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Claude Bühler – Premiere am Theater Basel

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Theater Basel, Schauspielhaus
Premiere

"Der Richter und sein Henker"

Autor des Romans: Friedrich Dürrenmatt
Stückfassung: Armin Kerber
Regie: Barbara Weber
Bühne: Michael Schaltenbrand
Musik: Michael Haves
Kostüme: Gwendolyn Jenkins
Dramaturgie: Martin Wigger

Mit Ariane Andereggen, Gabor Biedermann, Inga Eickemeier, Philippe Graff, Michael Haves, Jesse Inman, Vincent Leittersdorf, Andreas Matti, Florian Müller Morungen, Silvester von Hösslin


Kommissar Bärlach hat kein Geheimnis

So eine Programmgestaltung kann man nicht als glücklich bezeichnen. Innerhalb nur eines Monats und ohne erkennbaren konzeptionellen Zusammenhang folgen im Schauspielhaus direkt zwei Bühnenversionen von Prosawerken bekannter Schweizer Autoren aufeinander, die eine Schweiz der Vergangenheit dem heutigen und beide Male in ähnlicher Weise dem ironisierenden Blick aussetzen.

Ende Oktober versetzte Regisseur Niklaus Helbling Gottfried Kellers "Fähnlein der sieben Aufrechten" in eine Holzbeiz mit Gerber-Käsli-Reklame an der Wand. Nun, Ende November, hängt am selben Ort ein Porträt von General Guisan, in Übergrösse Barbara Webers Bühnen-Schweiz dominierend, in der Berner Kommissar Bärlach den Mord an seinem Dienstkollegen Ulrich Schmied aufklären soll.

In beiden Inszenierungen ertönt Marschmusik, blitzen kurze Dialekt-Einschübe auf, sollen Bärte ("Fähnlein") oder alte Polizeiuniformen ("Richter") veraltete Mentalität zitieren. Da man Keller wie auch Dürrenmatt als kritische Nationalisten bezeichnen kann, liefern beide viele Mentalitäts-Definitionen im Text, die in der aktualisierenden Bühnenumsetzung in die Aussage mündet: So bieder, bauernschlau, kulturlos, das wird der Schweizer heute noch nicht los geworden sein.

Damit das auch jeder so versteht, versah "Richter"-Bühnengestalter Michael Schaltenbrand die Hinterwand mit Spiegeln, womit sich das Auditorium ins Spiel gezogen sieht (reizvolle Idee). Jedenfalls, aus Zuschauerwarte, leidet Barbara Webers (bekannt als ehemalige Co-Intendantin des Zürich Neumarkttheaters) erste Basler Inszenierung unter dem Wiederholungseffekt, als müsste man sich denselben Witz das zweite Mal anhören.

Kommissar Bärlach muss sich etwa anhören, seine Polizei sei "eine Art Landjägertruppe aus biederen Grossvätern". In der Tat kann man in Bärlachs Methoden auf den ersten Blick wenig System erkennen. Sofort fasst er einen Verdacht, ohne einen Blick auf den toten Schmied oder ins polizeiliche Tatortprotokoll zu vergeuden. Aber je weiter man im Wer-ist-der-Mörder-Krimi vordringt, desto deutlicher wird erkennbar, wie der alte Kommissar ausgehend von seinem Subito-Verdacht, Fäden spinnt, Vorkehrungen trifft, seinen Untergebenen Tschanz (von Hösslin) dahin manipuliert, die ihm von Bärlach vorgegebene Rolle zu spielen: Als Schmieds Mörder soll Tschanz Bärlachs weltanschaulichen Gegenspieler, den Kapitalverbrecher Gastmann (Leittersdorf), umbringen.

Der Abenteurer Gastmann, den Bärlach nie für seine Morde dingfest machen konnte, Gastmann, mit dem Bärlach eine Jugendwette verband, dass er ihn doch einmal kriegen würde. Bärlach, der sich zum Richter aufschwingt, den bösen Tschanz als Henker auf den bösen Gastmann ("wie Bestien") loszulassen, damit das Gute doch gewinnt: unerträgliche Manöver eines todkranken Mannes, versponnen in Männerliebe und Duell-Machismo, oszillierend zwischen Idealismus und Defätismus angesichts seines unheilbar gewordenen Magenkrebses.

Der Roman erschien 1950/51, und man mag Bärlachs Mysterium als zeitgebundene Diskussion in die Schachtel des damaligen Existentialisten-Diskurses wegpacken. Der von Fernsehserien bekannte Andreas Matti jedenfalls spielt keinen Ermittler-Philosophen, der wie in der Vorlage damit spielt, dass seine Repliken weitergehende Bedeutungen oder Absichten enthalten könnten. Hier ist er ein Mann ohne Geheimnis, bloss das fast immer gleiche Comic-Abbild einer ältlichen Kommissar-Figur in zerknautschtem Mantel und Manchesterhose, Element eines Spiels, das Regisseurin Weber und Dramaturg Martin Wigger mit dem Roman treiben anstatt ihn allein nachzuerzählen.

