Basler Wahlen werden auch zum Markus Somm-Plebiszit
Von PETER KNECHTLI
Bei der Übernahme der "Basler Zeitung" durch Christoph Blocher hat OnlineReports die Analyse gewagt, dass es bei diesem Coup um einen "konservativen Plan" geht: Die Machtverhältnisse in links regierten Schweizer Städten zu kippen – allen voran in Basel. Dieser Kanton soll entrötet und entgrünt und die SVP Regierungspartei werden. Markus Somm schreibt auf dieses Ziel hin, seit er am Aeschenplatz auf der Kommandobrücke steht. In seinem letzten Leitartikel wird er nun konkret: "Ein Machtwechsel drängt sich auf."
Auf zweidrittel Seiten drischt er auf die drei Sozialdemokraten – Hans-Peter Wessels, Christoph Brutschin und Eva Herzog – und den Grünen Guy Morin ein, ohne auch nur einmal ihre Namen zu nennen. Dieses "rot-grüne Biedermeier" hätten so ziemlich alles falsch gemacht, so ziemlich alle Gelegenheiten zu "frischen Ideen" verpasst und die einst blühende Stadt in den Niedergang geritten.
Es ist zunächst erfreulich, dass sich der Chefredaktor der führenden Regionalzeitung wieder einmal mit einem regionalen Thema beschäftigt. Es ist auch nicht alles falsch, was er in seinem Plädoyer für eine "neue mehrheitlich bürgerliche Regierung" auflistet. So trifft zu, dass einzelne Mitglieder der rot-grünen Regierung einen "ruppigen unhöflichen Führungsstil" mit formaler "Unflätigkeit" pflegen.
War Wirtschaftsminister Brutschin gemeint? Oder Finanzdirektorin Herzog, von der berichtet wird, dass sie in den Regierungssitzungen auch mal bürgerliche Kollegen zusammenstaucht und enge Mitarbeitende die glühenden Zeichen an der Wand erkennen lässt? Auch der Schreibende hat mit der Überheblichkeit der gnadenlosen Linken schon Bekanntschaft gemacht.
"Die Kritik an Rot-Grün ist auch eine
Desavouierung der bürgerlichen Minderheit."
Es trifft ohne Zweifel auch zu, dass der von den SBB als Warenhaus mit Bahnanschluss konzipierte Basler Bahnhof, der Passagiere wie Sardinen durch ein lumpiges Eingangtor zwängt und mit seiner miserablen Fussgänger-Führung laufend Kollisionen verursacht, nicht nur eine miserable Visitenkarte ist, sondern eine echte Schande für diese Stadt darstellt.
Nur: Was ist daran die Schuld der rot-grünen-Allianz? Bestenfalls, dass sie nicht längst vehement auf eine Beseitigung dieser Schande drängt. Wer möchte bestreiten, dass dieselbe Allianz die Thematisierung der Migrationsprobleme fürchtet wie der Teufel das Weihwasser, und dass eine pragmatische Umsetzung des "Verkehrsregimes Innenstadt" durch Betroffene erst hartnäckig erstritten werden musste.
Aber reicht das alles aus, um endlich die Notwendigkeit des Machtwechsels zu begründen? Kaum. Das ultimative Abwahl-Motiv ist weit und breit nicht erkennbar.
Vielmehr ging bisher Somms Rezept nicht auf, linke Akteure mit Agenda-gesteuerter Polit-Publizistik über Bord zu kippen. Das Gegenteil ist der Fall: Je schärfer die Angriffe – insbesondere gegen Bau- und Verkehrsdirektor Wessels und die damalige "Basta"-Grossrätin Sibel Arslan –, desto grösser die Wahlchancen. So warf die linke Politikerin Arslan letzten Herbst den Christdemokraten Markus Lehmann aus dem Nationalrat. Wessels anderseits sitzt bei seinem Wahlvolk fester im Sattel denn je – jetzt, da er reihenweise neue Buvetten ankündigt, neue Plätzchen eröffnet und Rheinuferwege einweiht.
