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Aurel Schmidt: "Seitenwechsel"

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Der Zeitgeist, die Wut und der Widerstand

Kritik aus der Schweiz an der EU ist nicht unbedingt falsch, aber auch kein Kunststück. Die Einwände richten sich gegen die wirtschaftliche Konstruktion der EU, übersehen aber, dass der Fehler darin liegt, dass der EU kein kulturelles Projekt zu Grunde liegt. Auch die mangelnde demokratische Beteiligung der Menschen ist ein Negativum. Alle vier Jahre Volksvertreter zu wählen reicht nicht aus, obwohl der Vertrag von Lissabon eine weitergehende Beteiligung der Bevölkerung vorsieht. Doch soweit gekommen ist es noch nicht.

Die direkten Volksrechte in der Schweiz stellen tatsächlich etwas Bemerkenswertes dar. Aber ausgerechnet diese direkte Demokratie erfüllt die Eliten in der Schweiz mit Misstrauen.

Zuletzt ist auch die Schweiz nur ein Staat wie jeder andere. Genau genommen entwickelt sie sich unter dem Einfluss der SVP zunehmend zu einer Sekte mit einem Christoph Blocher als Guru an der Spitze. Misstrauen und Verunglimpfung der politischen Gegner – der Andersgläubigen – sind keine valable Voraussetzung. Zum Glück nimmt sich die SVP der Sicherheits- und Migrationspolitik an. Ihre Themen müssen so ernst genommen werden wie die der SP, was auch umgekehrt gilt. Eine Aussage der SVP wie "Es gibt nur zwei Parteien in der Schweiz: Wir und die anderen" ist daher fahrlässiges Geschwätz.

Die Kritik in diesem Land müsste deutliche Akzente setzen. Wenn die "Tagesschau" des Schweizer Fernsehens nur noch ein Thema kennt – den Finanzplatz Schweiz und den hohen Schweizerfranken –, wird klar, welche Interessen oben auf der Agenda dieses Landes stehen. Falls nicht gerade eine Grippe im Anzug ist ...

Auch die Schweiz ist – wie die EU – zu einem Wirtschaftsverein geworden. Von einem kulturellen oder ideellen Projekt kann keine Rede mehr sein. Was bedeutet das? Politik, Parteien, Finanzwirtschaft, mediale Information, die kassierende Klasse können keine Alternative anbieten und versagen.

Wenn daher Ärger und Wut zunehmen, ist das nicht weiter erstaunlich. Die NZZ nennt die neuen Wutbürger "Reformmüde". Vielleicht ist das sogar richtig. Reformen werden nur vorgenommen, um die Interessen in diesem Land umzuschichten. Sie nützen manchmal den einen, manchmal den anderen. Zufrieden ist niemand.

Nur wer die Wut – den neuen Zeitgeist – versteht, kann auch die Welt verstehen, in der sie sich ausbreitet.

Nehmen wir ein Beispiel. Der 93-jährige Franzose Stéphane Hessel, dessen 22-seitige Broschüre "Indignez-vous!" (Empört Euch!) über eine Million mal verkauft worden ist, kritisiert darin die Regierung Sarkozy ("Wir müssen ihn los werden"), die soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit, die Arroganz und den Triumph des Kapitals.

Mit Empörung ist nicht viel erreicht, aber bei Hessel bekommt die Wut eine widerständige Kraft. Er fordert mehr Anstand in der Politik. Man denke! Hessel ist symptomatisch für ein Brodeln in der Tiefe. Es muss Änderungen geben.

Der amerikanische Schriftsteller Douglas Ruskoff verurteilt in seinem Buch "Life Inc." den Einfluss der Marktlogik auf sämtliche Lebensbereiche der Menschen und stellt den dominierenden korporativen Formationen die reale Begegnung der Menschen und die Bedeutung lokaler Gemeinschaften und Märkte gegenüber. Sogar eine Parallel-Währung schlägt er vor, die an einigen Orten bereits funktioniert.

Ob die Global Player, die die Welt in Gefahr bringen, sich damit beeindrucken oder in Schach halten lassen, ist auch eine offene Frage. Aber man muss sich die Möglichkeit überlegen dürfen.

Noch ein Beispiel. Seit einigen Tagen zirkuliert im Internet ein "Gaza Youth Manifest", in dem acht junge Menschen aus Gaza den Zynismus der Politik Israels, der USA, der EU, der UNO sowie von Fatah und Hamas anklagen. "Wir wollen ein normales Leben führen können. Ist das zuviel verlangt?", fragen sie.

