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Aurel Schmidt: "Seitenwechsel"

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Transparenz darf nicht zur Peepshow werden

Der Überwachungsstaat ist der Staat, der seine Bürger und Bürgerinnen überwacht, ausspioniert, kontrolliert, reglementiert, angeblich einzig und allein zu deren Wohl. Dieser Staat ist ein Unterthema der Transparenz-Gesellschaft, in der wir unlängst mit dem allergrösstem Unbehagen aufgewacht sind.

In der Transparenz-Gesellschaft ist alles durchsichtig, also sichtbar, alles liegt auf dem Tisch. Schon der sagenumwobene Priesterkönig Johannes, um 1150 Herrscher über ein mächtiges mythisches christliches Reich östlich von Armenien und Persien, hatte in der Überlieferung auf dem Turm seines Palasts einen grossen Spiegel aufgestellt, in dem er verfolgen konnte, was bis zuhinterst in seinem Reich geschah. Man kann sich das gut vorstellen, wenn man an die Parabolantennen von heute denkt.
 
Wenn alles durchsichtig ist, stehen alle im Fadenkreuz von allen anderen. Der Direktor, der über anrüchige Fotos stolpert; Regierungsräte, die ihre Sitzungsgelder nicht ordnungsgemäss abliefern; Kader-Geschäftsausflüge von halbstaatlichen Unternehmen für 140'000 Franken, die das landesübliche Mass an Korruption übersteigen – nichts entgeht dem Grossen Auge, alles kommt ans Tageslicht.
 
Die Forderung nach Transparenz, die in der jüngsten Vergangenheit laut geworden ist, deutet auf einen Vertrauensverlust hin. Sie hat aber auch ihre Kehrseite und ist vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss. Die entstehenden Nachteilen werfen, wie für alle vernünftigen Menschen, die Frage auf, wo die Grenze zwischen dem Notwendigen und Entbehrlichen liegt.

Vertrauen, wenn es einmal verloren ist, lässt sich kaum durch mehr Transparenz  und Kontrolle wiederherstellen, das ist das Leidige. Umso schwerer wiegt dafür der Verlust von "privacy". Wer seine Intimitäten in der Öffentlichkeit ins Handy herausplappert (oft lautstark, zu lautstark für die Anwesenden), wer sie ins Netz stellt, soll es tun, auf eigene Gefahr, aber beim Schlüsselloch hört der Spass auf. Das ist die ultimative Grenze. Sonst gerät Transparenz zur Peepshow. Wo Privatheit ausgeschlossen ist, herrschen despotische Verhältnisse. Du bist nicht mehr Herr in Deinem Haus (was der Ausdruck Despotie genau genommen meint).

 

"Ein unpassendes Wort, ein Witz
genügen schon, dass die Meute losheult."


In der transparenten Gesellschaft, die ohne Geheimnisse, ohne einen letzten Rest von unversehrter Eigenheit und Unverwechselbarkeit ist, geht jeder Sinn, jeder Wert, jede Bedeutung verloren. Alles ist zu Markt getragen, alles verdinglicht, eingeebnet, normiert, gleichermassen gültig, also tatsächlich gleichgültig. Alle dystopischen Werke der Literatur haben vor dieser Entwicklung gewarnt.

Die Konsequenzen sind penibel. Aus Angst vor eigener Meinung, Abweichung oder möglicher Verletzung und Übertretung der Erwartungen schliesst sich die Denkschere im Kopf und breitet sich ein Normalitäts- und Anpassungsdruck aus. Ein Konformismus (ein alter, bekannter Begriff aus vergangenen Zeiten) breitet sich aus und erstickt das geistige Leben. Um nichts Falsches zu sagen, sagt man lieber gar nichts. Ist das Schwarzmalerei? In der Folge der aufgedeckten staatlichen und privaten Überwachungsmanie nicht unbedingt.

