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Aurel Schmidt: "Seitenwechsel"

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Republik, Laizismus und gesellschaftliche Realität

Der 11. Januar 2015 war in Frankreich ein grosser Tag, als kurz nach den Anschlägen von Paris vier Millionen Menschen im Land auf die Strasse gingen, um für "liberté d‘expression", für Meinungsfreiheit, Zeugnis abzulegen. Er wurde zum Beweis, dass eine grosse Nation unter dem Signum der Republik entschlossen war, ihre Werte zu verteidigen.

Doch der "esprit de janvier" dauerte nicht lange. Nur einen Tag danach setzte unter den Meinungsvertretern eine Auseinandersetzung ein, was unter Demokratie, Republikanismus, Laizität, Freiheit, Toleranz und den vielen weiteren hochgehaltenen Ideen zu verstehen sei.

Frankreich ist stolz auf seinen Republikanismus, aber schon seit längerem hatte sich dessen Achillesferse gezeigt. Der Begriff steht für einen mächtigen Zentralstaat, der die Rechte und das öffentliche Wohl garantiert, aber auch das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben lenkt und den Nationalstolz artikuliert. Fremde, von aussen kommende Einflüsse werden abgewiesen. Die Schwierigkeiten von Präsident François Hollande, dieses spezielle Staatsverständnis in globaler Zeit aufrechtzuerhalten, zeigen sich jeden Tag.

Da der Laizismus mit zum Republikanismus gehört, ist auch die Religion vom Ausschluss betroffen. Solange es beim Katholizismus blieb, war das kein Problem. Seitdem sich in Frankreich aber der Islam ausbreitet, ist es anders geworden. Das Kopftuch-Verbot in Schulen und öffentlichen Gebäuden sorgt regelmässig für erhitzte Diskussionen.

Kürzlich hat der linke Soziologe Emmanuel Todd in seinem Buch "Qui est Charlie? Sociologie d'une crise religieuse" behauptet, die Manifestation vom 11. Januar habe sich genau genommen gegen die Muslime in Frankreich gerichtet. Seither wogt in den französischen Medien ein Meinungsstreit, der soweit führte, dass Todd Premierminister Manuel Valls mit dem Faschisten Pétain verglich, nachdem Valls kritisiert hatte, die Linksintellektuellen würden nicht mehr an die republikanischen Werte glauben.


"Rousseau hat mit dem Begriff 'volonté
générale' den Republikanismus vorbereitet."


D
er Republikanismus ist keine explizit linke Idee. Die Linke steht ihm eher skeptisch gegenüber. Philosophen wie Régis Debray oder Alain Badiou haben in der Diskussion kürzlich Jean-Jacques Rousseau den Vorrang vor Voltaire gegeben. Tatsächlich ist Voltaires Toleranz in aufgewühlten Zeiten wie heute ein weiches Argument, mit dem kein Staat zu machen ist. Aber Voltaire hat Jean Calas verteidigt, während Rousseau meinte, die kriegerischen Künste seinen den schönen Künsten überlegen und glückliche Völker brauchten keine Bücher. Tatsächlich hat der rechtskonservative Rousseau mit dem Begriff "volonté générale", dem allgemeinen Volkswillens, den Gründungsmythos des Republikanismus gelegt.

Frankreich erlebt heute nicht nur eine "fracture sociale", vor allem in den Vorstädten, den "quartiers difficiles", also in den Einwanderungsvierteln, sondern auch eine "fracture idéologique". Ein halbes Jahrhundert lang dominierte ein linker Diskurs, aber seit einiger Zeit hat er Konkurrenz von rechts bekommen. Als Staatspräsident Hollande die Homo-Ehe verabschieden liess, erhob sich ein wütender Protest des katholischen, ruralen, konservativen Frankreich, der wochenlang anhielt, übrigens mit scheinrepublikanischen Akzenten und enormem Potenzial.

Umgekehrt fordern die Laizisten jetzt die Abschaffung der christlichen Feiertage und deren Ersetzung durch solche säkularer Art, ohne religiösen Kontext. Wenn Christen, Juden, Muslime ihre religiösen Feiern begehen wollen, einverstanden. Aber dann sollen sie dafür Ferientage hergeben.
 
