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© Foto by Valerie Zaslawski, OnlineReports.ch
"Opfer sind die einzigen Zeugen": Geschädigten-Anwalt Marcel Bosonnet

Weisse Sklavinnen fallen in Gesetzeslücken

Ein Symposium in Basel nennt bis 3'000 Opfer von Menschenhandel in der Schweiz


Von Valerie Zaslawski


Der weltweite Menschenhandel ist ein dunkles Tabu: Bis zu zwei Millionen Menschen werden weltweit gehandelt und ausgebeutet. In Europa werden vor allem Frauen auf den Strich geschickt und so zu weissen Sklavinnen gemacht. Dies das Fazit eines Symposiums in Basel.


"In unserem Land gibt es keine Bewegung und kein Leben", klagte die weissrussische Sozialarbeiterin Irina Gruschewaja gestern Mittwochabend an einer Veranstaltung über Menschenhandel und über die landesweite Kampagne "Euro 08 gegen Frauenhandel". Sie bezeichnete ihren Heimatstaat als ein "systematisch diktatorisches Land, in dem jede Zukunftsperspektive total aussichtslos ist". Kein Wunder, dass die Mädchen wegwollen - ab in den Westen, in dem alles besser sein soll.

Gruschewaja ist seit zehn Jahren Leiterin des Frauenprojekts "Malinowka", das  Frauen aufklären und unterstützen will. Ebenso will die Frauenrechtlerin "Licht in ein dunkles Thema" bringen: "Wir wissen alle vom Frauenhandel und schweigen trotzdem. Die Frauen müssen wissen, dass die Welt nicht immer freundlich ist, dass draussen im dunkeln Wald die Wölfe lauern."

Frauenhandel auch in Basel

In der Schweiz arbeiten mindestens 14'000 legal angemeldete Prostituierte. Legal angemeldet zu sein heisst aber nicht immer auch freiwillig hier zu sein: Nach offiziellen Schätzungen sollen zwischen 1'500 und 3'000 Opfer von Menschenhändlern in der Schweiz arbeiten.

"Auch in Basel findet Menschenhandel statt", mahnte der Basler Regierungspräsident und Justizdirektor Guy Morin an der gut besuchten Veranstaltung. Doro Winkler vom Züricher "Frauen-Informationszentrum" (FIZ), die den Frauenhandel bekämpfen und seinen Opfern Schutz zu gewährleisten will, sprach von 13 Basler Opfern, die letztes Jahr in ihrer Institution Hilfe suchten. Sie fügte aber einschränkend hinzu, dass es sich bei dieser Zahl nur um die "Spitze eines Eisberges" handle.

Lockruf mit falschen Versprechungen

Morin schilderte die Geschichte von Jelena aus Osteuropa, die nach Basel kam, um hier als Haushälterin zu arbeiten. Aber ihre Realität sah anders aus: Die Schweizer Familie beutete sie aus und missbrauchte sie sexuell.

Mit falschen Versprechen werden jedes Jahr junge Frauen in die Schweiz gelockt. Hier nehmen die Übeltäter ihren Opfern die Papiere ab und lassen sie unter schlimmsten Umständen arbeiten – wie weisse Sklavinnen. So erging es auch der Ex-Prostituierten Lena aus Rumänien: "Es war schlimmer als im Gefängnis - du bist sein Roboter und musst so viel Geld wie möglich verdienen."

Der Justizdirektor zeigte sich von solchen Erfahrungen betroffen: "Wir müssen uns dafür einsetzen, dass es solche grausamen Geschichten nicht mehr gibt". Zwischen 2000 und 2008, so Morin, gab es jährlich zwischen zwei und elf Verurteilungen wegen Menschenhandel. Doch: "Diese Verurteilungen reichen nicht aus." Morin forderte im "Kampf gegen die Windmühlen" eine "konsequente Verfolgung der Täter". Dabei ist er sich bewusst, dass dieser Prozess eine "dringend notwendige Ausdauer" braucht.