Markus Somm ist immer noch zu sehr Zürcher geblieben, um die schiere (und verständliche) Verzweiflung der bürgerlichen Parteispitzen wahrzunehmen: Ihr Problem ist es gerade, dass das rot-grüne Regierungs-Quartett eine so bürgerliche Politik macht, dass sich SVP, Freisinnige, Liberale und CVP daran die Zähne ausbeissen, das von Somm behauptete Exekutiv-Desaster tatsächlich zu belegen. Im Interview mit OnlineReports vor zwei Jahren gab die linke "Basta"-Kopräsidentin Tonja Zürcher ihrer Unzufriedenheit über die linke Regierungsmehrheit so Ausdruck: "Mir missfällt an der rot-grünen Politik, dass es keine rot-grüne Politik ist".
Markus Somm scheint an derselben Verzweiflung zu leiden: In seinem 10'286 Zeichen langen Text ist keine einzige "frische Idee" für die Zukunft Basels zu finden. Idealistische Forderungen wie "mehr Lust am Reichtum" sind in Basel nicht mehrheitsfähig. Vielmehr desavouiert er mit seiner Pauschal-Schelte auch die bürgerliche Kollegiums-Minderheit, die sicherlich keinen schlechten Job gemacht hat.
Zutreffend ist in der Tat, dass den bürgerlichen Parteien rot-grüne Politik ganz und gar nicht in den Kram passt: Das Primat des Zweirades vor dem Vierrad, das Schneckentempo beim Bau von Parkings, die Regulierungsdichte und ihr affirmativ wirkendes Schweigen zu Juso-Lohninitiativen wie "1:12", das Roche-Präsident Severin Schwan bei den jährlichen Gesprächen mit der Regierung schon überdeutlich moniert hat. Anderseits legt die Regierung – auch dank erspriesslichem Gedeihen der multinationalen Konzerne – seit über zehn Jahren lückelos positive Rechnungsabschlüsse und auch mehrere Steuersenkungs-Programme vor, die Stadtbevölkerung wächst ebenso wie die Zahl der Arbeitsplätze. Das sind Parameter, die beim Wahlvolk zählen.
Ich beobachte die lokale Politik achtmal länger als Markus Somm, der gerade mal eine Zeitspanne von gut fünf Jahren überblickt, und komme zum Schluss: Basels Überlebens-Schicksal hängt nicht von der Frage ab, ob anstelle der grünen Kopräsidentin Elisabeth Ackermann der SVP-Fraktionschef Lorenz Nägelin die Vakanz des abtretenden grünen Regierungspräsidenten Guy Morin füllt. Über die Partikularinteressen der Parteien hinweg geschaut ist nicht entscheidend, ob Basel rechts oder links regiert wird, sondern ob Basel in seiner Gesamtheit erfolgreich regiert wird.
Nicht nur für die Parteien, auch für den BaZ-Chef schlägt somit am 23. Oktober die Stunde der Wahrheit. Die Wahlen werden auch zum Plebiszit über Markus Somms publizistischen Beeinflussungs-Erfolg: Wenn das Basler Wahlvolk seinem Plädoyer gegen das "rot-grüne Biedermeier" folgt und mit einer bürgerlichen Regierungsmehrheit den Machtwechsel herbeiführt, dann wird Markus Somm in Basel tatsächlich angekommen sein.
25. April 2016
"Nur ein Wort zur Replik"
Lieber Herr Knechtli, nur ein Wort zur Replik auf Somm's Artikel: Felicitation!
Werner Messmer, Riehen
"Bis zum bitteren Ende"
Herr Somm wäre eigentlich zu bedauern, hat er doch eine unmögliche Mission übernommen, die ihm sein Ziehvater Blocher aufgebürdet hat. Die Aufgabe besteht darin, die Basler unbedingt zu einem bürgerlichen Kanton zu trimmen. Und nur für das wurde er ja zur BaZ geholt, sonst hätte man ja die vorherigen Redaktoren übernehmen können.
