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Claude Bühler – Premiere am Theater Basel

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Theater Basel, Kleine Bühne
Premiere

"Auf dem Land"

Autor: Martin Crimp
Regie: Alexander Nerlich
Bühne: Gisela Goerttler
Musik: Malte Preuss

Mit Isabelle Menke (Corinne), Karen Köhler (Rebecca), Steve Karier (Richard)


Sex, Lügen und Stöckelschuhe

Gegen den schönen Schein ist kein Kraut gewachsen. Auch beim Ehepaar Corinne und Richard nicht. Die Familie ist auf das Land gezogen, um hier "besser" zu leben, sagt Corinne: Das bürgerliche Glück in einer teuer umgebauten Scheune mit schwarzem Granitboden. Vor dem Kaminfeuer räkeln sie sich auf dem Langhaar-Teppich. Aber etwas stört. Richard hatte am Abend eine junge Frau mitgebracht. Die schläft jetzt im Nebenraum. Er habe sie irgendwo ohnmächtig aufgelesen. "Es war meine Pflicht, sie mitzunehmen", sagt Richard, der Arzt. Aber Corinne fragt nach. Wo hast Du sie denn gefunden? War sie betrunken? Oder was war denn sonst mit ihr? Warum hast Du ihr was zum Schlafen gegeben? Du hast so gelächelt, als Du mit ihr daherkamst ...

Es ist die grosse Qualität des englischen Schriftstellers Martin Crimp, wie er diese Fragen nur hie und da im Verlauf des unnatürlich gewordenen, ehelichen Alltagsgeschwätzes aufkommen lässt. Denn damit drückt er aus, dass die Lüge längst die natürlichen Impulskräfte der beiden Menschen ausgehebelt hat, die bei solcher Verdachtslast üblicherweise Klarheit fordern. Und so lügt Richard mittlerweile schamlos daher, fragt seine Frau mit hochgepeitschen Emotionen nach Dingen, die ihm völlig egal sind. Und Corinne lügt, indem sie der Konsequenz ausweicht und nicht insistiert. Selbst dann nicht, als er bekennt, dass die junge Frau durchaus wach in sein Auto eingestiegen ist. Ein einziges Mal in den eineinhalb Stunden entfährt ihr wie selbstvergessen die Frontalfrage: "Wer bist Du und was willst Du?" Aber so etwas geht vorbei, Richard weiss das. Und wenn's nicht vorbeigeht, auch egal: So gibt er halt etwa zu, dass er wieder Heroin nimmt. Das Ehepaar war ja gar nicht für das "bessere" Leben, sondern wegen Richards Heroinsucht aufs Land gezogen, sagt Corinne ein anderes Mal.

In solchen ehelichen Intim-Minenfeldern fühlt sich der junge Regisseur Alexander Nerlich spürbar in seinem Element, wie er es schon mit seinem gelungenen Regie-Debut in Basel, das Ehe-Duell "Die Nacht singt ihre Lieder" des Norwegers Jon Fosse gezeigt hatte (dort hatte die Frau den Mann betrogen). Sauber und klar isolierte er nun aus dem Gesprächsfadenknäuel die einzelnen Fäden. So sorgte er nicht nur für jederzeit klar nachvollziehbare Anschlüsse, sondern machte damit auch das undurchdringliche Gewebe, in dem das Ehepaar zappelt, erkennbar. Konsequent richtete er das Drama auf die für ihn hier wesentliche Schnittstelle aus: Die Sexualität.

Geradezu rührend zeigt die Menke, wie Corinne permanente Munterkeit mobilisiert: Um Richard bei sich zu behalten, fasst sie ihm hilflos in den Schritt, umzärtelt ihn, reizt ihn. Denn ihr läuft ja gegen die Konkurrenz im Schlafzimmer alles davon: Sie wird älter, und pflegt keine weiteren Interessen ausser am Alltag mit Mann und Kindern. So entfahren ihr Sätze wie: "Menschen stehen ja nicht für etwas, sie existieren einfach." Karier dagegen ist im Dauerstress. Er will seine Frau nicht mehr küssen: "Ich habe Dich ja schon geküsst." Dass er die Zärtlichkeit spielt, ist Teil seines Lügendschungels. In die Enge getrieben, bricht er cholerisch und gewalttätig aus – oder geht vor seiner Frau auf die Knie. Denn Nerlich sieht bei ihm eine Sadomaso-Veranlagung. Mit der jungen Frau, Rebecca, pflegt Richard schon länger ein entsprechendes Verhältnis.