Wenn es sich dabei nicht um einen Fake handelt, wäre dies eine der schöneren Nachrichten seit Längerem.

17. Januar 2011
 Ihre Meinung zu dieser Kolumne
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Aurel Schmidt, Jahrgang 1935, war bis Mai 2002 Redaktor der "Basler Zeitung" (vorher "National-Zeitung"). Er war mitverantwortlich für das jeden Samstag erscheinende "Basler Magazin" und verfasste zahlreiche philosophische Essays, Reise-Reportagen, Kommentare und Kolumnen. Schmidt, der heute als Schriftsteller und freier Publizist in Basel lebt, machte sich auch als Autor mehrerer Bücher einen Namen: "Der Fremde bin ich selber" (1982), "Wildnis mit Notausgang. Eine Expedition" (1994), "Von Raum zu Raum. Versuch über das Reisen" (1998). Ausserdem liegen vor: "Lederstrumpf in der Schweiz. James Fenimore Cooper und die Idee der Demokratie in Europa und Amerika" (2002), "Gehen. Der glücklichste Mensch auf Erden" (2006), "Auch richtig ist falsch. Ein Wörterbuch des Zeitgeists" (2009). Zuletzt erschienen: "Die Alpen. Eine Schweizer Mentalitätsgeschichte" (2011). © Foto by OnlineReports.ch

aurel.schmidt@bluewin.ch

(Die Kolumnisten sind in ihrer Meinung frei;
sie braucht sich nicht mit jener der Redaktion zu decken.)
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"Aufkeimende Wut kann blind sein"

Ich teile die Ansicht von Aurel Schmidt: Es braut sich etwas zusammen. Die von ihm erwähnten Beispiele von Hessel bis Gaza sind die Spitze eines Eisbergs. Das untergründige Brodeln und seine Botschaft sind hörbar: So wie in den letzten Jahrzehnten kann es nicht weiter gehen. Selbst in Basel meldet sich Unruhe: Sei es bei den Aktionen gegen die Übernahme der "Basler Zeitung" durch national-konservative Kräfte. Sei es auf der Bühne des Basler Theaters, das "Basler Unruhen" aufleben lässt. Übrigens merken es auch einige sensible Profiteure der neo-liberalen Phase: Sie wechseln ins Gold und hoffen, ihre Schäfchen so ins Trockene zu bringen. Nur Leute wie Gerhard Schwarz träumen noch von einer neo-liberalen Renaissance.


Doch die aufkeimende Wut, die Aurel Schmidt verzeichnet, kann blind sein, wenn sie nicht genau weiss, wogegen sie sich richtet und wohin die Reise gehen soll, wenn es so wie bisher nicht weiter gehen kann. Es ist deshalb richtig, hat sich die SP Schweiz in ihrem neuen Programm nicht ganz der Realpolitik verschrieben. Indem sie an der Forderung nach einer Wirtschaftsdemokratie festhält, weist sie einen Weg, der weiter führen kann. Noch weiter gehen die Überlegungen von P.M. in seinem Büchlein "Neustart Schweiz. So geht es weiter." Solche ergänzenden Impulse braucht die Wut, will sie nicht einfach wild um sich schlagen.


Es wird Zeit, dass wir uns überlegen, wie es auch mit 2'000 oder sogar 1'000 Watt gehen kann. Wir leben seit Jahrzehnten über die Verhältnisse. Davon müssen wir abkommen. Es gibt auf der Welt Milliarden von Menschen, die noch etwas zu gute haben. Treten wir es ihnen nicht vorausschauend freiwillig ab, werden sie es sich wutentbrannt holen. Eine Festung Europa lässt sich nicht halten.


Ruedi Epple, Sissach


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"Der neue Eingang zum Birsigparkplatz wird der Ersatzneubau des Heuwaage-Hochhauses bilden."

bz
vom 26. März 2024
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Wer bildet was oder wen?

RückSpiegel


Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

persoenlich.com und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports die Personalrochade bei Prime News.

Die Volksstimme schreibt über die Wahl von Claudio Miozzari zum Grossratspräsidenten von Basel-Stadt und zitiert dabei OnlineReports.

In einem Artikel über die Leerstandsquote bei Büroflächen in Basel nimmt die bz den Bericht von OnlineReports über einen möglichen Umzug der Basler Polizei ins ehemalige Roche-Gebäude an der Viaduktstrasse auf.

Das Regionaljournal Basel und die bz berichten über die Bohrpläne der Schweizer Salinen im Röserental und beziehen sich dabei auf OnlineReports.

Weitere RückSpiegel

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In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).