© Foto by Denise Buser, Basel
"Klare interne Vorgaben": Stomleitungs-Reparatur in Basel
Ein Jahr mit ungewohnt häufigen Stromunterbrüchen in der Region
Schadhafte Verbindungsstücke: Die bösen Muffen lassen unsere Lichter erlöschen
Von Markus Sutter
Ungewöhnlich viele Stromausfälle in den Versorgungsgebieten vom IWB, EBL und EBM verunsicherten in den letzten Monaten die betroffenen Bewohner. OnlineReports ging den Ursachen nach. Eine spezielle Schwachstelle scheinen gewisse Verbindungsstücke zu sein, die sich nicht als genug hitzeresistent erwiesen.
Zuerst war da nur ein Flackern der Lampe im Badezimmer. Doch wie von Geisterhand gesteuert, übertrug sich dieses Flackern dann mit Ausnahme der Küche auf alle Glühbirnen im Haus. Und wie zur Krönung leuchteten gleichzeitig noch die Displays von Telefon und Handy. Für ein paar Sekunden erhellten sie das Wohnzimmer, bevor es überall dunkel wurde.
Nach einem unruhigen, kurzen Schlaf und der latent vorhandenen Angst vor einem Kabelbrand klingelte es um vier Uhr morgens an meinem Wohnort in der Basler Hermann Albrecht-Strasse im Hirzbrunnenquartier.
Vor der Türe standen zwei etwas müde dreinblickende Herren von den Industriellen Werken Basel (IWB) und teilten mit, dass die ganze Strasse von einem Stromunterbruch betroffen sei. Aus Sicherheitsgründen müssten sie in allen angeschlossenen Liegenschaften die Sicherungen herausnehmen. Wenn die Bewohner dieser nur aus Einfamilienhäusern bestehenden Strasse nicht anwesend waren oder sich nicht wecken liessen, verschaffte sich die Polizei mit Gewalt Zutritt.
Zahlreiche Stromunterbrüche
Der breiten Öffentlichkeit wurde die Panne – die nach rund 15 Stunden behoben werden konnte – nicht gemeldet. "Die IWB haben klare interne Vorgaben, in welchen Störungsfällen eine Medienmitteilung gemacht wird. Die Voraussetzungen hierfür wie Anzahl betroffener Kunden oder besondere Situation vor Ort waren im vorliegenden Fall nicht gegeben", sagte Mediensprecher Erik Rummer gegenüber OnlineReports. Die persönlich betroffenen Bewohner wurden aber am Tag der Störung direkt und am Tag danach noch brieflich über die Ursache informiert.
Neben dem beschriebenen Fall im Hirzbrunnenquartier registrierte die Elektra Birseck Münchenstein (EBM) gleichentags einen Stromausfall in Allschwil, den bereits vierten innerhalb weniger Wochen. Auch in Dornach, Aesch, Reinach, Liestal sowie in mehreren Gemeinden im Bezirk Sissach gingen in den vergangenen zwei Monaten irgendwann für kurze Zeit, von wenigen Minuten bis zu mehreren Stunden, die Lichter aus. In Basel waren Mitte August zudem das Bruderholz und Teile des Gundeldinger-Quartiers von einem rund einstündigen Stromunterbruch betroffen.
Handelt es sich um eine zufällige Kumulation und um ein Randproblem? Oder vernachlässigen die Gesellschaften gar den Netzunterhalt? Ist das Wetter schuld?
Ein "schlechterer Jahrgang"
Eine beruhigende Nachricht zuerst: Sowohl im nationalen und erst recht im internationalen Vergleich bezüglich Stromversorgungs-Sicherheit stehen IWB, EBM, und die Elektra Baselland (EBL) nach wie vor sehr gut da. Ein Indiz dafür liefert der Index SAIDI (System Average Interruption Duration Index), der als Qualitätsmassstab in der Branche als aussagekräftig anerkannt wird.
Bei IWB lag der SAIDI im Jahre 2014 bei 4,47. Das heisst, ein Kunde der IWB hatte 2014 im Durchschnittt pro Jahr einen ungeplanten Stromunterbruch von insgesamt 4,47 Minuten zu beklagen. Für 2015 gibt das Unternehmen noch keine Zahl bekannt. Sie dürfte aber höher liegen, wie Erik Rummer schätzt, und zwar allein wegen eines einzigen Grossereignisses: Bei einem Stromausfall auf dem Bruderholz wegen eines Trafo-Problems waren rund 14'000 Personen betroffen.
Die EBM weist für 2014 einen SAIDI von 3,88 aus. Für die Periode vom Januar bis September dieses Jahres gibt Sprecher Joachim Krebs einen deutlich höheren Wert von 8,3 bekannt. Krebs räumt ein, dass 2015 "bisher sicher ein schlechteres Jahr" war. Im Vergleich zu den Werten "Schweiz" oder "Ausland" liege die EBM "deutlich unter dem Durchschnitt".
