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Aurel Schmidt: "Seitenwechsel"

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Was säkulare mit religiöser Barbarei vereint

In den Jahren nach 1750 wollte die Philosophie der Aufklärung erreichen, dass die Menschen ihre selbstverschuldete Unmündigkeit beenden und sich ihres eigenen Verstands "ohne Leitung eines anderen" bedienen, wie es der deutsche Philosoph Immanuel Kant ausdrückte. In Frankreich ging der Marquis de Condorcet von der Idee der Perfektibilität (Vervollkommnungsfähigkeit) aus: Der Mensch ist mit seiner Vernunft in der Lage, sich zum Besseren zu entwickeln. Condorcet hatte im Sinn, eine historische Darstellung des Fortschritts des menschlichen Geistes zu schreiben, brachte es aber nur zu einem "Entwurf", der als solcher das beabsichtigte inspirierende Werk bereits enthält.

 

Aufklärung und Vernunft stehen heute nicht hoch im Kurs. Die Begriffe lösen bei vielen Menschen Wutanfälle aus, auch deshalb, weil sie zu eurozentrisch konzipiert sind. Aber in einer polyzentrisch zersplitterten Welt darf und soll die Aufklärung als eine von vielen Ideen im geistigen Wettstreit ihren Platz behaupten.

 

Wir leiden nicht an einem Überfluss an Aufklärung, sondern an einem bedenklichen Mangel. Aber in der veränderten Welt von heute gelten neue Werte: Optimierung, Durchsetzungsvermögen, Erfolg, klare, das heisst autoritäre Entscheidungen.


Assoziiert sich der Machtwille mit der Religion, ist das Format des Fanatismus schnell erreicht. Dass im Namen des Islam Massaker verübt und toleriert werden; dass die sogenannten Ungläubigen und Andersdenkenden getötet werden sollen (zum Beispiel Koran Sure 5/Vers 37 oder Sure 4/Vers 91); dass Väter im Namen der Familienehre bei der Steinigung ihrer eigenen Töchter mit Hand anlegen, wie die Medien in jüngster Zeit in zwei Fällen berichtet haben – das ist Religions- und Gottesterror. Muslime, die in den Dschihad ziehen und ihr Leben als Märtyrer für Allah hingeben wollen, sind Wahnbefallene, die dafür bereitwillig die Welt in ein Blutbad stürzen.

 

"Ein friedliches, sozial gesichertes Leben
hat seinen Reiz verloren."

 

Was treibt diese Menschen dazu an? Die Dschihadisten wehren sich gegen die verachteten westlichen Werte, aber auch gegen den Konfessionalismus und die Korruption in den islamischen Feudaldiktaturen vor dem Hintergrund des Konflikts zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, wie der libanesische Autor Elias Khoury gezeigt hat (auf dem Blog en.qantara.de). 


Die negativ geprägte soziale Herkunft (keine Arbeit, verfehlte Sexualmoral) ist ein weiterer Grund. Jungen Männern in Umbruchsituationen bietet die Radikalisierung eine Möglichkeit, ihre Triebhemmungen fallen zu lassen und ihre Männlichkeits- und Machtphantasien ungestraft auszuleben, wie Alice Schwarzer in der FAZ dargelegt hat.

Wo Muslime in den Heiligen Krieg ziehen, setzen die Unzufriedenen hierzulande auf rechte Ideologien. Der Sublimierungsdruck, den die Zivilisation auf die Menschen ausübt, verlangt nach Entlastung. Die lebenslang sozial gesicherte, friedliche Existenz hat ihren Reiz verloren. Genau genommen sind Radikalrechte und radikalreligiöse Idealisten auf der Suche nach dem Reinen, Absoluten, die in ihrer Verblendung aber verkennen, dass die Realität nie vollkommen ist. Der Idealismus ist ein gefährlicher Ratgeber.

 

Der Defizitkatalog des Westens ist umfassend, und die viel gepriesenen westlichen Werte, auf die sich die politischen Anführer berufen, sind nicht viel wert. Schall und Rauch. Die Infektion des täglichen Lebens durch die Finanzindustrie hat das Ausmass eines Naturgesetzes angenommen, so wie sich die Geschäftswelt zu einem Fall von natürlicher Selektion ("survival of the fittest") entwickelt hat, also zu einem Sozialdarwinismus übelster Sorte. Und das private Kapitalvermögen, das schneller als die reale Wirtschaft wächst, hat Verhältnisse eingerichtet, die nur schwer reparierbar sind. Eine sinnvolle gesellschaftliche Perspektive oder geordnete, vertretbare Verhältnisse lassen sich damit nicht vermitteln.

