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© Foto by Thomas Rost
"In die Abgründe der Menschen": Totenmasken der Basler Mörder Sandweg und Velte

Die Frage von Schuld, Verbrechen und Strafe – mehr als ein juristisches Thema

Das Historische Museum setzt sich mit 30 unterschiedlichen Kriminalfällen aus Basel und Umgebung auseinander


Von Aurel Schmidt


Wer ist schuld? Natürlich der Täter, der Verbrecher. Aber so sicher ist das nicht. Denn Schuld ist ein Begriff, der tief in den Menschen sitzt und religiös begründet werden muss. Anmerkungen zur Ausstellung "schuldig. verbrechen – strafen – Menschen" in Basel.


Die neue Ausstellung im Historischen Museum befasst sich mit dem Thema Verbrechen und Strafe. Im Düstern der Katakomben des Museums, wo sie gezeigt wird, breitet sich eine beklemmende Stimmung aus. Der Ausstellungsraum wird zum Verliess. Die Guillotine am Eingang macht schon klar, dass hier nicht die helle, heitere Seite des Lebens gezeigt wird, sondern die dunkle. "Man sieht in die Abgründe der Menschen", sagt Konservator Franz Egger dazu. Nicht nur in die Abgründe der Psyche der Täter, sondern auch der Menschen, die über sie zu Gericht sitzen.

Erzählt werden 30 Fallgeschichten, eine Kriminalgeschichte in 30 Kapiteln, alle mit Bezug auf das Thema. Sie reichen von sexuellen Übergriffen, einem Wiedertäufer, der für seine religiöse Überzeugung hingerichtet wird, und Kindsmörderinnen über Rädelsführer des Bauernkriegs, die hingerichtet werden, bis zur Auspeitschung wegen versuchter Vergewaltigung und zu einer Diebin, die an den Pranger gestellt wird. Die letzte Hinrichtung in Basel fand 1819 statt, in Baselland 1838, 1840 und 1841. Auch das kommt zur Sprache.
 
Basels "grösster Kriminalfall" betrifft den Bankraub 1934 der beiden Deutschen Sandweg und Velte, in dessen romanhaftem Verlauf sechs Menschen ihr Leben verloren (neben den Räubern). Ihre Totenmasken aus dem Institut für Rechtsmedizin sind in der Ausstellung zu besichtigen. Alle Fallstudien kommen aus Basel und der Region. Damit will das Historische Museum  mit dem Blick auf das einheimische Publikum explizit gesellschaftlich relevante Themen in einen lokalen und regionalen Rahmen stellen.

Was ist kriminell?

Die Frage, die sich bei einem Rundgang stellt, ist, was die Fälle miteinander verbindet. Was ist kriminell? Es ist eine Abweichung und Verletzung der Norm, eine schwere Störung der Ordnung, lautet die Definition von Franz Egger. Was natürlich sofort zur Anschlussfrage führt, wer die Norm definiert und diktiert. Normen sind historisch bedingte und kulturell verschieden geprägte deliberate Anschauungsweisen über das richtige menschliche Verhalten, womit die Ausstellung in der ehemaligen Barfüsserkirche in einem kulturgeschichtlichen Rahmen situiert wird.

Was sich dabei ergibt, vielleicht überraschenderweise, ist die Tatsache, wie eng diese Normen in der Vergangenheit gesetzt waren. Eine eigene Meinung war nicht gefragt. Alles andere als das, Parieren genügt. Verstösse gegen die Religion wurden wie solche gegen die guten Sitten streng geahndet. Gegen Leben und Eigentum sowieso. Jede geringste Abweichungen war ein Vergehen.

Dementsprechend fielen die Strafen streng aus. Man könnte fast auf die Idee kommen, dass das Recht des Strafens ein unbewusster oder euphemistisch interpretierter Akt der Rache, eine legitimierte Form von Sadismus war.

Der Sinn der Strafe

Die Ausstellung befasst sich mit verschiedenen Formen der Bestrafung, unter denen die Todesstrafe einen breiten Raum einnimmt: Enthauptung, Massakrierung, Rädern, Vierteilen, Pfählen, Lebendigbegraben, Ertränken, Verbrennen – an Einfallsreichtum hat es den Menschen nie gemangelt. Gegenüber den unbeschreiblichen Martern war die Guillotine, wie Michel Foucault in seinem Buch "Überwachen und strafen" gezeigt hat, fast schon eine Humanisierung.