Nur Deutschland ist zuverlässiger
In der Tat wird die Schweiz bezüglich Versorgungssicherheit beim Strom im europäischen Vergleich nur noch von Deutschland knapp überflügelt. Gemäss dem aktuellsten Stromversorgungs-Sicherheitsbericht der Eidgenössischen Elektrizitätskommission von 2013 lag der Ausfall im schweizerischen Mittel bei 25 Minuten pro Kunde und Jahr, in Ländern wie Italien oder Frankreich dagegen bei bis zu einer Stunde.
Die durchschnittliche Zeit, in der EBL-Kunden keinen Strom beziehen konnten, summierte sich im Jahr 2014 auf 18 Minuten und in den ersten neun Monaten dieses Jahres auf 17 Minuten, wie von Marketingleiterin Madeleine von Arx zu erfahren ist. Auch sie verweist auf die sehr guten Vergleichszahlen und spricht von einer "extrem hohen Verfügbarkeit von 99.997 Prozent".
Bis Ende Juli 2015 habe die EBL keine Ausfälle zu beklagen gehabt. "Hingegen hatte die langanhaltende Hitzewelle zur Folge, dass Stromkabel-Verbindungen (Muffen) Defekte aufwiesen und es aus diesem Grund in Teilen des EBL-Gebietes zu Stromausfällen kam." Sobald ein Stör-Potenzial erkennbar sei, würden die Kabelverbindungen ersetzt.
Muffen sind die Hot Spots
Als Pannenursachen werden von IWB, EBM sowie EBL meistens Kurzschlüsse, defekte Kabelabschnitte und als Schadenstellen die bereits erwähnten Muffen genannt. Dabei handelt es sich um die Verbindungsstücke, die die Kabelabschnitte zusammenhalten.
Für den stellvertretenden EBL-CEO Beat Andrist sind die zu wenig hitzebeständigen Muffen der Hauptgrund für zahlreiche Stromausfälle in diesem Jahr. Er ist seit 25 Jahren im Geschäft und überzeugt davon, dass die Versorgungssicherheit in diesem Zeitraum sicher zugenommen habe.
Nach Angaben von EBM-Sprecher Joachim Krebs wurden die schadenanfälligen Muffen vor allem bei der Neuerschliessung von Quartieren benötigt. In Allschwil seien denn auch in drei von vier Stromunterbrüchen der jüngsten Zeit fehleranfällige, vorzeitig gealterte Muffen die Ursache für die Pannen gewesen. Noch im Laufe dieses Monats soll mit der Herstellerfirma Kontakt aufgenommen werden, um dem Problem auf den Grund zu gehen. Die Muffen würden bis im Jahr 2017 ausgewechselt und durch neue ersetzt. Krebs rechnet mit Kosten von rund 2,5 Millionen Franken.
Zuverlässige Versorgung ist Hauptanliegen
Dass die Stromunterbrüche etwas mit der steigenden Anzahl von Kleinstrom-Anbietern zu tun haben könnten, verneint Erik Rummer von den IWB: "Es besteht kein Zusammenhang zwischen den Unterbrüchen und dem Ausbau von dezentralen Stromproduktionen." Die IWB klären noch vor dem Baubeginn solcher Anlagen frühzeitig ab, ob das Netz wegen neuer Produktionsanlagen lokal verstärkt werden müsse. Ebensowenig habe eine steigende Strom-Nachfrage der Verbraucher Auswirkungen auf die Versorgungsqualität.
Allen Stromanbietern ist es ein grosses Anliegen, Schäden unverzüglich zu beheben und eine zuverlässige Energieversorgung auch in Zukunft garantieren zu können. Das wird in Communiqués nach einem Stromausfall immer wieder betont. Trotz Millionen-Investitionen in die Erneuerung und Modernisierung der Netze liessen sich Stromunterbrüche aber nie ganz vermeiden. "Auf Kosten der Kunden zu sparen, ist aber schon aufgrund der geltenden gesetzlichen Regelungen gar nicht möglich", so Rummer.
Versorger für Schäden nicht haftbar
Eine Garantie für ein störungsfreies Netzwerk gibt es nicht. Die Versorgungs-Unternehmen könnten deshalb bei allfällig aufgetretenen Schäden an Apparaten nicht haftbar gemacht werden. Es sei denn, es liege ein Manipulationsfehler beim Personal vor.
In der Hermann Albrecht-Strasse herrscht derweil wieder courant normal. Nur die drei nach wie vor offenen Baustellen auf dem Trottoir zeugen von einer speziellen Nacht.
Diese Recherche war dank des OnlineReports-Recherchierfonds möglich.
12. Oktober 2015