Politische, soziale, religiöse, multikulturelle, verbale Korrektheit als Folge der abverlangten Normalität kastriert das Denken und führt in eine Durchschnittsgesellschaft, die so trostlos ist (Beispiel Nordkorea), wie ihre Mitglieder aus Vergeltung zum Fanatismus und Fundamentalismus neigen. Ein bescheidenes Mass an Unkorrektheit und Ungerechtigkeit ("ein Schnippchen schlagen" in der Umgangssprache) muss eine freie, nichttotalitäre Gesellschaft in Kauf nehmen. Es ist sogar ein Zeichen für eine solche Liberalität. Ohne dass daraus eine Plädoyer für Korruption und Betrügereien abgeleitet werden kann.

Noch etwas. In der konformen Gesellschaft breiten sich die Transparenzjäger, Pharisäer, Moralisten, die selbstermächtigten Aufseher, Kontrolleure, Ordnungshüter und Gerechtigkeitsapostel wie ein Virus aus. Natürlich muss es eine Ordnung geben. Aber nicht auf Kosten von Freiheit und Vielfalt.
 
Es geschieht nämlich Folgendes. Die Jagd auf Fehlbare wird zum Treibjagdvergnügen, und das rigorose Aufpasserdenken stellt sich als ebenso verwerflich heraus, wie es das inkriminierte Vergehen selbst ist.

Ein unpassendes Wort, ein Witz kann schon genügen, dass die Meute losheult (wie sich bei Alexander Tschäppät oder Marco Rima gezeigt hat). Als ob der Witz je korrekt sein könnte. Das liegt nicht in seiner Funktion, wie wir von Sigmund Freud wissen. Nach den Witzemachern folgt die Jagd auf Falschparkierer, Raucher am unerlaubten Ort und sogenannte Rassisten, danach auf weitere designierte Opfer, der Abschuss eine Wolfs wird zur Breaking News, zur Staatsaffäre, und die kollektive Empörung erreicht den Siedepunkt.
   
Die Kampfzone ist heute weiträumig abgesteckt, das Aufdecken von Verstössen zum Volkssport und zur beliebten Unterhaltung geraten. Wer kommt als nächstes an die Reihe? Sicher kann niemand sein. Etwas hat jeder zu verstecken.

An diesem Punkt decken sich die Überwachungs- und Spektakelgesellschaft – die übelste denkbare Kombination.

13. Januar 2014
 Ihre Meinung zu dieser Kolumne
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Aurel Schmidt, Jahrgang 1935, war bis Mai 2002 Redaktor der "Basler Zeitung" (vorher "National-Zeitung"). Er war mitverantwortlich für das jeden Samstag erscheinende "Basler Magazin" und verfasste zahlreiche philosophische Essays, Reise-Reportagen, Kommentare und Kolumnen. Schmidt, der heute als Schriftsteller und freier Publizist in Basel lebt, machte sich auch als Autor mehrerer Bücher einen Namen: "Der Fremde bin ich selber" (1982), "Wildnis mit Notausgang. Eine Expedition" (1994), "Von Raum zu Raum. Versuch über das Reisen" (1998). Ausserdem liegen vor: "Lederstrumpf in der Schweiz. James Fenimore Cooper und die Idee der Demokratie in Europa und Amerika" (2002), "Gehen. Der glücklichste Mensch auf Erden" (2006), "Auch richtig ist falsch. Ein Wörterbuch des Zeitgeists" (2009). Zuletzt erschienen: "Die Alpen. Eine Schweizer Mentalitätsgeschichte" (2011). © Foto by OnlineReports.ch

aurel.schmidt@bluewin.ch

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"Der neue Eingang zum Birsigparkplatz wird der Ersatzneubau des Heuwaage-Hochhauses bilden."

bz
vom 26. März 2024
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Wer bildet was oder wen?

RückSpiegel


Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

persoenlich.com und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports die Personalrochade bei Prime News.

Die Volksstimme schreibt über die Wahl von Claudio Miozzari zum Grossratspräsidenten von Basel-Stadt und zitiert dabei OnlineReports.

In einem Artikel über die Leerstandsquote bei Büroflächen in Basel nimmt die bz den Bericht von OnlineReports über einen möglichen Umzug der Basler Polizei ins ehemalige Roche-Gebäude an der Viaduktstrasse auf.

Das Regionaljournal Basel und die bz berichten über die Bohrpläne der Schweizer Salinen im Röserental und beziehen sich dabei auf OnlineReports.

Weitere RückSpiegel

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In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).