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Claude Bühler – Premiere am Theater Basel

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Theater Basel, Kleine Bühne
Deutschsprachige Uraufführung 
 
"Meine faire Dame"
Ein Sprachlabor
 
Regie, Stück: Christoph Marthaler
Bühne: Anna Viebrock
Kostüme: Sarah Schittek
Video: Raphael Zehnder
 
Mit Tora Augestad, Karl-Heinz Brandt, Carina Braunschmidt, Mihai Grigoriu, Graham F. Valentine, Michael von der Heide, Nikola Weisse


Frankenstein in Elisas Sprachlabor

Der Meister selber betrat die Bühne und wandte sich ans Publikum: Er müsse uns leider mitteilen, dass die Samstags-Souffleuse heute indisponibel sei. Dann die Wendung: Aber da ja heute Freitag sei, wünsche er uns viel Vergnügen bei der Aufführung. Lautes Gelächter für einen programmatischen Einstieg zu Marthalers Bearbeitung des Musicals "My Fair Lady".
 
Du meine Güte, "My Fair Lady"? Der Audrey Hepburn-Klassiker schafft es nicht mal mehr ins Sonntagnachmittags-Fernsehprogramm. Aber der Schweizer Regisseur Christoph Marthaler (geboren 1951) brachte mit dem Stoff aus den fünfziger Jahren ein intellektuelles Fan-Publikum zwei Stunden lang zum Lachen.

"My Fair Lady": Das ist die Pygmalion-Geschichte des Blumenmädchens Elisa Doolittle, das der strenge Professor Higgins in seine Fittiche nimmt, um daraus mit Sprach- und Benimm-Unterricht eine "aristokratische Lady" zu formen bis von ihrer Herkunft nichts mehr spürbar ist. Bildung als Mittel zur Überwindung gesellschaftlicher Hindernisse, ja als Lift in höhere Geldsphären: Was einst als unschuldiger Unterhaltungsspass der Nachkriegsgeneration galt, ist ein politisches Minenfeld heute zwischen Leitkultur-Debatte (Aristokratie!), Klassenbewusstsein (Proletariat!) und der Frage, was die Gleichstellungs-Beauftragte zur traditionellen Rollenverteilung im Stück sagt. Eng ist alles geworden.
 
Und so sperrt uns Marthaler gleich ins Labor, um dort das Stück in seine Einzelteile auseinander zu nehmen und neu als Lieder-Revue zusammen zu setzen – ins Sprachlabor: Hier lässt Professor Higgins sein Schüler-Grüppchen irre Nachsprech-Sätze prononcieren. "Dolly mixed her acid drops", "There was a wife named dog". Oder auch: "Das kann uns gar nicht quälen, die Knollen hier zu schälen."

Die luftlose Kunstwelt der Sprachbuchsätze macht aus den Schülern Papierpuppen. Unnachgiebig bricht Graham F. Valentine in den holprigen Redefluss seiner verunsicherten Unterrichtsbefohlenen herein, sobald ihm ein K oder ein W zu wenig prägnant ausgesprochen erscheint. "Stop laughing" (Nicht lachen), herrscht er die Kichernden an. Hinter seinem Rücken hält sich alles im vollbesetzten Auditorium die Bäuche.
 
Das Marthaler-Sprachlabor ist ein von Anna Viebrock in abgestandener DDR-Hässlichkeit gestalteter Unort. So sieht sinnentfremdetes, inspirationsbefreites Pauken als Raum aus. Oben: Schallschluckplatten, unten: Plattenholz. Passend dazu: Die Darsteller in miefigen Kleinbürgerklamotten und stoischer Lustlos-Miene. Iiih. In diesem Panorama steht die Zeit still. Das Neon-Licht tötet jeden Glanz, und auf diese Weise agieren die Figuren schutzlos ohne Fluidum. Und Marthaler macht sich einen Spass daraus, sie ungeschickt zusammenstossen oder die eine Schülerin immer bei den Übungen vorpreschen zu lassen: Eine Partitur kleiner Missverständnisse liegt über dem ganzen Abend. Des Unpassenden. Des Frappierenden. (Schon der Titel "My fair Lady" ist falsch übersetzt mit "Meine faire Dame".) Es irrt der Mensch, solang er sich bildet.
 
Marthaler beweist: Elisa Doolittle leidet die Qualen des Frankenstein-Monsters. Denn auch es ist eine Professoren-Kreatur, und als solches ächzt es, verbannt an den seitlichen Bühnenrand, jedes Mal mitleiderregend auf, wenn jemand auf der Bühne von Bildung schwatzt. Und das geschieht gar oft. Der eingeweihte Meister Sarastro (Brandt) aus Mozarts Zauberflöte wirft sich mit flammendem Appell zum Gruppentherapeuten auf, der mit aller Strenge zur Tugend aufruft. Das geht soweit bis Elisa (Braunschmidt) ordinär losschreit: "Z’Basel isch Herbschtmäss."
 
