Werbung

Claude Bühler – Premiere am Theater Basel

<< [ 1 | (...) | 101 | 102 | 103 | 104 | 105 | 106 | 107 | 108 | 109 | 110 | (...) | 180 ] >>

Theater Basel, Schauspielhaus
Schweizer Uraufführung
 
"Moses"
Ein Mash-up-Musical nach dem alten Testament
 
Koproduktion mit dem Volkstheater München
 
Regie und Bühne: Simon Solberg
Video: Josha Sliwinski
Dramaturgie: Kilian Engels
 
Mit Johannes Schäfer, Max Wagner, Paul Grill, Joanna Kapsch, Jean-Luc Bubert


Moses auf dem Müllberg

Jungregisseur Simon Solberg inszeniert den Müllberg als etwas Sakrales. Nicht bloss ein Haufen! Wie ein riesiges Renaissance-Altarbild mit fünf Tafeln, die sich gegen die Mitte in die Höhe staffeln, prangen uns meterhohe Müll-Wände entgegen. An ihnen hängt das Relief des Chaos aus Pneus, abgerissenen Alu-Gardinen, Schaumgummi-Stücken, Blechbüchsen. Wie ein düsterer Weihrauch umflort stickiger, weisser Rauch das nature-morte-Bild unserer eitlen Welt. Es sagt zu uns: "Da habt Ihrs, woran Ihr glaubt". Ein Vorwurf; das Programm des Abends.

In den Wänden tummeln sich Müll-Jugendliche in putzigem, schwarzen Mad-Max- und Sponti-Look, und die finden darin, ei, eine blitzsaubere Bibel, und, eieiei, ausgerechnet die Stelle im Alten Testament, wo Moses sein Volk aus der Unterdrückung in Ägypten wegführt ins gelobte Land. Das Spiel beginnt. Es geht zu wie im Clownkurs, in dem man eine Spielkiste hinstellt: Der Müllberg wird zur Requisitenhalde, ein Streifen Plastik zum Nil, ein silberner Belüftigsschlauch zur wuchtigen Kette des Pharaos. Mit einer Container-Karawane zieht Gottes Volk unter Ächzen und mit lautstark vorgebrachten Zweifeln von links nach rechts, von hinten nach vorne über die Bühne. Aus den abgerissenen Klamotten zaubern die Spieler flugs teure Funkmikrophone hervor, um ihre Anklage rappend ins Publikum zu stossen.

Die Hebräer als unsere Randständige, als unsere Ausländer in einem fremden Regime, als unsere Arbeitssklaven, die unsere (Kapitalismus-)Pyramiden bauen: Es ist das Staunenswerte des Abends, wie es Solberg gelingt, die Sorgen der Hebräer nahtlos ins Heute zu ziehen. Die schwarze Hiphop-Mütze von Johannes Schäfers Mose wird zum hohen Hut des Rechtschaffenen, dem es gegeben ist, dem Pharao die Stirn zu bieten und ihm den Auszug seines Volkes abzuringen. Und wenn ihm der Pharao entgegenschleudert: Du wirst mit Deinem Volk Krieg führen, Du wirst eine Mauer bauen müssen, um dich vor den Leuten zu schützen, die du vorher vertrieben hast, so weiss jeder gleich, was gemeint ist. Und es ist nicht mal aufgesetzt.

Ganz so ernst will es aber Solberg nicht dargestellt haben. Alle zehn Sekunden setzt er einen neuen Gag, das Ensemble ergeht sich in Clownerien. Der Ägypter (Bubert), den Moses erschlägt, stirbt in theatralischen Zusammenbrüchen den längsten Tod, und Moses zappelt und zuckt bei seinen göttlichen Eingebungen. Der Hebräer Eilaf sorgt mit penetrantem Sächseln in der Wüste für Lacher. Blut wird als Konfetti gekotzt und geschissen. Paul Grills Pharao gibt sich als verhätschelter, exaltierter Superstar, die Pharaonentochter (Kapsch) als aufgedonnertes Rap-Girlie.

Der Gottvater (Wagner) ist als bekiffter Opa-Hippie stilisiert. Die Zehn Gebote performt er als Showmaster und Hit-Shouter in einer Ratespielshow unter kreisenden Suchscheinwerfern und akustischer Droh- und Spannungskulisse. Welches Gebot meint er wohl mit M.I.A.’s "Paperplanes"? Richtig, Du sollst nicht stehlen. Was soll Eminems "Cleaning out my closet"? Du sollst Vater und Mutter ehren. Und "Killing me softly" erklärt sich im Titel.

Es ist eine riesige Track-List, mit der Solberg seinen 90-minütigen Musical-Revue-Abend stopft, von Arvo Pärt bis The Prodigy, von "The Final Countdown" bis "Pferd aus Glas" von Deichkind, von Rammstein bis Lionel Richie. Und über die Übergänge helfen die Electronica-Anarchos "Justice" mit den Wummerbeats von "Stress" – der Songtitel stimmt.

