BL-Regierung gewinnt einen Kampf im Macht-Poker
Von PETER KNECHTLI
Es gibt an diesem Ergebnis nichts zu deuteln: Das Baselbieter Stimmvolk folgte dieses Wochenende Regierung und Landrat mit überwältigendem Mehr in der Absicht, die Aufsicht über die künftige Staatsanwaltschaft an die Regierung zu übertragen: Drei von vier Abstimmenden legten zum kantonalen Einführungsgesetz zur Schweizerischen Strafprozessordnung ein Ja in die Urne.
Dieses Ergebnis konnte – wenn vielleicht auch nicht in dieser Deutlichkeit – erwartet werden. Erstens gilt als uralte Wahrscheinlichkeit, dass ein "Ja" in der Urne resultiert, wenn "Einführungsgesetz" auf dem Stimmzettel steht. Zweitens ging es um eine äusserst abstrakte Materie, deren kritische Aspekte dem Volk im Detail wohl fast nicht zu vermitteln sind. Zwar hört jede Schülerin und jeder Schüler im Verlaufe der Bildungskarriere einmal den Begriff der Gewaltentrennung, doch wenn es um ihre Anwendung in der Praxis geht und aus der Gewaltentrennung eine Gewaltenvermischung zu werden droht, beginnt es zu hapern.
Ausserdem setzte die Urteilsbildung in dieser Abstimmungsfrage ein beträchtliches Wissen zur heutigen Praxis der Aufsicht über die Strafverfolgungsbehörden voraus. Dabei kann nicht behauptet werden, dass sich die Ermittlungsbehörden in den vergangenen Jahren in besonderem Mass für die Sensibilisierung der Öffentlichkeit in der delikaten Frage von Aufsicht und Gewaltentrennung hervorgetan hätten. Die Justiz ist eben generell sehr diskret mit allem, was mit Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation nach aussen zu tun hat. Das hat sich jetzt vielleicht gerächt.
Sicherheitsdirektorin Sabine Pegoraro, die sich vehement für die Annahme von Gesetz und Verfassungsbestimmung einsetzte, darf sich mit Fug über den klaren Abstimmungsausgang freuen. Das Volk hat immer Recht. Ob das Volk dieses Wochenende allerdings auch richtig entschieden hat, ist eine andere Frage. Nach meiner Einschätzung hat das gegnerische Komitee in diesem Abstimmungskampf deutlich überzeugender argumentiert als die Befürworter, die sich im letzten Moment und klar unter Zugzwang noch zu Wort meldeten.
Ob man es wahrhaben will oder nicht: Die Gewalten im Staat – Exekutive, Legislative und Judikative – befinden sich, wenn auch nicht häufig öffentlich wahrnehmbar, in einem permanenten Machtkampf. Jede Sparte trachtet danach, an Autonomie nicht einzubüssen, sondern viel eher an Spielraum zu gewinnen. Dies erklärt wohl auch einen Teil der ungewöhnlichen Vehemenz, mit dem dieser Abstimmungskampf geführt wurde.
Verfehlt war indes, den Gegnern des Einführungsgesetzes die blosse Verteidigung von Privilegien und Eigeninteressen vorzuwerfen. Wäre beispielsweise die FDP-Landratsfraktion der Empfehlung ihrer einstimmigen parteiinternen Fachkommission gefolgt, hätte das Gesetz nicht einmal die parlamentarische Beratung überstanden. Zudem engagierten sich gegen die Aufsichts-Abtretung an die Regierung derart viele Namen, die für Unabhängigkeit und Gemeinwohl-Interessen bürgen, dass von Filz und Besitzstandsinteressen nicht gesprochen werden kann.
Ob sich die nun beschlossene Aufsichtsregelung mit einer "geteilten Aufsicht" von Regierung und Fachkommission "im Sinne einer klaren Kompetenzregelung" (wie die CVP schreibt) auf Dauer bewähren wird, muss die Zukunft erst noch weisen. Den Beweis zumindest, dass die bisherige Aufsicht des Kantonsgerichts über die Statthalterämter gescheitert sei, ist den Befürwortern der Vorlage nicht gelungen. Die Prognose des früheren Baselbieter Kantonsgerichtspräsidenten, wonach mit der jetzt gewählten Lösung künftige Konflikte so sicher seien "wie das Amen in der Kirche", dürfte ein Auftrag an Parteien, ihre Protagonisten und an die staatlichen Ermittler sein, bei allfälligen Grenzübertretungen der Regierung in die Bereiche der Strafverfolgung – beispielsweise Einflussnahmen – vernehmlich Laut zu geben.
17. Mai 2009
"Kontrolle vor Vertrauen"
Mit diesem Einführungsgesetz hat sich die Regierung die Möglichkeit verschafft; diskret, unmittelbaren Einfluss auf Strafverfahren zu nehmen, wie dies in der Stadt Basel der Fall ist. Zu hoffen bleibt, dass die Strafverfolgung in Baselland fortan nicht nach einer Art "politisch inspiriertem Opportunitätsprinzip" funktioniert. Da die Kontrolle dem Vertrauen, der Hoffnung bekanntlich vorzuziehen ist, kommt der Vierten Gewalt im Staate, also allen Medien, aufgrund des der Regierung vom Souverän ausgesprochenen Vertrauen nachhaltig erhöhte Verantwortung zu.
Patric C. Friedlin, Basel