Nicht nur, wer sich auf den Republikanismus beruft, sondern alle, die in die öffentlichen Debatten eingreifen, gehen ein gewisses Risiko ein und sehen sich einmal mehr auf der rechten und einmal mehr auf der linken Seite. Mit scharfem Widerspruch müssen alle rechnen. Aber was spricht dagegen?

Alle haben das Recht, für ihre Meinung einzustehen. Aber Achtung: Da die Gegenseite es ebenfalls so hält, sind heftige Meinungsverschiedenheiten programmiert. Das macht es nicht einfacher.
 
Die Frage ist nur, wieweit die Auseinandersetzung gehen soll. Ist Kritik am Republikanismus zulässig? Sie findet statt. Darf der französische Komiker Dieudonné sagen "Charlie Coulibaly" (Name eines der Pariser Attentäter)? Er solidarisiert sich dann mit den Attentaten.

Die amerikanischen Kritiker des PEN-Preise für "Charlie Hebdo" warfen der Zeitschrift "kulturelle Intoleranz" vor. Das ist erstaunlich, weil ich gedacht hatte, dass die Ermordung von 17 Menschen wegen religiöser Beleidigung selbst die ultimative Form der Intoleranz ist.

Versuche, die Meinungsfreiheit der anderen im Namen der eigenen zu behindern, lassen sich überall feststellen: vom Staat, von Konzernen, von gesellschaftlichen Formationen. Deshalb muss sie vehement verteidigt werden.

Nur kann der Ärger durch eine störende Meinung kein Grund sein, zur Kalaschnikov zu greifen. Wir glauben alle, dass divergierende Meinungen gut sind für das gesellschaftliche Gleichgewicht. Wir müssen die Anstoss erregenden Ansichten nicht schlucken, aber breit diskutieren. Wenigstens das. Anders geht es nicht. 

18. Mai 2015
 Ihre Meinung zu dieser Kolumne
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Aurel Schmidt, Jahrgang 1935, war bis Mai 2002 Redaktor der "Basler Zeitung" (vorher "National-Zeitung"). Er war mitverantwortlich für das jeden Samstag erscheinende "Basler Magazin" und verfasste zahlreiche philosophische Essays, Reise-Reportagen, Kommentare und Kolumnen. Schmidt, der heute als Schriftsteller und freier Publizist in Basel lebt, machte sich auch als Autor mehrerer Bücher einen Namen: "Der Fremde bin ich selber" (1982), "Wildnis mit Notausgang. Eine Expedition" (1994), "Von Raum zu Raum. Versuch über das Reisen" (1998). Ausserdem liegen vor: "Lederstrumpf in der Schweiz. James Fenimore Cooper und die Idee der Demokratie in Europa und Amerika" (2002), "Gehen. Der glücklichste Mensch auf Erden" (2006), "Auch richtig ist falsch. Ein Wörterbuch des Zeitgeists" (2009). Zuletzt erschienen: "Die Alpen. Eine Schweizer Mentalitätsgeschichte" (2011). © Foto by OnlineReports.ch

aurel.schmidt@bluewin.ch

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"Der neue Eingang zum Birsigparkplatz wird der Ersatzneubau des Heuwaage-Hochhauses bilden."

bz
vom 26. März 2024
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Wer bildet was oder wen?

RückSpiegel


Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

persoenlich.com und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports die Personalrochade bei Prime News.

Die Volksstimme schreibt über die Wahl von Claudio Miozzari zum Grossratspräsidenten von Basel-Stadt und zitiert dabei OnlineReports.

In einem Artikel über die Leerstandsquote bei Büroflächen in Basel nimmt die bz den Bericht von OnlineReports über einen möglichen Umzug der Basler Polizei ins ehemalige Roche-Gebäude an der Viaduktstrasse auf.

Das Regionaljournal Basel und die bz berichten über die Bohrpläne der Schweizer Salinen im Röserental und beziehen sich dabei auf OnlineReports.

Weitere RückSpiegel

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In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).