Gesetzgebung ist schizophren

Die Menschenhändler zu verurteilen ist nach der Auffassung des Zürcher Geschädigten-Anwalts Marcel Bosonnet aber alles andere als einfach. Die Opfer seien oft die "einzigen Zeugen" und stünden deshalb unter grossem Druck. Sie hätten vor ihren Menschenhändlern oder Zuhältern grosse Angst und verweigerten deswegen oft ihre Aussage.

Vor einer derzeit "schizophrenen Gesetzgebung" sprach am Rande der Veranstaltung Philipp Thommen, Milieu-Fahnder bei der Basler Kantonspolizei, gegenüber OnlineReports. Mache ein potenzielles Frauenhandels-Opfer keine Aussagen, werde es - wegen der illegalen Migration - automatisch zum Täter. Dadurch entwickle sich "ein Spannungsverhältnis zwischen der Migrationspolitik und dem Opferschutz", ergänzte Gruschewaja.

Anwalt Marcel Bosonnet forderte aus diesem Grund "die Entlastung der Opfer". Denn: "Die Geschädigten dürfen im Strafverfahren nicht plötzlich zum Täter werden."

Aufenthaltsbewilligung nur mit Kooperation

Laut Bosonnet können Geschädigte in der Schweiz derzeit eine kurzfristige Aufenthaltsbewilligung für drei Monate erhalten, sofern sie mit den Behörden kooperieren. Allerdings liege die Erteilung einer Bewilligung aber im Ermessen der Migrationsämter.

Um die Problematik zu entschärfen, müsste die Schweiz endlich die Europarats-Konvention unterschreiben, ist Bosonnet überzeugt: Der Europarat ermöglicht Opfern von Menschenhandel nämlich eine Aufenthaltsbewilligung - unabhängig davon, ob sie kooperieren oder nicht.

Diese Meinung teilt auch Doro Winkler vom Frauen-Informationszentrum: "Das geltende Aufenthaltsrecht ist keine Opferschutzmassnahme". Und: "Wir können nicht alles Fehlende auffangen."

Ungleichheiten bekämpfen

Der Weg zum Ziel ist tatsächlich noch weit. Auf die Frage von Moderatorin Cornelia Kazis nach den Meilensteinen, die es noch zu setzen gebe, antwortete der Leitende Staatsanwalt Beat Voser aus Basel-Stadt: "Der Weg liegt noch vor uns und es gibt noch einige Pflöcke einzuschlagen. Der letzte Meilenstein, den wir aber setzen müssen, ist die Überwindung der sozialen und ökonomischen Ungleichheit." Auch Morin stiess gegenüber OnlineReports ins gleiche Horn: "Solange es derart grosse wirtschaftliche Unterschiede gibt, sind die Menschen für Migration anfällig."

3. April 2008

Weiterführende Links:


"Euro 08 gegen Frauenhandel"

Die nationale "Kampagne Euro 08 gegen Frauenhandel" will Menschenrechtsverletzungen in der Schweiz aufdecken. Der Protest startete am Internationalen Frauentag vom 8. März mit Kundgebungen in Basel, Zürich, Bern, Genf und St. Gallen und dauert über die "Euro 08" hinaus bis Ende Juni.

Während des Fussball-Spektakels werden Kampagne-Bilder auf Grossleinwände projiziert. Die EM sei eine "ideale Tribüne", um ein breites Publikum zu erreichen, meinte Bettina Bannwart vom Gleichstellungsbüro Basel.

www.frauenhandeleuro08.ch


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"Der neue Eingang zum Birsigparkplatz wird der Ersatzneubau des Heuwaage-Hochhauses bilden."

bz
vom 26. März 2024
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Wer bildet was oder wen?

RückSpiegel


Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

persoenlich.com und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports die Personalrochade bei Prime News.

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