gysin am Sonntagmittag im Regionaljournal, als sich abzeichnete, dass die SP-Regierungsratskandidatin das Rennen nicht machen würde: "Frau Leutenegger Oberholzer macht in Bern eine gute Arbeit, solche starke Politikerinnen braucht es in Bern, die dort zum Rechten sehen"! Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dachte er dabei, dass diese Frau lieber in Bern zum Rechten sehen soll statt in Liestal, man konnte es im Interview so richtig heraus hören. Meine Frage: Wer hat denn Angst und hat was zu verbergen, Herr Gysin? Bern ja, Liestal nein? Diese Frau muss gewissen Leuten einen gehörigen Schrecken eingejagt haben. Das hat bestimmt nicht nur mit der angeblichen Teamunfähigkeit von Susanne Leutenegger Oberholzer zu tun. Das ist die Angst vor starken Frauen! Übrigens nicht mehr verbergen kann nun die SVP die Tatsache, dass sie zum Sammelbecken der äussersten Rechten, u.a. den Wählern der Schweizer Demokraten geworden ist. Es stellt sich für mich schon die Frage, wie sich das mit dem heutigen modernen Bauernstand vereinbaren lässt, da dort viele fremdländische Gastarbeiter beschäftigt werden! Wasser predigen und Wein trinken? Es scheint so.
Bruno Heuberger, Oberwil