Werbung

Claude Bühler – Premiere am Theater Basel

<< [ 1 | (...) | 81 | 82 | 83 | 84 | 85 | 86 | 87 | 88 | 89 | 90 | (...) | 180 ] >>

Theater Basel, Schauspielhaus
Premiere
 
"Die Wildente"
 
Autor: Henrik Ibsen
Regie: Amélie Niermeyer
Dramaturgie: Martin Wigger
Bühne: Nikolaus Porz
Illustrationen: Franziska Nyffeler
Musik: Fabian Kalker
Kostüme: Annelies Vanlaere
Licht: Cornelius Hunziker
 
Mit Andrea Bettini, Inga Eickemeier, Martin Hug, Dieter Mann, Florian Müller-Morungen, Elisa Plüss, Christiane Rossbach, Götz Schulte


Alle sind angeschossen

"Berührend", meinte eine Zuschauerin zu ihrem Begleiter nach dem kräftigen, ja teilweise donnernden Schlussapplaus. Im Schlussbild hatte der alte Ekdal (Bettini) auf der Bühne gestanden, die Augen erfüllt von Entsetzen und Tränen, leise einen Marsch zwischen den Lippen hervorpaffend. Der Stillhaltemodus, wenn etwas zu Schreckliches geschehen ist. Eben hatte sich seine Enkelin, die 14-jährige Hedvig Ekdal (Plüss), erschossen.
 
Warum? Eine Vielzahl von Gründen. Der Wichtigste: Ihre Welt ist zerstört, in deren Trümmern gibt es kein Platz mehr für sie – so jedenfalls die Deutung, die auf der Bühne des Basler Schauspielhauses ausgebreitet wird. Diese Welt besteht aus dem, was Hedvig mit zwei Overhead-Projektoren gleissend auf weisse Stellwände wirft: Gezeichnete Räume, in die das Mädchen Lampen malt, das Fotoatelier der Familie etwa oder deren Küche. Oder die Bodenkammer: Zwischen alten Weihnachtsbäumen hält der alte Ekdal Kaninchen, Hühner und eine Wildente. Hedvigs Wildente: Der örtliche Grosshändler Werle (Mann) hatte sie einst angeschossen, Hedvig hatte sie gepflegt.
 
Und sie besteht aus dem lebensuntüchtigen Vater Hjalmar (Hug), der sich für einen Erfinder hält und um den man sich kümmern kann, aus der stillen, aber nervösen Mutter Gina (Eickemeier), die das schlecht gehende Fotoatelier der Familie führt. Eifrig hält Hedvig die ungleichen Eltern zusammen, die ausser dem Schicksal und einer gegenseitigen Dankbarkeit wohl nichts zusammen hält. Denn man lebt ja ärmlich. Fast schon trotzig singt das Trio "Davids Song" der Kelly Family, ist mal die Harmonie bedroht.
 
In diese Welt war nun ein Fremdkörper eingedrungen: Gregers Werle (Schulte), Sohn des Grosshändlers Werle. Der hasst seinen Vater und geht auf Kreuzzug: Er will seinem Jugendfreund, dem Vater Hedwigs, Hjalmar, die "Wahrheit" sagen. Dass nämlich sein Vater, der Grosshändler, mit Hjalmars Frau Gina vor der Ehe eine Affäre gehabt haben könnte. Dass der Grosshändler Hedvigs Vater sein könnte. Dass der Grosshändler ihm wohl deshalb die Heirat ermöglicht und sein Atelier finanziert habe. Als Gina zugibt, dem Drängen des Grosshändlers nachgegeben zu haben, verliert Hjalmar den Boden unter den Füssen, will sich von seiner Familie trennen.
 
So, und nun könnte man darüber streiten, ob die Wahrheit dem Menschen nicht zumutbar sei. In seinem Schauspiel von 1884 setzt Ibsen den Leser konsequent zwischen Stuhl und Bank: Zwischen Gregers atemberaubender Selbstgefälligkeit, für die Familie Ekdal eine wahrheitsgemässe "Lebensgrundlage" schaffen zu wollen, und dem Zynismus des Arztes Relling (Müller-Morungen), der Hjalmar als einen selbstmitleidigen Schwächling verachtet und die Leute in ihren Lebenslügen bestärkt.
 
Aber in der Regie von Amélie Niermeyer werden keine Fragen aufgeworfen sondern ein Untergang szenisch gestaltet. Gregers wird nicht so quasi selbstgewiss gezeichnet, dass man sich über dessen protestantisch gefärbten Gerechtigskeitswahn empören könnte. Der Mann – er tritt im Smoking barfuss auf und verliert nach und nach Jackett und Hemd – ist ein Opfer, ein getriebener Gestörter, genau so lebensunfähig wie Hjalmar, der sich nun aber an der Lebenslüge eines neu entdeckten Lebenssinnes aufrecht erhält.
 
Man sieht es von Beginn weg, alle sind sie Angeschossene: nicht nur die Wildente sondern auch Gregers, die eifrige Hedvig, der beschränkte Hjalmar, Gina im zu kurzen Leopardenkleidchen (Kostüme: Annelies Vanlaere), die so vom Leben abgeschabt wirkt, als hätte sie sich prostituiert. Oder der debile, gelegentlich polternde, alte Ekdal, der vom alten Werle bei einer ungeklärten Justiz-Affäre wohl geopfert wurde. Bettini zeigt ihn nicht als verschüchterten Alten, sondern als bipolar Gestörten.
 