Leider haben sich die Beiden arg verspekuliert, gingen doch die Abonnenten dieser Zeitung fast zur Hälfte zurück und bei den Wahlen gehörten sie auch zu den Verlierern. Da war nichts von einem bürgerlichen Umsturz zu sehen, trotz Artikeln unter der Gürtellinie gegen die Baseler Regierung. Jetzt muss sich Herr Somm schon mal überlegen, ob er das Trauerspiel weiter mitmachen will oder sich endlich einem achtbaren Journalismus widmen soll. Aber wahrscheinlich hat er keine Wahl, da sein Chef das durchziehen will bis zum bitteren Ende. Hat da einer sein Gewissen verkauft?
Bruno Heuberger, Oberwil
"Knechtli soll neuer BaZ-Chef werden"
Danke für Ihre wohltuende und intelligente Replik auf Somm's Leitartikel. Mir kam spontan der Gedanke: Herr Knechtli als neuer Chefredaktor der BaZ. Dann würde die BaZ wieder in Basel ankommen.
Martin Huschke, Basel
"Man gewöhnt sich an neue Anbieter"
Das Problem von Herrn Somm ist, dass er mit seiner BaZ immer weniger Menschen erreicht. Es gibt immer weniger Menschen, die die Zeitung lesen. Die mögliche Wirkung nimmt ständig ab. Je länger Herr Somm Chefredaktor bleibt, desto günstiger wird am Ende die Zeitung zu kaufen sein. Bleibt Herr Somm zu lange, wird es schwierig sein, überhaupt noch einen Käufer zu finden. Denn die wenigen, die noch lesen, steigen auf online um. Und da die BaZ online grösstenteils kostenpflichtig ist, gewöhnt man sich zwangsläufig an neue Anbieter. Die Konkurrenz auf diesem Gebiet wird ja auch immer wie grösser. Auch die Provokationen der BaZ stumpfen mit der Zeit ab und die Neugier ist gestillt. Herr Somm tickt anders – vorallem als die Stadt Basel. Egal ob rechts, links oder grün.
Ruedi Bucher, Basel
"Man sieht es ja in Baselland"
Ein Chefredaktor der BaZ, welcher als Berufspendler der hier wohnenden Bevölkerung meint mitteilen zu müssen, wie sie zu leben hat, ist zum Vornherein unglaubwürdig. Herr Somm wird Basel und die Basler nie verstehen. Er will es auch nicht. In seinem politisch eingeschränkten Blickwinkel hat er noch nicht begriffen, das vor allem Regierungsratswahlen Persönlichkeitswahlen sind. Wenn Parteien banal mittelmässiges Personal ins Rennen schicken wird dieses eben verheizt. Was Wahlen nach Parteibuch statt Charakter und Wissen auslösen sieht man ja in Baselland. Irgendwie tut mir dieser vorgeschobene Don Quichote leid.
Nicolas W. Müller, Basel
"Linke streuen Optimismus"
Spieler und Augendiener werden nie mit "frischen Ideen" kommen können, sie dienen, folgen halt. Im besten Fall verkommen sie zu Waldorf oder Statler auf dem Balkon der Muppet Show, nur motzen, dazu Worte und Zahlen verdrehen, Pessimismus streuen und auf Ängste setzen, nichts lösen und noch weniger aufbauen.
Ganz generell führen und regieren die Konservativen heute nicht (mehr), sie lassen sich durch eine Art "laissez-faire, laissez-aller" forttreiben. Sie werden zum Opfer des Ungedulds der eigenen Klientel und/oder der Inertie der zu führenden Verwaltung. Sie sprechen zum Beispiel über Deregulierung, fallen trotzdem nicht gerne durch und verstecken sich als Erste hinter Gutachten und Expertenwissen. Gutes Beispiel: Kanton Baselland.
Mit Kreativität zeichnen sich heute leider nur noch Links-Grün und Sozial-Liberal aus. Gutes Beispiel: Kanton Baselstadt. Sicher machen auch Linke nicht alles hundertprozentig gut. Wer tut dies wohl! Sie streuen jedoch Optimismus und bilden somit den Leuchtturm unserer Gesellschaft. Denn wer vertritt sonst noch den sprichwörtlichen, fortschrittlichen "Freisinn" in der Schweiz?!
Peter Toebak, Liestal