In solch melancholischer Anlage erhebt die Kreatur müde und ungeschickt die Flügel des Gesangs: Hüftsteif und seltsam unbeteiligt bewegen sich Michael von der Heide und Mezzosopranistin Tora Augestad zu "Silent Night". Nur hauchzart darf "Wenn ich mir was wünschen dürfte" von Friedrich Hollaender erklingen. Oder dann verschwinden die Darsteller gleich nach draussen auf die Toilette um dort die John Dowlands Klagegesang "Flow my tears" anzustimmen. Der Mensch als Gesangesmaschine kann auch mal aussteigen wie bei DÖFs Hit "Codo", wenn die Sänger bei "Ich düse im Sauseschritt" verlangsamen und in der Tonhöhe absacken. Bewundernswert ist hierbei nicht nur die oft virtuose gesangliche und darstellerische Leistung, sondern auch die innere Ruhe der Darsteller: Das Publikum brüllt vor Lachen über die stoischen Mienen.
 
Als sich Marthaler am Ende zu Bravo-Rufen und Fussgetrampel verneigte, lachte er breit und zufrieden. Er hatte wohl erreicht, was er wollte: Mit einem lustigen Abend das Publikum unterhalten, das im Grunde nur über sich selber lacht.

13. November 2010
 Ihre Meinung zu dieser Kolumne
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Claude Bühler, ist Journalist und Schauspieler in Basel. Er arbeitete erst als Freier Journalist bei Printmedien sowie als Medienverantwortlicher von act entertainment. Lange Jahre war er Redaktor und Produzent bei Telebasel. Heute arbeitet er als Redaktor bei "Prime News". Als Schauspieler war er in verschiedenen Regie-Arbeiten der Basler Schauspielerin und Regisseurin Ingeborg Brun sehen, beispielsweise als Jean in "Fräulein Julie" (A. Strindberg), aber auch als Professor Siebegscheit im Märli "Froschkönig" des Theater Fauteuil oder als Lucky in "Warten auf Godot" (S. Beckett) des Theater Marat Sade. © Foto by OnlineReports.ch

Claude.Buehler@gmx.net

(Die Kolumnisten sind in ihrer Meinung frei;
sie braucht sich nicht mit jener der Redaktion zu decken.)
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"Nichts an diesem Dramas ist 'linksliberal'"

Diese Besprechung von Kellys "Waisen" setzt gelegentlich die Schablone "Entlarvung der Verlogenheit des Bürgertums" an, eine altbewährte Methode beim Abarbeiten von Theater, und updatet dieses Bürgertum zum "linksliberalen".


Wie das? Nichts am Szenario dieses Dramas ist "linksliberal", es ist einfach nur modern gutbürgerlich. Tatsächlich werden hier sozialer Aufstieg und familieninternes Machtgefüge sowie Clanbewusstsein thematisiert:

- die Schwester hat's ins Bürgertum geschafft, der gestörte Bruder bleibt in der Unterschicht hängen.

- Danny will "kein Feigling" sein und wagt es daher nicht, die Teilnahme an der Vertuschung und Vollendung der Gewalttat zu verweigern, weil es um die Verteidigung der Familie geht und ihn Helen deswegen unter Druck setzt. Erst als sich herausstellt, dass das Opfer kein Feind der Familie (sondern selber Familienvater) ist, wird der missratene Bruder aus der Sippe verstossen.

(Oder ist es schon "linksliberal" und "politically correct", wenn das "Arabertum" des Opfers als Rechtfertigung für seine Misshandlung nicht ausreicht?)


Lauter archaische, allgemein menschliche Probleme. Niemand hier ist besonders "intellektuell".

Gutbürgerliche "Heile Welt" versus brutale gesellschaftliche Realität, ok, aber woher die Annahme, das moderne bürgerliche Europa sei zwangsläufig "linksliberal"? Das erinnert ein bisschen an das gängige "linksliberale Intellektuellen"-Bashing, welches ja unterstellt, dass die "Linksliberalen" seit Jahrzehnten angeblich die öffentliche Meinung monopolisieren, während diese in Wirklichkeit während derselben Zeit kontinuierlich nach rechts gedriftet ist und mittlerweile eine beispiellose Konzentration von Medienmacht in der sogenannten "Mitte" und in rechtsbürgerlicher Hand stattfindet.


Martin Werner, Basel


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"Bais steht vor Gewissens-Entscheid"

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Im Titel des Newsletter-Textes vom 18. April 2024 über die SVP-Basis.
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Auch Nomen sind Glückssache.

RückSpiegel

 

Das Regionaljournal Basel veweistin einem Beitrag über die Probleme der Kitas im Baselbiet auf OnlineReports.

Der Klein Report nimmt die Recherche von OnlineReports über Roger Blums Buch über die Basellandschaftliche Zeitung auf.

Die BaZ bezieht sich in einem Artikel über die Zerwürfnisse in der Baselbieter SVP auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Kita-Krise im Baselbiet auf OnlineReports.

BaZ, Baseljetzt und Happy Radio nehmen die OnlineReports-News über das geplante Ministertreffen in Basel auf.

Der Sonntagsblick zitiert OnlineReports in einer grossen Recherche über die Baselbieter SVP-Politikerin Sarah Regez.

Baseljetzt verweist im Bericht über Basler Schiffsunfälle auf ein OnlineReports-Video.

Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.
 

Weitere RückSpiegel

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In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

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Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

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Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).