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"Alles gesagt": Angeklagter Zäch bei Betreten des Gerichtsgebäudes
Vor Gericht verweigert der Paraplegiker-Arzt die Aussage
Zu Beginn der Berufungsverhandlung über das "System Zäch" wurde einiges deutlich und blieb vieles unklar
Von Peter Knechtli
Überraschung zum Auftakt der Berufungsverhandlung gegen den Schweizer Paraplegiker-Schirmherr Guido Zäch heute Dienstagmorgen vor dem Basler Appellationsgericht: Zäch kündigte an, seine Aussagen im ganzen Prozess zu verweigern. Statt dessen verlas er eine persönliche Erklärung. Keinen Parteistatus gewährte das Gericht der Paraplegiker-Stiftung und ihrer Gönnervereinigung.
Wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung war Zäch im Juli 2003 vom Basler Strafgericht zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Nicht verurteilt wurde Zäch wegen Veruntreuung, nachdem er sich Spendengelder auch auf sein privates Konto habe umleiten lassen. Sowohl der Angeklagte wie die Staatsanwältin Kathrin Villiger appellierten gegen das Urteil. In den Bauprojekten Herisau und Dornach (Hotel "Engel") sowie für den Villen-Deal in Zofingen und für die von Zäch auf seinem privaten Konto "parkierten" Spendengelder in Höhe von 400'000 Franken forderte die Staatsanwältin vor Appellationsgericht eine Bestrafung wegen Veruntreuung, was die Vorinstanz fallen gelassen hatte.
Keine neuen Parteien - keine Vertagung
Zu Beginn der auf vier Tage angesetzten Berufungsverhandlung stellten die Anwälte der Schweizer Paraplegiker-Stiftung (Rudolf Schaub) und ihrer Gönnervereinigung (Ludwig Schmid) den Antrag, als Partei und mit Akteneinsicht in das Verfahren einbezogen zu werden, um allenfalls auch zivilrechtliche Forderungen gegenüber Zäch geltend zu machen. Insbesondere der Stiftungsvertreter holte dabei zu einer Schelte gegen die Staatsanwaltschaft und das Strafgericht als Vorinstanz aus: Sie hätten dadurch in "schwerwiegender Weise" die Strafprozessordnung verletzt. Zudem habe der Zäch von der Anklägerin vorgeworfene Schadensbetrag von gegen 62 Millionen Franken "Luftschloss-Charakter", die von der Vorinstanz anerkannten 29 Millionen Franken seien ein "Fantasiebetrag".
Das Gericht lehnte die Forderungen nach kurzer Beratung ab: Die Anträge komme zu spät - so die Begründung durch Gerichtspräsident Eugen Fischer - und überdies seien Stiftung und Gönnervereinigung über das Strafverfahren im Bild gewesen, da der angeschuldigte frühere Chefarzt Guido Zäch damals in beiden Institutionen als Präsident firmiert habe. Grund der Anträge sei einzig, so Fischers Interpretation, "sich schützend vor den Präsidenten zu stellen". Der Gerichtsvorsitzende erinnerte die Antragsteller daran, dass es Exponenten aus der Stiftung waren, die in Zeitungsartikeln behauptet hatten, sie habe "keinerlei Schaden erlitten".
Vor Gericht schweigt Zäch
Als der Vorsitzende nun vor voll besetzten Gerichtssaal zur Befragung Zächs schreiten wollte, verlas der Angeklagte, ohne auf die Frage einzugehen, eine persönliche Erklärung mit dem Hinweis, dass er an dieser Verhandlung - was sein Recht ist - keine Aussagen mehr machen werde: "Was ich zu sagen hatte, habe ich gesagt." In der Erklärung beteuerte er wiederholt, er habe sich keiner straf- oder stiftungsrechtlichen Verfehlungen schuldig gemacht, er sei seit sechs Jahren einer "nicht mehr länger auszuhaltenden Zusatzbelastung ausgesetzt". Er sei "öffentlich vorverurteilt" worden und erwarte jetzt einen "Freispruch in sämtlichen Anklagepunkten".
In diesem Prozess, so wurde am ersten Verhandlungstag deutlich, haben es Zäch und seine beiden Verteidiger mit einem Gericht zu tun, das genau hinhört, präzise fragt und nachhakt, sich einmal einen heiteren Scherz erlaubt und stringent versucht, am Kern des Themas zu bleiben.
Keine Protokolle in der Gönnervereinigung
Deutlich wurde aber auch, dass der Gründer des Paraplegikerzentrums in Nottwil mit seiner über lange Zeit nahezu uneingeschränkten Machtfülle in seinem Konzern-Konglomerat ein "System Zäch" von nicht nur selbstlos begründeter Einsatzbereitschaft, Abhängigkeit und Intransparenz aufgebaut hatte. So hielt die Gönnervereinigung, der Zäch zusammen mit seiner Assistentin Silvia Buscher und Elisabeth Ramer vorstand, keine ordentlichen Vorstandssitzungen ab; viel mehr wurden die Geschäfte ad hoc besprochen. Und vor allem: Obschon es die Vereinigung schon früh mit zweistelligen Spendenmillionen und Investitionen in ähnlicher Höhe zu tun hatte, existieren von den Vorstandssitzungen keine Protokolle, auch keine Beschlussprotokolle.
