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"Noch einige Fälle aufgedeckt": Wohnungen im Kleinbasel
Die Wohnungs-Nummer, die an keiner Hausfassade auftaucht
Dank der neuen Wohnungs-Nummer weiss der Staat bald mehr über seine Bürger und Bürgerinnen
Von Christof Wamister
Weil es keine Volkszählung der alten Art mehr gibt, vergleichen die Behörden zurzeit die Einwohnerregister mit dem Gebäude- und Wohnungsregister. Zu diesem Zweck wurde jede einzelne Wohnung mit einer Nummer versehen. Wer sich bisher dem Zugriff des Staates entziehen wollte, kann bei diesem verfeinerten Verfahren entdeckt werden.
"Kennen sie Ihre Wohnungsnummer?" – "Was ist das? Nie gehört." Wer so antwortet, gehört vermutlich zur überwältigende Mehrzahl der Bewohner von Basel und der ganzen Schweiz. In der Schweiz werden Adressen durch Strasse und Hausnummer definiert, und nicht – wie teilweise in südeuropäischen Ländern – auch noch durch die Lage und die Nummer der Wohnung innerhalb eines Hauses.
Das wird sich in der Schweiz vermutlich auch nicht ändern. Dennoch ist in der Schweiz ein bedeutender Wandel im Gang – wenigstens im administrativen Hintergrund: Im Laufe dieses und des vergangenen Jahres wurden und werden sämtliche Wohnungen in der Schweiz von Amtsstellen mit einer Wohnungs-Nummer versehen. Die dritte Wohnung von links im dritten Stock eines Miethauses trägt jetzt die interne Nummer 303; um das Logis zu identifizieren, sind allerdings Hausnummer und Strassenname weiterhin notwendig. Diese Nummer prangt aber weder auf Türschild oder Fassade noch wird sie in Adressen verwendet werden. Sie dient bürokratischen Bedürfnissen.
Bund und Kantone erfassen alle Wohnungen
Auslöser war der Beschluss, die eidgenössische Volkszählung nicht mehr in der bisherigen und umstrittenen Weise mit persönlich abgegebenen Fragebogen durchzuführen. Die statistischen Daten über die Haushalte in der Schweiz werden erstmals in diesem Jahr mit Stichtag vom 31. Dezember 2010 in einem reinen Ämterverfahren erhoben. Bei den Vorarbeiten stellte das Bundesamt für Statistik schnell einmal fest, dass Kantone und Gemeinden ihre Einwohnerregister nach unterschiedlichen Kriterien führten, so dass sie nicht exakt miteinander vergleichbar waren. Auch für das E-Government – Behördenkontakte via Internet und Mail – werden exaktere Datengrundlagen benötigt.
Also entschlossen sich die Behörden von Bund und Kantonen, eine sogenannte Registerharmonisierung durchzuführen. Seit dem 1. Januar 2008 ist das vom eidgenössischen Parlament gutgeheissene Registerharmonisierungs-Gesetz in Kraft. Es nennt unter anderem die Personendaten, die von den Behörden im Minimum erhoben werden müssen – von der neuen AHV-Nummer bis zur Konfession. Technischer Kern des neuen Verfahrens ist der eidgenössische Wohnungsidentifikator (EWID), mit dem Bewohner einer Wohnung und umgekehrt zugeordnet werden können. Dieser Identifikator macht aber eine Erfassung und Nummerierung sämtlicher Wohnungen in der Schweiz notwendig.
Problemfälle individuell überprüft
Mit dieser Aufgabe wurde in Basel die Post beauftragt, welche die Daten zu Wohnungen und Bewohnern bei Hausbesitzern und Vermietern erhob. Stockwerkeigentümer wurden teilweise direkt angeschrieben. Die Datenhoheit und damit die Verantwortung für die Zuteilung der Wohnungsnummern liegt aber beim Statistischen Amt, betont Fritz Schütz, Leiter des Einwohneramtes Basel-Stadt. Die Hauptarbeit besteht darin, das Einwohnerregister des Kantons mit dem Gebäude- und Wohnungsregister abzugleichen.