Das Verhältnis und seine Verheimlichung ist nicht das Einzige, was ihn schwer belastet. Wegen dem Treffen mit Rebecca hatte er einen wichtigen Arzttermin mit einem 80-Jährigen abgesagt, worauf dieser starb, und nun muss er sich aus dem juristischen Zugriff winden. Rebecca ist es, die der verstörten Corinne die Augen öffnet, warum die Familie wirklich aufs Land zog: "Richard wollte mir näher sein."

Es gehört zu Crimps bitterer Kritik an der Bürgerlichkeit, dass das Ehepaar die Krise überdauert – natürlich im selben Lügenmodus. Er schenkt ihr zum Geburtstag schwarze Domina-Stöckelschuhe – ein konsequenter Regie-Einfall, denn Crimp hatte nur "etwas Irritierendes" verlangt. Richard ist hingerissen vom Anblick seiner Frau mit den Stöckelschuhen, sie skandiert steif: "Ich bin glücklich" ...

Nerlich hat den Musiker Malte Preuss jeden wichtigen dramatischen Punkt mit Sound-Impulsen betonen lassen. Und so zirpt, wabbert und dröhnt es jeden Moment neu unheilschwanger, fast wie beim Vorabendfernsehkrimi, wenn der Mörder ins Bild kommt. Immer dann rückt das Drama, das einem unangenehm nahe kommen kann, weit weg, die Vorstellung wird zum Produkt, das mit manipulativen Mitteln erstellt ist. Unnötig, zumal der Abend ohne einen Durchhänger spannend bleibt.

Das Auditorium war vollbesetzt. Das Publikum bedankte sich mit langem warmem Applaus. Nach "Berlin Alexanderplatz", "Taking care of Baby" und "Hexenjagd" hat das Basler Schauspiel nun eine vierte Produktion mit auffällig starken Leistungen gezeigt.

22. Februar 2009
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Claude Bühler, ist Journalist und Schauspieler in Basel. Er arbeitete erst als Freier Journalist bei Printmedien sowie als Medienverantwortlicher von act entertainment. Lange Jahre war er Redaktor und Produzent bei Telebasel. Heute arbeitet er als Redaktor bei "Prime News". Als Schauspieler war er in verschiedenen Regie-Arbeiten der Basler Schauspielerin und Regisseurin Ingeborg Brun sehen, beispielsweise als Jean in "Fräulein Julie" (A. Strindberg), aber auch als Professor Siebegscheit im Märli "Froschkönig" des Theater Fauteuil oder als Lucky in "Warten auf Godot" (S. Beckett) des Theater Marat Sade. © Foto by OnlineReports.ch

Claude.Buehler@gmx.net

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"Bais steht vor Gewissens-Entscheid"

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Im Titel des Newsletter-Textes vom 18. April 2024 über die SVP-Basis.
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Auch Nomen sind Glückssache.

RückSpiegel

 

Das Regionaljournal Basel veweist in einem Beitrag über die Probleme der Kitas im Baselbiet auf OnlineReports.

Der Klein Report nimmt die Recherche von OnlineReports über Roger Blums Buch über die Basellandschaftliche Zeitung auf.

Die BaZ bezieht sich in einem Artikel über die Zerwürfnisse in der Baselbieter SVP auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Kita-Krise im Baselbiet auf OnlineReports.

BaZ, Baseljetzt und Happy Radio nehmen die OnlineReports-News über das geplante Ministertreffen in Basel auf.

Der Sonntagsblick zitiert OnlineReports in einer grossen Recherche über die Baselbieter SVP-Politikerin Sarah Regez.

Baseljetzt verweist im Bericht über Basler Schiffsunfälle auf ein OnlineReports-Video.

Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.
 

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Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

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Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

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Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

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