Es ist ein abstraktes Spiel, das vor allem der Zuschauer mitdenken kann, der den Roman gut kennt. Texter Armin Kerber hat den Prosatext in ein luftig leichtes Gewebe aus kurzen Erzählsätzen aufgelöst. Zwei Polizisten werfen ihre Ansichten ein, besorgen Volkesstimme aus Beamtenmund und treiben die weitgehend chronologisch erzählte Handlung voran. Der Autor Dürrenmatt tritt nicht bloss als Erzähler auf, sondern wird als absichtsvolle Handlungsfigur denunziert, die sogar beim Showdown mit Tschanz in Bärlachs Haus als Servierfrau verkleidet auftritt.

Packen sollen hier nebst den kurzen Szenenschnitten die vielen Zitate und die Genre-Elemente. Das geht von Lars van Triers Markierungen auf schwarzem Bühnenboden aus dem Film "Dogville" bis zur schrillen Serienkrimi-Suspense-Musik. Um Tschanz als Ehrgeizling zu definieren, tritt er heftig in das Indoor-Rad. Wenn das Spiel beginnt, markiert eine Puppe im Vordergrund den Ermordeten und eine Nebelmaschine pustet laut vernehmlich Schwaden auf die Bühne, so als ginge es um den Nebel über dem Seeland und gleichzeitig um die dunkle Vorgeschichte zwischen Gastmann und Bärlach, die ihre Positionen in einem Prolog fürs erste mal hinstellen.

Eine Kuh mit aufgemalten "G" für Gastmann hängt wie im Schlachthaus als Bärlachs Opfer über der Szenerie – am gleichen Gestell, an dem eine runde Lampe, die den Mond markiert, ihre Runden zieht. Alles ist nur gleichwertiges Element. Und diese Elemente kann man ja auch auf den Kopf stellen: Wenn der Schriftsteller dem Bärlach Gastmanns Nihilismus erklärt, erklingt leise Bachs Matthäus-Passion.

Um das Bild des Schriftstellers querzustellen, der in der berühmtesten Roman-Verfilmung (1975) von Dürrenmatt selber gespielt wurde, sieht hier Jesse Inman wie Dürrenmatts literarischer Sparringpartner Max Frisch aus. Schmieds Freundin Anna (Eickemeier) trägt nicht nur Witwentracht, sie ist dazu auch schwanger. Und Gastmann? Kein cooler Baron-Typ im Designer-Anzug, nein, eher ein Literat im schwarzem Manchester-Anzug mit weisser Mähne (Leittersdorf mal nicht melancholisch-ironisch sondern griffig, kräftig, kühl).

Der Applaus nach gut eineinhalb Stunden blieb eher höflich, denn ohne Bündelung in Bärlachs Mysterium, das man auch spüren will statt nur über Bilder eine Welt nachzudeuten, verliert der Krimi seine Kraft. Da nützt es nichts, um doch noch den Existentialisten-Diskurs einzuholen, einen Satz von Camus zu zitieren. Die Sache mit dem wiederholten Schweiz-Witz tat ein übriges.

29. November 2013
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Claude Bühler, ist Journalist und Schauspieler in Basel. Er arbeitete erst als Freier Journalist bei Printmedien sowie als Medienverantwortlicher von act entertainment. Lange Jahre war er Redaktor und Produzent bei Telebasel. Heute arbeitet er als Redaktor bei "Prime News". Als Schauspieler war er in verschiedenen Regie-Arbeiten der Basler Schauspielerin und Regisseurin Ingeborg Brun sehen, beispielsweise als Jean in "Fräulein Julie" (A. Strindberg), aber auch als Professor Siebegscheit im Märli "Froschkönig" des Theater Fauteuil oder als Lucky in "Warten auf Godot" (S. Beckett) des Theater Marat Sade. © Foto by OnlineReports.ch

Claude.Buehler@gmx.net

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Veranstaltungs-Hinweis

 

Ein zärtlicher Irrsinn

Nach achtjähriger Abwesenheit kehrt Avery Sutton mit seiner Verlobten Gillian zu seiner Familie zurück. Was von da an passiert, muss man gesehen haben.

Mit "37 Ansichtskarten" von Michael McKeever winkt den Zuschauerinnen und Zuschauern eine zauberhaft schwarze Komödie mit berührenden Momenten und angenehmer Unterhaltung. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

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"Der neue Eingang zum Birsigparkplatz wird der Ersatzneubau des Heuwaage-Hochhauses bilden."

bz
vom 26. März 2024
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Wer bildet was oder wen?

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Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

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Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

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Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

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Die Volksstimme schreibt über die Wahl von Claudio Miozzari zum Grossratspräsidenten von Basel-Stadt und zitiert dabei OnlineReports.

In einem Artikel über die Leerstandsquote bei Büroflächen in Basel nimmt die bz den Bericht von OnlineReports über einen möglichen Umzug der Basler Polizei ins ehemalige Roche-Gebäude an der Viaduktstrasse auf.

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