 

Die säkulare Barbarei steht der religiösen in nichts nach. In Mexiko sterben in den Drogenkriegen jährlich bis 10'000 Menschen. Sie werden manchmal geköpft, verstümmelt, an Brückengeländern aufgehängt, um Angst und Schrecken zu verbreiten, nicht anders, als es der sogenannte Islamische Staat macht. Von der Mehrheit der Christen unterscheiden sich Muslime, die ihrer Religion nachgehen und im übrigen in Ruhe gelassen werden wollen, nicht gross. Aber seitdem der Dschihad-Tourismus wie eine Seuche expandiert, ist es nicht mehr erlaubt, sich Illusionen über Zustimmung zum Radikal-Islam und dessen Verbreitung zu machen.

 

Dass alle Religionen generell einen kriegerischen Kern aufweisen, darf nicht übersehen werden. Wer vom rechten Glauben überzeugt ist, meint, sich nicht irren zu können. Das ist der grösste aller Irrtümer. Weil alle Religionen menschliche Erfindungen sind, wie Condorcet schon früh bemerkte, ist jede Berufung auf sie für die Gestaltung des politischen Lebens problematisch. Wenn Religionen Privatsache bleiben, haben sie ihre Berechtigung.

 

Sein ganzes Vertrauen setzte Condorcet in die Vernunft des Menschen und in die Verteidigung des Rechts auf ein eigenes kritisches Urteil. Wer unabhängig denkt, kommt nicht auf die Idee, anderen Menschen Schaden zuzufügen. Das ist Aufklärung. Condorcet ist nicht überholt. Aber was die radikalisierte Welt von heute davon hält, ist eine andere Frage.

3. November 2014
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Aurel Schmidt, Jahrgang 1935, war bis Mai 2002 Redaktor der "Basler Zeitung" (vorher "National-Zeitung"). Er war mitverantwortlich für das jeden Samstag erscheinende "Basler Magazin" und verfasste zahlreiche philosophische Essays, Reise-Reportagen, Kommentare und Kolumnen. Schmidt, der heute als Schriftsteller und freier Publizist in Basel lebt, machte sich auch als Autor mehrerer Bücher einen Namen: "Der Fremde bin ich selber" (1982), "Wildnis mit Notausgang. Eine Expedition" (1994), "Von Raum zu Raum. Versuch über das Reisen" (1998). Ausserdem liegen vor: "Lederstrumpf in der Schweiz. James Fenimore Cooper und die Idee der Demokratie in Europa und Amerika" (2002), "Gehen. Der glücklichste Mensch auf Erden" (2006), "Auch richtig ist falsch. Ein Wörterbuch des Zeitgeists" (2009). Zuletzt erschienen: "Die Alpen. Eine Schweizer Mentalitätsgeschichte" (2011). © Foto by OnlineReports.ch

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"Bais steht vor Gewissens-Entscheid"

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Im Titel des Newsletter-Textes vom 18. April 2024.
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Auch Nomen sind Glückssache.

RückSpiegel

 

Klein Report nimmt die Recherche von OnlineReports über das bz-Buch von Roger Blum auf.

Die BaZ bezieht sich in einem Artikel über die Zerwürfnisse in der Baselbieter SVP auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Kita-Krise im Baselbiet auf OnlineReports.

BaZ, Baseljetzt und Happy Radio nehmen die OnlineReports-News über das geplante Ministertreffen in Basel auf.

Der Sonntagsblick zitiert OnlineReports in einer grossen Recherche über die Baselbieter SVP-Politikerin Sarah Regez.

Baseljetzt verweist im Bericht über Basler Schiffsunfälle auf ein OnlineReports-Video.

Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

persoenlich.com und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports die Personalrochade bei Prime News.

Die Volksstimme schreibt über die Wahl von Claudio Miozzari zum Grossratspräsidenten von Basel-Stadt und zitiert dabei OnlineReports.

In einem Artikel über die Leerstandsquote bei Büroflächen in Basel nimmt die bz den Bericht von OnlineReports über einen möglichen Umzug der Basler Polizei ins ehemalige Roche-Gebäude an der Viaduktstrasse auf.

Das Regionaljournal Basel und die bz berichten über die Bohrpläne der Schweizer Salinen im Röserental und beziehen sich dabei auf OnlineReports.

Weitere RückSpiegel

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In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).