Maschinen übernehmen die Menschenkontrolle
In ihrem Rahmenprogramm 2007-2013 hat die EU vorgesehen, für sogenannte Sicherheitsforschung 1,4 Milliarden Euro an 78 europäisch vernetzte Projekte zu verteilen. Diese Summe ist weniger erstaunlich als das Kauderwelsch, mit dem die verantwortlichen Stellen beschreiben, wie sie beabsichtigen, die Sicherheitslage in Europa zu verbessern.
Der Geldsegen wird damit gerechtfertigt, dass Sicherheit in öffentlichen Räumen "für das korrekte Funktionieren der Gesellschaft" unerlässlich sei. Wer könnte dagegen etwas einwenden? Die Folge ist nur, dass alles und jedes überwacht werden muss, um dieses Ziel zu erreichen, denn Überwachung, die nicht lückenlos ist, ist wertlos.
Die verfolgte Absicht wird etwas durchsichtiger, wenn man erfährt, dass Sicherheitstechnologie und Überwachungsindustrie ein "huge market place for European business" sind, ein boomender Industriezweig und ein rentables Geschäft. Die Kontrollmechanismen der Social Medias können als bekannt vorausgesetzt und hier übergangen werden.
Die vorgeschlagenen Sicherheitsmassnahmen, denen die Bürger der EU ungefragt unterworfen werden, sind wie eine Schlinge, die um den Hals gelegt und langsam zugezogen wird.
Zunächst kommt es darauf an, Kriterien für verdächtiges und abnormes Verhalten zu definieren. Ein potenzielles Sicherheitsrisiko kann zum Beispiel eine Person mit einem Koffer in der Hand auf einem Flugplatz darstellen, die sich nach links und rechts umschaut. Das kann unter Umständen genügen, dass die Sicherheitsbeamten die Tracking-Software einschalten und auf den Monitoren die verdächtigte Person auf ihrem weiteren Weg verfolgen.
Kritisch wird die Sache erst recht, wenn Techniken entwickelt werden, die in der Lage sind, verdächtiges Verhalten automatisch auszuwerten. Um ein Optimum an Erkenntnissen zu erzielen, sollen Software-Programme entwickelt werden, mit denen sich die verschiedenen bereits installierten Sicherheitssysteme verlinken lassen.
"Wir werden zu spät wissen,
was wir nicht gewollt haben."
Längst geht es nicht mehr um die Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität. Lange bevor der letzte Terrorist eliminiert worden ist, wird sich die Auffälligkeits-Psychologie anderen Gruppierungen zuwenden. Wie der Homeland Security Council in den USA nach dem 11. September erklärt hat, geht es mehr und mehr auch um "domestical radical groups", etwa Kriegsgegner, Bürgerrechtsgruppen, Streikende – um den "universal adversary", den Universalgegner, beziehungsweise das, was in gewissen SVP-Kreisen "linke Saubande" heisst.
Sollten wegen der Verschlechterung der Wirtschaftslage soziale Unruhen und Aufstände bevorstehen, die weitergehen als in Athen und Madrid, kann man sich leicht vorstellen, was mit dem "korrekten Funktionieren der Gesellschaft" gemeint ist. Die Heftigkeit, mit der die Polizei in New York gegen die "Occupuy"-Bewegung vorgegangen ist, ist mehr als aufschlussreich.
An diesem Punkt des Diskurses muss auch der Einsatz von Drohnen in die Überlegungen einbezogen werden. Auch sie leisten automatische Erkennungsdienste, sind aber auch in der Lage, im Bedarfsfall einzelne als feindliche Subjekte erkannte Personen per Joystick auszuschalten, ausserhalb jeder demokratischen Kontrolle und mit in Kauf genommenen Kollateralschäden.
Auch an die Gehirnforschung sollte in diesem Zusammenhang gedacht werden. Angeblich wird sie allein aus humanen Gründen betrieben, um zum Beispiel Krankheiten zu heilen. Aber eines Tages wird es möglich sein herauszufinden, was Menschen denken, nicht nur Oppositionelle oder Kriminelle – alle. Was möglich ist, wird zuletzt auch realisiert. Mind Control, der maschinelle Einblick in die privateste Sphäre des Menschen, ist eine entsetzliche Vorstellung, gegen die George Orwells Gedankenpolizei eine Hanswurstiade ist.
Solange alles im Rahmen eines freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats erfolgt, sind viele Menschen vielleicht bereit, gewisse unangenehme Einschränkungen in Kauf zu nehmen. Was aber, wenn durch einen politischen Wechsel je mafiose, rechtsextreme, religionsfanatische oder andere organisierte Gruppen zur Herrschaft gelangen sollten? Dann stünde ihnen sofort eine integrierte Infrastruktur für die totale, also auch totalitäre Ausübung der Macht zur Verfügung – und wir werden zu spät wissen, was wir nicht gewollt haben.
Alles Alarmismus? Ach was. "Eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmst-mögliche Wendung genommen hat." Dürrenmatt for ever.
25. Februar 2013
"Worauf wir alles zusteuern"
Wieder einmal zeigt uns Aurel Schmidt hier messerscharf auf, worauf wir alles zusteuern.
George Orwells "1984" lässt grüssen. Und schlimmer noch: "Mind Control" wird nicht nur herausfinden was wir gerade denken, sondern schon im voraus wissen was wir morgen denken werden. Und wie man das beeinflussen kann. Die Erde wird das alles überleben. Nur wahrscheinlich die Menschheit nicht.
Wie Professor Gustav Andreas Tammann nach der Geschichte der Entstehung des Universums erzählte:
Zwei Planeten begegnen sich in den Weiten des Alls. Sagt der eine zum anderen: "Du siehst aber schlecht aus, fehlt dir was?"
"Ach, weisst du, ich hab' Homo Sapiens..."
Darauf der erste: "Mach dir nichts daraus, das geht schnell vorbei!"
Peter Ensner, Basel
"Gezielte Steuerung via Propaganda und Medien"
Was hier beschrieben wird, ist die äussere Kontrolle.
"Mind Control" dagegen, nicht nur "maschineller Einblick" dank Hirnforschung, sondern durch gezielte Steuerung via Propaganda und Medien, hat längst stattgefunden. Diese aber ist die Voraussetzung dafür, dass auch die äussere Kontrolle nicht nur toleriert, sondern geradezu verlangt wird.
Alles das "im Rahmen eines freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats".
Franz A. Vettiger, Basel
"Nur wenig bringt das Thema so auf den Punkt"
Dieser Artikel ist sehr interessant. Vieles wird über dieses Thema geschrieben, aber nur wenig bringt das Thema Überwachung so auf den Punkt. Sehr lesenswert, da klar und einfach formuliert.
Rolf Hermann, Basel