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Aurel Schmidt: "Seitenwechsel"

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Stille Fahrt in eine ausgeräumte Landschaft

Langsam gleitet das Schiff über das Meer, dem 81. Breitengrad entgegen und darüber hinaus.

Ich stehe auf der Brücke und schaue in die Richtung, in die sich die "Ortelius" bewegt. Die Sjuoyane (Sieben Inseln), die nördlichste Inselgruppe von Spitzbergen, liegen weit zurück und sind kaum noch zu erkennen.
 
Zwischen vorne und hinten, oben und unten, links und rechts sind alle Zeichen und Spuren entfallen und die Grenzen scheinen aufgehoben. Was bleibt, wenn alle Orientierungsmerkmale entfallen sind, ist ein grosser, einheitlicher, geschlossener Raum. Nur die Horizontlinie trennt das Wasser und die darüber liegende Welt und manchmal nicht einmal das, wenn Nebel und Wolken so tief hängen, dass nur eine grosse, graue, unterscheidungslose Einheit den Raum bildet, den ich von der Brücke aus im Umkreis wahrnehme.
 
Bewege ich mich oder werde ich bewegt? Bin ich der Mittelpunkt der Welt? Ist es das Schiff? Breitet die Welt sich von hier, von dem Ort, wo ich stehe, bis zum fernsten Punkt aus, der noch zu erkennen ist, wenn auch nur mit Mühe, weil alles in allem verschwindet und nichts bleibt als der einzige, winzige und doch alles entscheidende Punkt, wo ich meiner bewusst werde?
 
Vereinzelte Eisschollen und kleine Eisberge werden sichtbar. Das Treibeis wird dichter, bis die weite Wasserfläche fast ganz zugedeckt ist. Es ist wie der Eintritt in eine andere Dimension. Auch das Geräusch, das entsteht, wenn die Schiffswände das berstende Eis zur Seite schieben, ist jetzt deutlich hörbar, das einzige in dieser Gegend.

Ein Eisbar wird gesichtet. Der Kapitän nimmt Kurs auf ihn. Den solitären weissen Hünen scheint das weder zu interessieren, noch zu stören. Er schnuppert. Der Geruch, den das Schiff verbreitet, scheint ihn eher zu irritieren. Nach einer Weile kehrt er sich um und trottet mit seinem behäbigen, schwankenden Gang davon, springt mit einem Satz von einer Eisscholle zur anderen und hat sich bald in der riesigen Einöde verloren. Nur noch mit dem Feldstecher ist er zu erkennen. Mit einem Mal ist die Welt noch einsamer.

 

"In diesen Gegenden kann man erfahren,
wie aus dem Wenigen das Viele entsteht."


Weiter bewegt sich das Schiff durch den verlassenen Raum wie durch ein Geisterreich. Gibt es hier ein Dahinter, etwas, das sich hinter der reduzierten Sichtbarkeit verbirgt?
 
Kann man überhaupt von einer verlassenen Gegend sprechen? Ja, weil weit und breit nichts Auffälliges zu sehen ist, und nein, weil der bewegte Beobachter genau wahrnimmt, was sich um ihn herum ins Räumliche erstreckt. Dieser Beobachter ist da, und daher muss auch die Welt da sein, selbst wenn es schwer fällt, diesen Solipsismus zu teilen.

Seit jeher haben die unbegehbaren polaren Gegenden den Menschen angezogen und haben Jäger, Trapper, Abenteurer, Forscher auf unwegsamen Routen durch die Einsamkeit ihr Glück gesucht.

Allmählich fange ich an, die Faszination dieser wüsten Gegenden zu verstehen, die alles andere sind als wüst, öde, leer. Den klirrenden Eiswüsten im Norden und Süden entsprechen die Sand- und Steinwüsten entlang des Äquators rund um die Erde. Savannen und Tundren bedecken einen grossen Teil der Erdoberfläche. Alle Wüsten zusammen haben sich als Zufluchten der Menschen erwiesen, denen der laute Betrieb in den Städten und auf den Märkten Widerwillen bereitet.

Patagonien oder der Changtang sind wie sämtliche wüstenartigen Teile der Erde Regionen, in die man eintauchen muss, um zu erfahren, wie aus dem Wenigen das Viele entsteht und aus dem Prinzip der Vermannigfachung (Goethe) die Diversität und Komplexität der Welt hervorgeht.

Hier liegt das Geheimnis und die Attraktion der entlegenen und ausgeräumt erscheinenden Breiten dieser Welt begründet.

Die meisten Menschen leben in einer vollgestopften, übercodierten Welt. Auf der Kommandobrücke erscheint mir die Welt um mich herum dagegen untercodiert, auf das Allerwenigste komprimiert. Hier ist nicht das Ende der Welt, hier fängt sie überhaupt erst an.

Oft kommt mir die Schweiz wie ein Möbel-Brockenhaus vor, verstellt, voller Hindernisse, nur auf Umwegen und nur schwer zu durchdringen. Wo ich hinschaue, überall sehe ich Verkehrsschilder, Umleitungen, Abfallkübel, Tankstellenshops, aufgerissene Strassen, Bauabschrankungen, Halte- und Fahrverbote, nur keine Wege, um aufzubrechen und ins Freie zu gelangen.
  
Zu allen Zeiten haben einige wenige Menschen die Einsamkeit, die Stille, die Ferne gesucht; den äussersten erreichbaren Ort; den Ausgangspunkt, wo sie das "aufsteigende Leben" (Nietzsche) antreten konnten. Ich kann sie immer besser verstehen.

26. August 2013
 Ihre Meinung zu dieser Kolumne
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Aurel Schmidt, Jahrgang 1935, war bis Mai 2002 Redaktor der "Basler Zeitung" (vorher "National-Zeitung"). Er war mitverantwortlich für das jeden Samstag erscheinende "Basler Magazin" und verfasste zahlreiche philosophische Essays, Reise-Reportagen, Kommentare und Kolumnen. Schmidt, der heute als Schriftsteller und freier Publizist in Basel lebt, machte sich auch als Autor mehrerer Bücher einen Namen: "Der Fremde bin ich selber" (1982), "Wildnis mit Notausgang. Eine Expedition" (1994), "Von Raum zu Raum. Versuch über das Reisen" (1998). Ausserdem liegen vor: "Lederstrumpf in der Schweiz. James Fenimore Cooper und die Idee der Demokratie in Europa und Amerika" (2002), "Gehen. Der glücklichste Mensch auf Erden" (2006), "Auch richtig ist falsch. Ein Wörterbuch des Zeitgeists" (2009). Zuletzt erschienen: "Die Alpen. Eine Schweizer Mentalitätsgeschichte" (2011). © Foto by OnlineReports.ch

aurel.schmidt@bluewin.ch

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"Der neue Eingang zum Birsigparkplatz wird der Ersatzneubau des Heuwaage-Hochhauses bilden."

bz
vom 26. März 2024
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Wer bildet was oder wen?

RückSpiegel


Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

persoenlich.com und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports die Personalrochade bei Prime News.

Die Volksstimme schreibt über die Wahl von Claudio Miozzari zum Grossratspräsidenten von Basel-Stadt und zitiert dabei OnlineReports.

In einem Artikel über die Leerstandsquote bei Büroflächen in Basel nimmt die bz den Bericht von OnlineReports über einen möglichen Umzug der Basler Polizei ins ehemalige Roche-Gebäude an der Viaduktstrasse auf.

Das Regionaljournal Basel und die bz berichten über die Bohrpläne der Schweizer Salinen im Röserental und beziehen sich dabei auf OnlineReports.

Weitere RückSpiegel

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In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

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Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).