Weshalb Nicht-Wähler Nicht-Wähler bleiben
Am 18. Oktober sind eidgenössische Wahlen. Alle Parteien und Kandidaten buhlen um die Gunst der Wählerschaft und natürlich vor allem um die sogenannten Nicht-Wähler.
"Mobilisierung, Mobilisierung, Mobilisierung", heisst es da aus den Parteizentralen in Bern – jetzt muss man sich bereits um die "Schlussmobilisierung" kümmern.
Ich mache seit bald 15 Jahren in verschiedenen Funktionen und Rollen Wahlkampf. Und dadurch interessiert man sich natürlich überdurchschnittlich für die Wahlkampagnen der Parteien und Personen. In all den Jahren habe ich mir allerdings immer wieder auch die gleiche Frage gestellt: Was genau bringen diese einzelnen Massnahmen denn überhaupt?
Wir mussten in diesem Wahljahr national wie auch kantonal einiges ertragen. Einige Parteien und Kandidaten machten mit lustigen oder innovativen Ideen auf sich aufmerksam. Da wollten starke Frauen "Würstchen auf den Grill" verbannen, ein Kandidat bot ein Gespräch auf der Fähre an, man sah nationale Politiker in hippen Sonnenbrillen in Musikvideos wippen. Andere Kandidaten waren in den sozialen Medien aktiv und präsentierten sich in Wahlvideos, die zumindest mich nicht restlos überzeugten. Weitere versuchten sich mit teilweise seltsamen Vorstössen noch kurzzeitig in den Medien zu lancieren, und fast alle sind mit eigenen Flyern und Komitees aktiv.
"Um modern zu wirken, gehört
heute der "Hashtag" dazu."
Die verschiedenen Werbemassnahmen will ich nicht werten. Mir fällt einfach auf, dass vieles etwas abgedroschen daherkommt und kaum dazu beiträgt, dass aus Nichtwählern Wähler werden. Auch die Slogans und Etiketten der Parteien sind von "antigrau" (merke: um modern zu wirken, muss heute noch der sogenannte "Hashtag" dazu) bis zu "liberal" (sind im Wahlkampf natürlich alle, danach nur noch wenige) nicht nur originell und inhaltlich wertvoll – wohl aber das eine oder andere Plakat zumindest ein Eye-catcher.
Was diese Werbe-Massnahmen bringen, kann wohl niemand abschliessend beurteilen. Es gibt zwar Nachwahl-Befragungen, aber ob jetzt ein Plakat, ein Inserat oder der persönliche Flyer den Ausschlag für die Partei- oder Personenwahl gegeben hat, kann keiner beantworten.
Tatsache ist: Eine Partei muss wohl einfach mitmachen, um eben über diese Sichtbarkeit die Mobilisierung auszulösen. Ob aber die Sichtbarkeit noch gegeben ist, wenn, wie im Baselbiet, an jeder Strassenlaterne vier bis sieben Plakate hängen, wage ich ebenso zu bezweifeln wie die Taktik der EVP Baselland, erneut auf Plakate zu verzichten und trotzdem zuzulegen. Sie sehen, auch Parteienvertreter sind hinsichtlich der getroffenen Massnahmen im Wahlkampf manchmal etwas ratlos.
Jüngst wurde in einer Zeitung beklagt, der Wahlkampf in Basel-Stadt sei langweilig. Keine Partei setze wirklich Themen oder greife eine andere mit einer These an. Damit bin ich nicht ganz einverstanden. Eigentlich gäbe es genügend Themen, doch auch die Medien scheuen sich davor, Themen mit kantonalem Bezug und nationaler Relevanz aufzunehmen, um nicht in Verdacht zu geraten, einzelne Personen oder Parteien zu bevorzugen.
Wohl auch deshalb treibt die mediale Berichterstattung im Wahlkampf einige seltsame Blüten. Neben den zig Wahlbarometern finde ich besonders die jeweiligen Politiker-Ratings belustigend. Nun weiss ich also, wer der ÖV-freundlichste Kandidat ist, ich weiss, wer der tierliebendste Anwärter ist, wer im Parlament am ökologisch nachhaltigsten abgestimmt hat. Ich weiss, wer vegan is(s)t oder die Autolobby am besten vertritt. Bringt mich das weiter?
Ob diese Erkenntnisse der politischen Meinungsbildung wirklich zuträglich sind, bleibe dahingestellt. Und was bleibt am Schluss? Grosse Veränderungen sind in unserem stabilen politischen System eher nicht abzusehen – was nicht nur schlecht sein muss. Und bezogen auf Basel-Stadt heisst das, dass wohl alle fünf Nationalratssitze dort verbleiben, wo sie sind.
Ach ja, Ständerats-Wahlkampf ist auch noch. Haben Sie davon schon etwas mitbekommen?
5. Oktober 2015
"Belustigende Politiker-Ratings"
Danke, Samuel Rüegger, für den Link. Ich kann dort aber nicht nach dem Kriterium "is(s)t vegan" abfragen. Da ich zwar Veganer bin (Nahrung, Schuhe, Kleider), aber als FDPler eine Flut von Staatsinterventionen ablehne, erhalte ich vom Tierparlament die Note "Vege, vegan: Unentschlossen". Es stimmt, was Joël schrieb: „Wohl auch deshalb treibt die mediale Berichterstattung im Wahlkampf einige seltsame Blüten. Neben den zig Wahlbarometern finde ich besonders die jeweiligen Politiker-Ratings belustigend“.
Rolf Stürm, Basel
"Ich kann Ihnen vielleicht helfen"
Guten Tag Herr Stürm. Da ich selber auch NR-Kandidat bin kann ich Ihnen bei dieser Frage Vielleicht helfen. Alle Kandidatinnen und Kandidaten konnten einen Fragebogen vom "Tierparlament" ausfüllen. Dort wurde unter anderem auch die Frage nach vegetarismus und veganismus gestellt. Die Auswertungen (nach Kanton sortiert) findet man hier: www.animaux-parlement.ch.
Samuel Rüegger, Basel
"Meine Frage an den Profi-Beobachter"
Lieber Joël, Du scheinst die Kandidaten und Kandidatinnen besser zu beobachten als ich. Meine Frage an Dich als Profi-Beobachter: Wer is(s)t ausser mir noch vegan?
- In BS,
- in BL und
- in der CH?
Ich möchte mich mit diesen Leuten – nach den Wahlen und über die Parteigrenzen hinweg – kurzschliessen. Danke für Deine Hilfe!
Rolf Stürm, Basel