Nur: Wenn das Volk durchs Rote Meer ist, etwa ab der Mitte, helfen der Dezibel-Terror, die Blitzgewitter und Rauchmaschinen, die Video-Exzesse mit marschierenden Soldaten und Heuschreckenschwärmen und nichts mehr gegen das Gefühl von Flaute. Das Volk in der Wüste jammert, zweifelt nur mehr an der Existenz von Moses Gott. Und Moses ist im Profil eines zum Glauben Gezwungenen gefangen, der unter der Last der Verantwortung alles verbannt, was die Mission gefährden könnte. Da passiert nichts mehr im Gefüge. Déjà-vus fallen auf: Spielshow-Persiflagen und Gott-Hippie-Parodien sind nun mal schon seit mindestens vierzig Jahren Mainstream.

Der Abend leidet unter dem, was Solberg mit hundert Gags, Brüchen und Slapstick verhindern wollte: Humorlosigkeit. Wenn Gott-Moderator das Töten-Gebot vorstellt und die Engel dazu die Firmenschilder von Waffenproduzenten umhängen, so mag es kitzeln, aber der Mutwille würgt die Ironie ab. Gewisse deutsche Betroffenheits-Raps der Sponti-Jugendlichen klingen wie Xavier-Naidoo-Schwulst. Verpasst wurde die Chance, über die Bruchstelle zu lachen, dass sie, die auf dem Kapitalismus-Müllberg leben, auf einmal um das goldene Kalb tanzen. Und fragt einer treuherzig am Ende: Haben wir nicht die ägyptischen Sklavenhalter gegen einen Dienstherren im Himmel eingetauscht, so zeigt dies das Dilemma des Abends, der zuviel wollte mit Kritik an Kapitalismus, Führerkult, Migrationspolitik, Ernährungsauswüchsen etc.. Der anfangs alles ironisch nimmt und am Ende alles ernst gemeint haben wollte.

14. Dezember 2012
 Ihre Meinung zu dieser Kolumne
(Mails ohne kompletten Absender werden nicht bearbeitet)
Claude Bühler, ist Journalist und Schauspieler in Basel. Er arbeitete erst als Freier Journalist bei Printmedien sowie als Medienverantwortlicher von act entertainment. Lange Jahre war er Redaktor und Produzent bei Telebasel. Heute arbeitet er als Redaktor bei "Prime News". Als Schauspieler war er in verschiedenen Regie-Arbeiten der Basler Schauspielerin und Regisseurin Ingeborg Brun sehen, beispielsweise als Jean in "Fräulein Julie" (A. Strindberg), aber auch als Professor Siebegscheit im Märli "Froschkönig" des Theater Fauteuil oder als Lucky in "Warten auf Godot" (S. Beckett) des Theater Marat Sade. © Foto by OnlineReports.ch

Claude.Buehler@gmx.net

(Die Kolumnisten sind in ihrer Meinung frei;
sie braucht sich nicht mit jener der Redaktion zu decken.)

www.onlinereports.ch
© Das Copyright sämtlicher auf dem Portal www.onlinereports.ch enthaltenen multimedialer Inhalte (Text, Bild, Audio, Video) liegt bei der OnlineReports GmbH sowie bei den Autorinnen und Autoren. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Veröffentlichungen jeder Art nur gegen Honorar und mit schriftlichem Einverständnis der Redaktion von OnlineReports.ch.

Die Redaktion bedingt hiermit jegliche Verantwortung und Haftung für Werbe-Banner oder andere Beiträge von Dritten oder einzelnen Autoren ab, die eigenen Beiträge, wenn auch mit Zustimmung der Redaktion, auf der Plattform von OnlineReports publizieren. OnlineReports bemüht sich nach bestem Wissen und Gewissen darum, Urheber- und andere Rechte von Dritten durch ihre Publikationen nicht zu verletzen. Wer dennoch eine Verletzung derartiger Rechte auf OnlineReports feststellt, wird gebeten, die Redaktion umgehend zu informieren, damit die beanstandeten Inhalte unverzüglich entfernt werden können.

 

https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif
"Bais steht vor Gewissens-Entscheid"

OnlineReports.ch
Im Titel des Newsletter-Textes vom 18. April 2024 über die SVP-Basis.
https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif

Auch Nomen sind Glückssache.

RückSpiegel

 

Das Regionaljournal Basel veweistin einem Beitrag über die Probleme der Kitas im Baselbiet auf OnlineReports.

Der Klein Report nimmt die Recherche von OnlineReports über Roger Blums Buch über die Basellandschaftliche Zeitung auf.

Die BaZ bezieht sich in einem Artikel über die Zerwürfnisse in der Baselbieter SVP auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Kita-Krise im Baselbiet auf OnlineReports.

BaZ, Baseljetzt und Happy Radio nehmen die OnlineReports-News über das geplante Ministertreffen in Basel auf.

Der Sonntagsblick zitiert OnlineReports in einer grossen Recherche über die Baselbieter SVP-Politikerin Sarah Regez.

Baseljetzt verweist im Bericht über Basler Schiffsunfälle auf ein OnlineReports-Video.

Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.
 

Weitere RückSpiegel

Werbung







In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).