Die baselstädtische Verwaltung gab schon im Frühling bekannt, dass bei 92 Prozent der Wohnungen die Daten überprüft und ergänzt wurden; 98 Prozent der registrierten Personen konnten einer Wohnungsnummer zugeordnet werden. Probleme gibt es noch, weil nicht alle Eigentümer oder Liegenschaftsverwaltungen rechtzeitig ihre Rückmeldungen mit den Daten erstatteten. Den Problemfällen, zu denen Hauseingänge an verschiedenen Strassen oder Hinterhofgebäude mit Wohnungen gehören, muss einzeln nachgegangen werden.
Wenn Personen "zum Vorschein" kommen
Ein nicht unwichtiger Nebeneffekt ist nun auch, dass beim Durchkämmen und Vergleichen der Register auch Personen zum Vorschein kommen können, die beim Einwohneramt nicht angemeldet sind oder sich nicht abgemeldet haben.
Fritz Schütz: "Nicht angemeldete Personen können bereits jetzt eruiert werden, wenn zum Beispiel eine Liegenschaftsverwaltung den Mieterspiegel liefert und wir dann beim Abgleich mit dem Einwohnerregister feststellen, dass eine beim Vermieter gemeldete und auf eine Wohnung zugewiesene Person im Einwohnerregister nicht vorhanden ist." Es würden sicher noch einige Fälle "aufgedeckt", wenn im Rahmen des Projektes noch nicht erfasste Wohnungen zugewiesen würden oder wenn die von einzelnen Liegenschaftsverwaltungen noch nicht eingereichten Listen bei den Behörden eintreffen.
Gut ausgebaute Kontrollmöglichkeiten
Die Kontrollmöglichkeiten waren schon bisher gut ausgebaut. Sowohl im Baselbiet wie in Basel-Stadt sind die Vermieter verpflichtet, Mieterwechsel den Einwohnerämtern zu melden. Es ist somit auch nicht anzunehmen, dass durch die Registerharmonisierung viele nichtangemeldete Ausländer, sogenannte Sans-Papiers, entdeckt werden. Denn sie können wegen der erwähnten Meldepflicht nicht selber eine Wohnung mieten, sondern wohnen in Untermiete oder in irregulären Verhältnissen bei Bekannten oder Freunden, wie Marianne Kilchenmann von der Sans-Papiers-Beratungsstelle in Bern gegenüber OnlineReports erklärte.
Laut Andreas Zappalà, dem Geschäftsführer des Hauseigentümer-Verbandes Basel-Stadt, müssen Untermietverhältnisse vom Vermieter genehmigt werden, ebenso wie Neuzuzüger gemeldet werden müssen. Aber die Hausbesitzer oder Verwalter könnten nur mit häufigen Hausbesuchen kontrollieren, wer wirklich in einer Wohnung wohnt.
Hausnummer muss bekannt sein
Zwar ist das Aufdecken von illegalem Verhalten nicht der Hauptzweck der Registerharmonisierung. Aber zweifellos wird die datenmässige Erfassung der Bevölkerung noch etwas perfekter, auch wenn das ganze Prozedere den Bestimmungen des Datenschutzes untersteht. So sind laut Fritz Schütz die von der Post eruierten Daten bereits alle vernichtet worden. Und für die weitere statistische Datenbearbeitung wird das Material anonymisiert. Ausserdem werde die in der Bevölkerung noch weitgehend unbekannten Wohnungsnummern nur im Gebäude- und Wohnungsregister eingegtragen. Den anderen Amtsstellen werden sie nicht zur Verfügung gestellt.
Wer sich in Zukunft in Basel-Stadt (und anderswo) an- oder abmelden will, muss jedoch seine Wohnungsnummer kennen, respektive sie bei seinem Vermieter erfragen. Der Hauseigentümerverband möchte die Wohnungsnummern gerne in den Basler Mietvertrag integrieren. Aber darüber hätten sich die Vermieter mit dem Mieterverband noch nicht geeinigt, sagte HBV-Direktor Andreas Zappalà weiter. Bis sich der Umgang mit der Wohnungsnummer eingespielt hat, liefert diese satistisch-bürokratische Errungenschaft sicher noch Anlass für weitere Verwirrung.
14. Oktober 2010