"SVP light": Eine weitere Angriffsfläche der SVP
Was sich am Dienstagabend im Saal des Riehener "Landgasthofs" abspielte, weiss ausser den Anwesenden niemand: Die Medien wurden ausgesperrt und im Foyer durch Parteimitglieder noch als "Aasgeier" beschimpft - und dies ausgerechnet durch eine Partei, die sich so perfekt der Medienwirkung und Medieninstrumentalisierung bedient wie kaum eine andere. Der Journalisten-Ausschluss von der Austragung eines internen Machtkampfes trägt "stalinistische Züge" (so der moderate Dissidenten-Führer Eugen Schmid) und ist symptomatisch für eine Partei, die autoritär und autokratisch von oben nach unten geführt wird.
Das Ergebnis der Vertrauensabstimmung der Basler SVP und das glänzende Resultat der Parteiführerin Angelika Zanolari zeigt indessen, dass der polemisch-polarisierende Stil der Partei nicht nur von oben verordnet wird, sondern auch der Erwartung der Basis gegenüber den Mandatsträgern entspricht: Anstandlos motzen kommt sexy an. Darin, tatsächliche oder angebliche Missstände ungeschminkt oder scharf zugespitzt beim Wort zu nennen, hat die SVP unter den bürgerlichen Parteien nicht ganz zu Unrecht eine Marktlücke entdeckt. Was etablierte Parteien der Öffentlichkeit in den letzten Jahren an Unverbindlichkeit und taktischem Wischiwaschi zumuteten, provoziert geradezu eine Kraft, die Tacheles redet, wie ihr gerade zu Mute ist.
Ob man nun Angelika Zanolari ins Pfefferland wünscht oder nicht - sie agiert genau nach dem Muster des polemischen Zuspitzens. Dass SVP-Fraktionsmitglieder einen von Zanolari öffentlich präsentierten - und mittlerweile wieder verabschiedeten - Regierungsratskandidaten nie zu Gesicht bekommen hatten und ihn nicht einmal persönlich kannten, spricht Bände: Die SVP ist eine autoritär strukturierte Partei, in der bei Widerspruch gegen die Generallinie die Fetzen fliegen und Dissidente erbarmungslos geächtet werden - mit dem Plazet des schweizerischen Parteivorsitzenden Ueli Maurer ("denen weine ich keine Träne nach"). Für ihn ist Angelika Zanolari die perfekte Kantonalpräsidentin: Bis an den Rand der Erschöpfung hat sich die SVP-Chefin in den letzten Monaten für seine und ihre Partei und ihr eigenes politisches Überleben hingegeben, ganz nach den Vorgaben aus der Zürcher Strategiezentrale.
Wie eine "eiserne Lady" hält Zanolari die Basler Partei zusammen. Gelegentlich publiziert sie zwar Aufsätze aus offensichtlich fremder Feder, aber eins muss man ihr lassen: Dass die SVP in wenigen Jahren zur stärksten bürgerlichen Kraft Basels geworden ist, hängt eng mit der Aufopferungs- und Polarisierungsbereitschaft Zanolaris zusammen. Mit Verlaub gesagt: Von einigen der acht dissidenten Fraktionsmitglieder war in den vergangenen Jahren nicht allzu viel Profil zu bemerken.
Wenn ex-SVP-Mitglied und -Fraktionspräsident Eugen Schmid nun mit seinen moderateren Gesinnungsfreunden eine "SVP light" namens "Bürger-Partei Basel" gründen will, so wird dies zunächst eine Menge Knochenarbeit erfordern und der SVP Basel-Stadt nicht allzu stark zusetzen. Viel eher muss das enge bürgerliche Spektrum fürchten, noch stärker atomisiert zu werden. Es wiederholt sich hier im bürgerlichen Lager, was in den achtziger Jahren mit der Abspaltung der DSP von der SP im linken Parteienspektrum voraus ging, wie der Baselbieter Historiker Roger Blum feststellt.
Bis auf weiteres bleibt der ungehobelte Stil das Erfolgs-Rezept der Basler SVP - und nicht ihre Lösungsansätze. Doch Angelika Zanolari geht auf einem schmalen Grat: Der Putsch hat tiefe Gräben hinterlassen und die Zahl jener, die gegen sie arbeiten, ist gewachsen. Die Isolation ihrer Partei im Parlament nimmt noch mehr zu. Mässigend wirkt sich die "SVP light" deshalb nicht auf die Politik-Kultur der SVP aus - das Gegenteil dürfte eher der Fall sein: Der Zanolari-Partei bietet sich eine weitere Angriffsfläche.
22. April 2004
"Bürger-Partei ist nicht weniger gefährlich für Basel"
Machen wir uns doch keine Illusionen: Auch die dissidenten SVP-MandatärInnen werden in der Sache - wenn vielleicht nicht im Stil - die Positionen der SVP vertreten. Sie werden im Grossen Rat die genau gleichen extremen Positionen einnehmen wie bisher, wenn auch etwas netter und ruhiger, unauffälliger als die Hardliner der Stammpartei. In diesem Sinne sind sie tatsächlich die Weichgespülten, wie Zanolari sie in ihrer abschätzigen Art der Lächerlichkeit preisgibt.
