Theater Basel, Schauspielhaus
Uraufführung
"Wer hat's erfunden?"
Eine Schweiz-Revue
Regie und Liedtexte: Elias Perrig
Dramaturgie: Julie Paucker
Musik: Biber Gullatz
Bühne: Wolf Gutjahr
Mit Andrea Bettini, Jan Bluthardt, Martin Hug, Lorenz Nufer, Linda Olsansky, Jörg Schröder, Raphael Traub, Nikola Weisse
Musik: Ines Brodbeck, Daniel Fricker, Ulrich Pletscher, Bernadette Soder
Lachen über die Klischee-Schweiz
Machen wir ein Brainstorming zum Thema Schweiz? Handörgeli, Matterhorn, Schillers Wilhelm Tell, Kuhmilch? Weiter: Enge, Behäbigkeit, Alphorn, verstockte Bauernflirts, Unabhängigkeits-Trutzigkeit? Kommt alles vor, in dieser szenisch gestalteten Musik-Revue.
Brutal mit Schweizerkreuz-Rot ist der enge Bühnenraum angestrahlt. In den abgeschabten Lederstühlen hängen verschlossene Typen. Ein miefiger "Wartsaal-Schweiz"-Eindruck. Das Bild ist so übersteuert: Man ertappt sich beim Reiz, erst über die Schweiz und dann über das abgedroschene Klischeebild davon zu lachen. Als schmerbäuchiger Immer-im-Trainer-Prolo mit Bierdose rappt Jörg Schröder alle touristischen Aussichtspunkte der SBB herunter. Nikola Weisse bringt die Schnulze "C'était ma vie" wie einst die Zürcher Volksschauspielerin Margrit Rainer, als wärs ein Chanson. Wenn Linda Olsansky als Kellnerin das Wort "Apero" hinzürchert, fällt einem unwiderrufllich Ursula Schäppi ein. Ein Lehrstück in verstockter Bauern-Erotik zeigt Raphael Traub. Den Blumenstrauss für seine Angebetete hält er vor sich wie eine Lanze. Und der Wetzikoner Martin Hug stapft im beigen Anzug mit Gummistiefeln über die Bühne. Sein Text ist reizvoll wie ein Miststock: "Es goht e Buur e Chue go chaufe". Bald muht verstohlen der Eine im Ensemble, blökt versteckt die Andere, da glöckelts, dort bimmelts und fertig ist die Kuhwiese, über die dann die Schauspieler bald auf allen vieren herumkrabbeln.
Regisseur Elias Perrigs Liedertexte sind "Als-obs", Betrügereien, Lieder, die so klingen als wären es Bauernlieder, Songs aus der kleinen Niederdorf-Oper oder "Kantonshymnen". "S'wird mer im Tääli langsam viil z'äng, … Pack mini Sache, fahre dervo" heissts im Lied "Uf und dervo" (sic!) eines "John Burgstaller" nach dem "Basler Grenzgängerlied von 1910", wie es frech im Programmheft geschrieben steht. Klischees werden also zusätzlich mit vergangenheitsträchtigen Mythen unterfüttert. So wird die Installation des Bildes einer Schweiz installiert. Clever, das so zu zeigen.
Clever auch der Reggae "We're Swiss": Da wird der Schweizers Kompromiss als die Indifferenz verkiffter Rastafaris vorgeführt. "No decision is sometimes wise" – Keine Entscheidung ist manchmal weise, grinst das Ensemble breit im Schunkel-Refrain.
Regisseur Elias Perrig verzichtet aber auf die verbindliche politische Fingerzeigkritik wie etwa Christoph Marthaler in "Hotel Angst". Wir sollen lachen zum Saison-Abschluss. Es hätte sich gelohnt, noch zwei Probewochen lang zu feilen: Der Charme des Unfertigen, Zerklüfteten wirkt nicht an allen Stellen als bewusst gewählt. Darum ist der Abend wohl amüsant, aber wenig prickelnd. Das Schauspielhaus war voll. Das Publikum entliess das Ensemble erst nach der dritten Zugabe.
24. Mai 2008