Leuenberger-Nachfolge:
Go, Caspar, go?
Von PETER KNECHTLI
Der sozialdemokratische Bundesrat Moritz Leuenberger zeigte sich perfekt untaktisch taktisch, als er mitten in den Sommerferien seinen Rücktritt auf Ende Jahr ankündigte. Das Taktische daran ist der Zeitpunkt. Er hat bis zum letzten Augenblick zugewartet, seine Demission noch bekanntgeben zu können, bevor der seit längerem angeschlagene Freisinnige Hans-Rudolf Merz denselben Schritt tut. Zwar hat FDP-Präsident Fulvio Pelli immer beteuert, Merz bleibe bis zum Ende der Legislatur. Doch nun dürfte auch sein Abschied aus der Bundesregierung eine Frage von Wochen oder wenigen Monaten sein.
Wie immer: Kündigen im ersten Atemzug die Akteure ihren Rückzug an, machen schon im zweiten die Spekulationen über mögliche Nachfolgerinnen oder Nachfolger die Runde. Sollte es denn ein Sozialdemokrat sein, käme aus der Region Basel nur einer in Frage: Der neue Basler Regierungsrat Hans-Peter Wessels.
Obschon er bundespolitisch unerfahren ist, wäre er ohne weiteres in der Lage, sofort die Führung eines Departements der Bundesverwaltung zu übernehmen. Mit seiner Kommunikationsgabe, die derzeit in Basel kein Politiker und keine Politikerin übertrifft, seiner blitzartigen Auffassung, seiner Dialogbereitschaft seiner Zupack-Fähigkeit und nicht zuletzt seinem Humor hat er sich innert kürzester Zeit zu einem Politiker zum Anfassen entwickelt, dessen Überzeugungskraft sich auch das bürgerliche Lager nicht entziehen konnte. Undogmatisch und umsichtig treibt er die Stadtplanungs- und Verkehrspolitik vorwärts. Der begabte Exekutiv-Politiker scheint derzeit die treibende Kraft in der Basler Regierung zu sein. So viel Dynamik wie derzeit scheint im Baudepartement nie zuvor geherrscht zu haben.
"Wer Caspar Baader jetzt zu einer Kandidatur
drängt, könnte ihm ernsthaft schaden."
Nun hat aber sofort auch die SVP Anspruch auf den frei werdenden SP-Sitz Leuenbergers angemeldet. SVP-Präsident Toni Brunner möchte die Sozialdemokraten mit einem Baselbieter demütigen: mit dem Gelterkinder Nationalrat und SVP-Fraktionschef Caspar Baader. Laut der "Basler Zeitung" liess sich sein Baselbieter Fraktionskollege Christian Miesch schon zur Beurteilung hinreissen, eine Kandidatur Baaders wäre "sensationell".
In der Tat wäre Baaders Kandidatur "sensationell" – aber nur für all jene, die seinen Bundesrats-Ambitionen schaden möchten: Seine Wahlchancen noch im Verlaufe dieser Legislatur sind so gut wie inexistent. Man stelle sich vor: Baader müsste noch mindestens bis zum Ende der laufenden Amtszeit gute Miene mit der früheren Bündner SVP-Regierungsrätin heutigen BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf machen, die er bei ihrer Wahl als "Verräterin" bezeichnete. Dies, weil sie mit ihrer Wahlannahme die Abwahl von Christoph Blocher ermöglicht hatte.
Kommt dazu, dass FDP-Chef Pelli den SP-Anspruch auf zwei Bundesrats-Sitze umgehend anerkannt hat – höchstwahrscheinlich im Austausch für die Zusicherung der SP, im Fall eines vorzeitigen Merz-Rücktritts ebenfalls an zwei FDP-Bundesratsmandaten festzuhalten. Mit grünen Stimmen könnte Blocher-Freund Baader nicht rechnen, auch Widmer-Schlumpfs SVP-Dissidente dürften sich an Baader kaum erwärmen. Da bleibt noch die CVP, die sich nicht in die Karten blicken lassen will, aber kaum die Konkordanz auf dem Buckel der SP auf den Müllhaufen der Geschichte spedieren will.
Wie Caspar Baader unter diesen Voraussetzungen die Ersatz-Wahl schaffen soll, ist schleierhaft. Wer den 56-jährigen Gelterkinder Agronomen und Juristen Baader eine letzte Wahl-Chance zugestehen will, sollte die Wahlen zur Gesamterneuerung des Bundesrates abwarten. Dann werden die Karten – möglicherweise – neu gemischt auf eine Art, dass der SVP, die Widmer-Schlumpf nicht als eine der Ihren betrachtet, zwei Sitze zugestanden werden. Und dann könnte Baader ohne den Makel einer zuvor gescheiterten Kandidatur antreten.
Allerdings ist Baaders Wahl auch dann noch nicht gesichert. Erstens bleibt offen, ob sich Eveline Widmer-Schlumpf nochmals für eine Kandidatur entscheidet. Und zweitens warten in der SVP-Pipeline auch weitere fähige, und vor allem jüngere Persönlichkeiten mit Bundesrats-Ambitionen, die ihre Ansprüche geltend machen werden.
Caspar Baader und die "Verräterin"
10. Juli 2010