Aber weniger gefährlich für unsere Stadt sind sie deshalb nicht. Sie werden weiterhin alles unternehmen, den Staat und seine Institutionen zu schwächen. Sie werden den RentnerInnen weiterhin Ruhe und Ordnung versprechen und ihnen gleichzeitig die Rente kürzen und das Rentenalter (oder zumindest die Zahl Dienstjahre) hinaufsetzen. Sie werden mit ihren Stimmen weiterhin dafür eintreten, dass Reiche reicher und Arme ärmer werden. Sie werden weiterhin die Integration behindern und die Immigranten zu Sündenböcken für all unsere Probleme machen. Sie werden weiterhin die Einbindung des schweizerischen Teils der Region in Europa zu verhindern suchen und so dafür sorgen, dass unser Wirtschaftswachstum im Vergleich zu den umliegenden EU-Staaten zurückfällt. Sie werden weiterhin Zucht und Ordnung fordern und gleichzeitig unsere Einbindung in die Regelwerke von Schengen stören. Und sie werden weiterhin die Förderung der Gleichstellung als unnötig erachten, wie uns ihr Parteiname "Bürger-Partei Basel" schon klar mitteilt.
Ich bin zuversichtlich, dass die "Bürger-Partei" im Herbst unsere Bürgerinnen nicht mit weichspült!
Rolf Keller, Basel
"Darum bürgerlich wählen"
Unabhängig von der Absurdität der politischen Inhalte der Basler Filiale der Zürcher SVP bewirkte deren frappanter Wählerzuwachs zu Lasten von LDP, FDP und CVP dort eine Sensibilisierung: Man anerkennt die Pflicht, den Souverän wohl prägnant aber doch seriös zu informieren, was man zu seinen objektiven Gunsten zu tun gedenkt. In Zusammenhang mit den Wahlen im Herbst erwarte ich, dass einem grossen Teil des Basler Stimmvolkes verständlich gemacht werden kann und werden wird: Wer im strukturell erzkonservativen Basel eine dezidiert objektive, menschlich zumutbare Restrukturierung aller staatlichen Tätigkeit und als Konsequenz davon eine substantiell verminderte Steuerlast aller Einkommensschichten, vor allem auch der unteren, wünscht, der wählt bürgerlich. Denn die Voraussetzungen diese Absichten tatsächlich einer Lösung zuzuführen sind:
- Traditionell solide Vernetzung in Basels Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft
- In mehr als hundert Jahren gereiftes politisches Geschick
- Emotionale und intellektuelle Fähigkeiten
- Totale Unabhängigkeit von nationalen politischen Interessen
Wenn die Kommunikation stimmt, sollte das zu folgender Grossratsmandatsverteilung führen: LDP/FDP/CVP 55-60; SP 40-45; SVP 10-15; Bündnis 10-15; Rest (VEW/DSP/SD/BPB) 5.
Patric C. Friedlin, Basel
"Im Herbst wird es 'Philippi' zeigen"
Wie es im Basler bürgerlichen Lager mit oder ohne SVP (aber auch mit oder ohne "Bürger-Partei") weiter geht, wird sich spätestens im Herbst im Rahmen der kantonalen Wahlen zeigen. Ich bin nicht so sicher, dass die Befürchtungen von Peter Knechtli eintreffen. Denn: Der rasante Aufstieg der SVP in Basel war ja nicht primär das Verdienst der SVP selbst, sondern vielmehr Folge des "Sündenfalls" der etablierten Bürgerlichen, die vor vier Jahren immer mehr in die Wischiwaschi-Mitte abgedriftet waren. Das hat einen guten Teil der klar rechts stehenden bürgerlich Denkenden in die Opposition getrieben - also zu eigentlichen Protestwählern zugunsten der SVP gemacht.
Frau Zanolari hat diesen Effekt krass missachtet und diese Protestwähler mit unflätiger Politik und sinnlosen Provokationen wohl kaum im Lager ihrer Stammwähler verankern können. Hier liegt denn auch die Chance der "Bürger-Partei" (und der anderen bürgerlichen Parteien): Wenn es ihr bzw. ihnen in der kurzen verbleibenden Zeit gelingt, diese Protestwähler wieder in ihre Reihen zu bringen – mit einer sehr klaren, aber im Ton anständigen sowie in der Sache letztlich auch konsensfähigen bürgerlichen Politik – dann könnte es durchaus sein, dass die Basler SVP im Herbst eine Schlappe einfängt. Die kantonalen Wahlen werden somit zum "Philippi" von Zanolari & Co. Im Sinne der Sache ist zu hoffen, dass die bürgerlichen Wechselwähler wieder ins etwas gemässigtere, vor allem aber ins anständigere rechte Lager zurückfinden.
Edi Borer, Basel