Nicht einmal über die schon in den achtziger Jahren beschlossene saftige und nie öffentlich kommunizierte Provision Zächs in Höhe von fünf Promillen der Gesamteinnahmen von Gönnervereinigung und Stiftung existiert ein schriftliches Dokument. Formell wurde der Stiftungsrat über den Beschluss nicht umgehend schriftlich informiert. Zächs fachlich unbestrittenes Werk zeigt die Züge einer Geld-Maschine auch in eigener Sache. Verteidiger Rüdy erklärte gegenüber SF DRS, Zäch (70) beziehe auch heute noch 260'000 Franken Provision pro Jahr.
Für Einsatz reichlich entschädigt
Gleichzeitig konnten sich beide Zeuginnen über mangelnde Unterstützung durch die Paraplegiker-Institutionen nicht beklagen: Silvia Buscher, gelernte medizinisch-biologische Laborantin, bezog zwischen 1990 und 1999 Löhne von gegen zwei Millionen Franken, Spesen und Autoersatz inbegriffen. Elisabeth Ramer anderseits betrieb eine Marketingfirma, die laut der Staatsanwaltschaft während 14 Jahren von der Stiftung als einziger Auftraggeberin lebte.
Bei der Befragung der beiden Zeuginnen wurde auch das Kräfteungleichgewicht zwischen Buscher/Zäch und Ramer erkennbar: Während Zächs rechts Hand Buscher standhaft zu ihrem Chef hielt ("Wir wurden überhaupt nicht von Zäch dominiert, wir sind so starke Persönlichkeiten"), zeichnete Ramer ein etwas anderes Bild: "Zäch hatte die Idee, und wir versuchten, sie zu verwirklichen." Einmal - bei einem Millionengeschäft mit Zächs Bruder Erwin in Herisau - veranlasste Elisabeth Ramer eine Krisensitzung in Olten. Unter anderem daraus wird Kompetenz-Verwischung ersichtlich - als sei der Gönnerverein ein Geschäftszweig der Stiftung: Die Krisensitzung bestand aus dem Kern des Stiftungsrates, obschon "Herisau" ein Projekt der Gönnervereinigung war.
Zofinger Villen-Deal und Privat-Spende
Die Aussagen der beiden Zeuginnen lassen den Schluss zu, dass ihnen die eigene Kompetenz zur Beurteilung millionenschwerer Investitionsprojekte fehlte, und dass sie weit gehend auf den Ratschlag externer Fachleute angewiesen waren. "Das hat mich nicht interessiert" (schriftliche Fixierung der Promille-Provision) oder "ich wollte es nicht wissen, ich habe nicht einmal nachgerechnet" (Gehalts-Höhe Zäch) bekundete Elisabeth Ramer Blauäugigkeit: Der Chef wirds schon richten. Dass - möglicherweise angesichts der hohen Spendeneinnahmen - bei Immobilienprojekten viel mehr pragmatisch als konzeptionell und reditemässig kalkulierend investiert wurde, zeigte sich beim Kauf und Umbau des Hotels "Engel" in Dornach.
Ungeklärt blieben am ersten Verhandlungstag die näheren Umstände des umstrittenen Kaufs und der Renovation einer Villa in Zofingen durch die Gönnervereinigung zum Preis von 4,3 Millionen Franken, die später zum Vorzugspreis von 1,8 Millionen Franken an Zäch und seine Ehefrau verkauft wurde. Dubios blieb auch eine - fallweise auch als "Darlehen" deklarierte - Spende von Silvia Buscher an die Guido A. Zäch-Stiftung über 100'000 Franken, die Zäch zurückwies und später offenbar doch annahm.
Stiftungsrätin Göhner wollte Bau-Auftrag
Dass im Stiftungsrat auch ums Zuschanzen profitabler Aufträge gerungen wurde, zeigte sich an einem Beispiel, in den der damalige Migros-Boss und Stiftungsrat Pierre Arnold sich darüber ärgerte, dass die Baufirma der mittlerweile verstorbenen ehemaligen Stiftungsrätin Silvia Göhner bei einem Bauprojekt den Auftrag nicht erhielt. Zeugin Ramer: "Arnold sagte, Göhner baue auch für Migros." Wie passend wäre da scheinbar gewesen, wenn Göhner auch für den Paraplegiker-Konzern gebaut hätte.
Zächs Verteidigung - Vera Delnon und Berhard Rüdy - zeigte sich hartnäckig und mit neuer Strategie: Verjährung geltend machen, wie es ein von ihnen in Auftrag gegebenes Papier von Strafrechtsprofessor Franz Ricklin vorzeichnet. Das Urteil wird auf Donnerstag oder Freitag erwartet.
18. Oktober 2005
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