Auch die Folter wird thematisiert. Sie war keine Strafe im eigentlichen Sinn, sondern hatte den Zweck, dem Täter ein Geständnis abzunötigen, weil er nur dadurch verurteilt und hingerichtet werden konnte. Auf diese Weise wurde die Folter zur scheinheiligen Praxis, an deren Ende die Richter und Vollstrecker immer recht bekamen. An Folterwerkzeugen kann die Ausstellung einiges vorweisen: von Daumenschrauben bis zu Gewichtssteinen für die Streckfolter. Zimperlich waren die Menschen nie, aber selbstgerecht und brutal. Die Ordnung wurde verteidigt, aber es war immer die Ordnung der herrschenden Klasse.

Umso mehr war es ein langer Weg von der mittelalterlichen Peinigung und Körperstrafe zur modernen Freiheitsstrafe im Sinn eines Freiheitsentzugs. Damit kommt zum Ausdruck, dass Strafe niemals Rache oder Vergeltung oder Stigmatisierung sein kann, sondern die Einsicht des Täters in das Unrechtmässige seiner Handlung und Besserung zum Ziel hat.

Der tiefere Sinn der Schuld
 
Erstaunlich ist in der Ausstellung, dass auch sozialpolitische Bewegungen zu den übrigen Konflikten mit dem Gesetz gezählt werden: das Tram-sit-in 1969, die Forderung nach einem Autonomen Jugendzentrum (AJZ) 1980/81 und die Ereignisse um die Alte Stadtgärtnerei 1986/88. Wieso sie hierher geraten sind, darüber kann man nur rätseln. Soziale Bewegungen werden so kriminalisiert, aber zu Unrecht.

Vielleicht sind die Zuständigen des Museums dabei der tieferen und unbewussten Bedeutung des Begriffs der Schuld, die im Titel der Ausstellung vorkommt, erlegen. Der Mensch wird schuldig geboren, so will es die Lehre von der Erbsünde als Voraussetzung für den christlichen Erlösungsbegriff.

 

Die Erbsünde kommt in der Bibel nicht direkt vor, sie wurde erst später von Kirchenlehrern interpretiert und eingeführt. Sie beruht darauf, dass Adam und Eva vom "Baum der Erkenntnis" gegessen und sich eine eigene Meinung gebildet haben. Diese Anmassung der ersten Menschen gegen Gott muss ausgeglichen werden, wie eine Rechnung beglichen (bezahlt) werden muss, damit der ursprüngliche Unschuldszustand wiederhergestellt wird (beziehungsweise das Konto egalisiert ist). Nur eines gilt: Das Gesetz muss eingehalten werden – und dieses Gesetz ist eine Grundprämisse des menschlichen Daseins. "Wirtschaften ist der Versuch, die Urschuld abzutragen", sagt der Wirtschaftswissenschafter.

Das englische "to pay" (bezahlen) geht mit dem französischen "la paix" (der Frieden) auf den gleichen Wortursprung zurück, genau wie das englische "guilt" (Schuld) und das deutsche "Geld". Schuld ist etwas, das in uns allen viel tiefer sitzt, als wir meinen. David Graeber ist in seinem Buch "Schulden" ausführlich darauf eingegangen.

Noch eine Runde durch die Ausstellung

An diesem Punkt und mit dieser ans Tageslicht hervorgezogenen Erkenntnis sollten die Besuchenden noch einmal den Gang durch die Ausstellung antreten und sich überlegen, wieweit alles, was als Anregung und Aussage vermittelt wird, nicht einer Überlegung folgt, die über das Juristische weit hinausgeht. Denn wir tun nichts anderes, als Schuldige zu suchen, wo es geht, um die Unschuld der Gesellschaft als Ganzes zu garantieren. Es ist ein Heilsprozess.

Historisches Museum Basel: schuldig. verbrechen – strafen – menschen. Der Katalog beschreibt die 30 Fallstudien und behandelt das Thema Schuld in verschiedenen Beiträgen in verschiedenen Beiträge. Ein umfangreiches Programm begleitet die Ausstellung. www.hmb.ch

18. September 2012


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