BL-Baudirektion: Jetzt ist Alarmstufe rot
Von PETER KNECHTLI
Die Baselbieter Bau- und Umweltschutzdirektorin Sabine Pegoraro ist promovierte Juristin. Ihr Chef des Rechtsdienstes, Markus Stöcklin, ist promovierter Jurist. Die Bürgerinnen und Bürger dürften also davon ausgehen, dass sie beide mit den Rechtsgrundlagen vertraut sind und diese im Interesse ihrer Bürger und Steuerzahlenden anwenden.
Zweifel sind angebracht, wie der Entscheid des Verfassungsgerichts von gestern Mittwoch zeigt. Es ging um den geplanten und in zahlreichen Dokumenten wie selbst dem Abstimmungsbüchlein versprochenen Rückbau der Rheinstrasse zwischen Liestal und Pratteln als ökologische Kompensation für den Bau der A22 (damals H2). Dieser Rückbau hätte unmittelbar nach Eröffnung der A22 im Dezember 2013 in Angriff genommen werden sollen.
Doch kaum war der Tunnel im Dezember 2013 eröffnet, begann die Mauschelei: Die Bau- und Umweltschutzdirektion (BUD) verschob den Rückbau auf den Zeitraum 2022 bis 2027 mit der Ankündigung, dannzumal neue "Erkenntnisse" zur Gewerbe-Entwicklung zu berücksichtigen. Was dies bedeutet, lässt sich mit wenig Fantasie ausmalen. Als der VCS sich gegen dieses staatspolitische Mätzchen wehrte und von der BUD eine rekursfähige Verfügung gegen diese "Projektänderung" verlangte, winkte Pegoraros Rechtsdienst verbissen ab – bis ihn das fünfköpfige Verfassungsgericht gestern mit dem juristischen Einmaleins aus dem "Betty Bossi-Rezeptbuch" (so der referierende Richter) zur Räson brachte und anwies, die Rechtsverweigerung einzustellen und dem VCS die Verfügung auszustellen.
"Die Bau- und Umweltschutzdirektion muss
wieder unabhängiger werden."
Rechtshändel mit dem Staat sind Alltag. Es ist aber nicht das erste Mal, dass der BUD-Rechtsdienst beziehungsweise die Direktionsspitze mit einem bürgerfeindlichen Rechtsverständnis von Richtern zur Besinnung gerufen werden musste. Zu erinnern ist an das andauernde Schicksal des Hemmiker Bauern Alfred Suter, dessen Hof als Folge der überfüllten Inertstoff-Deponie Wischberg zunehmend Schaden nimmt, weil seit über sieben Jahren ein Kantonsgerichtsurteil nicht vollzogen wird – nämlich der Nachweis durch Kanton und Gemeinde, dass die Deponie "entweder gar keine Deponie sei oder dann aber als solche harmlos" ("Basler Zeitung"). Mit einem gescheiterten Runden Tisch wurde Zeit vertrödelt und der Fall ausgesessen statt gelöst.
Letzten September hiess das Kantonsgericht eine Beschwerde des WWF und von Laufentaler Fischern einstimmig gut. Die Konzession für ein Kleinwasserkraftwerk durch den Kanton war rechtlich mit einer Methode erteilt worden, die mit dem Bundesrecht nicht vereinbar ist, wie die Richter festhielten. Die Elektra Baselland als Bauherrin musste mit ihrer Planung zurück auf Feld eins. Die verantwortlichen Akteure: die Baujuristen der kantonalen Verwaltung.
Wer den Kanton Baselland mit offenen Sinnen über eine längere Frist beobachtet, stellt fest, dass mit dem Direktionswechsel von Hans Rudolf Gysin zu Christoph Buser der Einfluss der Wirtschaftskammer auf die Administration, insbesondere auf die Bau- und Umweltschutzdirektion nicht geringer geworden ist. Auch in bürgerlichen Kreisen ist – hinter vorgehaltener Hand – immer öfter die Meinung zu hören, Regierungsrätin Sabine Pegoraro setze um, was ihr die Wirtschaftskammer vorgebe, indem auch die nachgelagerten operativen Amtsstellen den gewünschten Direktiven folgen. Das ist ein Erfolg für den Gewerbe-Dachverband – aber schlecht für's politische Klima.
Die Baselbieter Bau- und Umweltschutzdirektion muss in ihrer rechtlichen Souveränität und Handlungsfähigkeit wieder unabhängiger und bürgerfreundlicher werden und sich vom Image der Fernsteuerung befreien. Sonst befördert sie die in Anzeichen schon erkennbare Zersetzung der kantonalen Reputation über die Grenzen hinaus. Die zuständigen Direktionen und Verbände tun gut daran, ihre Rolle im "Alarmstufe rot"-Modus zu überdenken. Dasselbe gilt notabene auch für Medien, die versuchen sollten, die politischen Kräfte im Baselbiet so zu arrangieren, dass Gruppen-Interessen und Seilschaften vor demokratischem Ausgleich Vorrang haben.
Wenn der Kanton – wie im Fall des Rheinstrasse-Rückbaus – versucht, in einer Fülle von Dokumenten enthaltene, mit klarem zeitlichen Realisierungsvorgaben versehene Rückbau-Versprechen auf die lange Bank zu schieben und politische Versprechen durch Nichterfüllung obsolet zu machen, dann ist es kein Wunder, wenn auch im Volk die Alarmlampen aufleuchten – weil es sich verschaukelt fühlt.
Das Baselbiet steht vor einer finanziell und – mit einer oppositionellen Linken – politisch schwierigen Zeit, in der seine Bürgerinnen und Bürger nicht noch durch dirigistische staatliche Handlungsweisen frustriert werden sollten.
11. Juni 2015