Der einzige Gesunde und Vernünftige ist ausgerechnet der Grosshändler und dessen Verlobte, Frau Sorby (recht derb, Rossbach). Diese haben auch Gregers Ideal wahrgemacht und sich das ganze Vorleben bereits mitgeteilt. Wäre das die ganze Lehre: Den reichen Egoisten geht es gut und die Geschwächten sind zu schwach?
 
Das Problem ist, dass wir die Schwäche zu wenig kennen lernen. Die Hauptfiguren Hedvik, Hjalmer und Gina sind – bei allem virtuosen Handwerk Eickemeiers, bei aller Präsenz Hugs, bei aller Kreativität Plüss' – zu eindimensional, zu farcenhaft gezeichnet. Die Schwelle zum Losschreien liegt tief. Das verringert die Intensität. Da entfällt die Spannung, ob man mit ihnen etwas zu tun haben könnte. Anders: Man kann sich über einen Hjalmar nicht aufregen, wenn er Hedvig grob von sich stösst. Man hat Mitleid mit ihr, aber es ergreift einen nicht.
 
Hedvig ist der Fokus einer straff geführten Show, die nach Uhrwerk das Drama durchtickt. Niermeyer beweist souveränes Gestaltungs-Handwerk. Sie plaziert bewusst leise Dialoge im Wechsel zu betont groben und lauten Ensembleszenen, verengt mit Stellwänden den Raum wenn sich das Drama zuspitzt, weitet sie danach wieder. Genauso verfährt sie mit dem Licht: mal grell, mal düster. Nichts ist ungefähr: Zu jedem Auftritt fällt ihr ein neuer Dreh ein. Sie streut Lieder ein oder unterhält das Publikum mit den Zeichentrick-Animationen Franziska Nyffelers, in denen die Hasen hoppeln (Bodenkammer) oder Hjalmar in der Küche eine Schale zerbricht.
 
Insofern: Saftiger Theaterabend, dem das Publikum gebannt folgte. Aber der Stil steht den Tiefen Ibsens entgegen.

18. Januar 2015
 Ihre Meinung zu dieser Kolumne
(Mails ohne kompletten Absender werden nicht bearbeitet)
Claude Bühler, ist Journalist und Schauspieler in Basel. Er arbeitete erst als Freier Journalist bei Printmedien sowie als Medienverantwortlicher von act entertainment. Lange Jahre war er Redaktor und Produzent bei Telebasel. Heute arbeitet er als Redaktor bei "Prime News". Als Schauspieler war er in verschiedenen Regie-Arbeiten der Basler Schauspielerin und Regisseurin Ingeborg Brun sehen, beispielsweise als Jean in "Fräulein Julie" (A. Strindberg), aber auch als Professor Siebegscheit im Märli "Froschkönig" des Theater Fauteuil oder als Lucky in "Warten auf Godot" (S. Beckett) des Theater Marat Sade. © Foto by OnlineReports.ch

Claude.Buehler@gmx.net

(Die Kolumnisten sind in ihrer Meinung frei;
sie braucht sich nicht mit jener der Redaktion zu decken.)

www.onlinereports.ch
© Das Copyright sämtlicher auf dem Portal www.onlinereports.ch enthaltenen multimedialer Inhalte (Text, Bild, Audio, Video) liegt bei der OnlineReports GmbH sowie bei den Autorinnen und Autoren. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Veröffentlichungen jeder Art nur gegen Honorar und mit schriftlichem Einverständnis der Redaktion von OnlineReports.ch.

Die Redaktion bedingt hiermit jegliche Verantwortung und Haftung für Werbe-Banner oder andere Beiträge von Dritten oder einzelnen Autoren ab, die eigenen Beiträge, wenn auch mit Zustimmung der Redaktion, auf der Plattform von OnlineReports publizieren. OnlineReports bemüht sich nach bestem Wissen und Gewissen darum, Urheber- und andere Rechte von Dritten durch ihre Publikationen nicht zu verletzen. Wer dennoch eine Verletzung derartiger Rechte auf OnlineReports feststellt, wird gebeten, die Redaktion umgehend zu informieren, damit die beanstandeten Inhalte unverzüglich entfernt werden können.

 

https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif
"Der neue Eingang zum Birsigparkplatz wird der Ersatzneubau des Heuwaage-Hochhauses bilden."

bz
vom 26. März 2024
https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif

Wer bildet was oder wen?

RückSpiegel


Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

persoenlich.com und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports die Personalrochade bei Prime News.

Die Volksstimme schreibt über die Wahl von Claudio Miozzari zum Grossratspräsidenten von Basel-Stadt und zitiert dabei OnlineReports.

In einem Artikel über die Leerstandsquote bei Büroflächen in Basel nimmt die bz den Bericht von OnlineReports über einen möglichen Umzug der Basler Polizei ins ehemalige Roche-Gebäude an der Viaduktstrasse auf.

Das Regionaljournal Basel und die bz berichten über die Bohrpläne der Schweizer Salinen im Röserental und beziehen sich dabei auf OnlineReports.

Weitere RückSpiegel

Werbung






In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).