Bitte den Hintereingang benützen!
In meiner letzten Kolumne schrieb ich den Satz: "Willst Du Ordnung, musst Du Unordnung herstellen." Ich hätte ebenso gut sagen können: Nichts wärmt so sehr wie eine kalte Dusche. Die erhellenden Einsichten entstehen, wenn die Logik auf den Kopf gestellt wird. Zum Beispiel kann es sein Gutes haben, die Unmoral zu verteidigen, wenn die Moral sauer wird und die Prüderie in eine Hetzjagd ausartet. Man muss also gelegentlich den Hintereingang benützen.
Bei einigen meiner Kolumnen habe ich nachträglich den Eindruck, nicht die ultimative Formulierung gefunden zu haben und einer Sache zu wenig auf den Grund gegangen zu sein. Wenn es auf den isolierten Einfall oder Einzelfall meistens nicht ankommt, dann umso mehr auf die Ursache eines Ereignisses oder Phänomens. Also auf den Zusammenhang. Weil aber jede Ursache selbst wieder eine hat, auf die sie zurückgeführt werden kann, ist es manchmal schwierig, auf den Kern einer Sache zu stossen.
Sind zum Beispiel die 8 Milliarden Reingewinn der UBS nur einfach eine Frage von „Wachstum“ und erfolgreich betriebenem „Kostenmanagement“, wie der neue, zynische Ökonomieklatsch lautet, oder handelt es sich dabei um eine Form von Umverteilung, wenn nicht von Vampirologie? Waren die 2,5 Milliarden Franken Steuergelder für die Swiss(air) dazu bestimmt, Tausende Arbeitsplätze zu vernichten, das Unternehmen auf diese Weise für eine spätere Übernahme (wie jetzt durch die Lufthansa) zu präparieren und der Börse sowie den Anlegern und Shareholdern ein Geschenk zu machen?
Am liebsten würde ich mich ganz anderen Themen und Tätigkeiten zuwenden und mit der Entstehung des Universums und den Gesetzen seiner Expansion befassen oder die Pariser Berichte von Heinrich Heine an die Augsburger Allgemeine lesen. Oder ich stelle mir vor, auf dem Gipfel eines Berges zu sitzen und über die grossen Kreisläufe des Lebens nachzudenken. Aber dann wäre die Gefahr gross, aus der entrückten, eisigen Höhe die lästigen Einzelheiten der vereinbarten Wirklichkeit aus den Augen zu verlieren und in eine euphorische Gelassenheit zu geraten, die vielleicht nichts Anderes als eine Form von Fatalismus wäre.
Ich weiss nur und gehe davon aus, dass ich mich von der rituellen Realität vielleicht in einem gewissen Mass distanzieren, aber niemals ganz unabhängig machen kann. Solange ich in dieser Welt lebe, gibt es nur eine davon, und ich komme nicht darum herum, mich damit auseinander zu setzen, wenn ich nicht von ihr verschlungen werden will.
Man muss daher, um etwas zu ändern, bei den sozialen und politischen Gegebenheiten ansetzen. Wie aber sollten die Menschen unter falschen Verhältnissen richtig leben und ihre Lebensumstände passend zurecht biegen, wenn sie von ihnen bereits wie von einem Virus infiziert sind?
Das ist ein Thema, zu dem ich natürlich eine Meinung habe, aber ich werde sie nicht preisgeben. Nicht heute. Vielleicht ein anderes Mal.
Diese Kolumne wirft viele Fragen auf und lässt vieles in der Schwebe. Soll sie. Das ist ihre implizite Absicht. Vielleicht lässt sie dafür den Lesern und Leserinnen die Freiheit, sich selber eine Meinung zu bilden.
21. März 2005
"Kein Weg führt an anstrengender Denk-Arbeit vorbei"
Denken Sie ruhig über die Entstehung des Universums nach! Das Verständnis der kosmischen, aber auch der biologischen Evolution verschafft Ihnen eine bessere Übersicht und lässt Sie Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden. Es weckt Ihr Verständnis für die Bedeutung der Energie, von Ressourcen, der Rangkämpfe, der Hintergründe der Prestige- und Verschwendungswirtschaft, ja dem Verhalten der UBS. Und es zeigt die Bedeutung durchdachter strategischer Ziele auf, die mit der Evolution abgestimmt sind, und die uns helfen, uns in einer komplexen Welt zu orientieren. Es zeigt aber auch die Bedeutung der Ideen, will und muss man sich, wie wir Menschen, eine eigene, kulturelle Evolution schaffen. Und dabei führt kein Weg an anstrengender Denkarbeit vorbei. Die Basler Gesellschaft hat versucht, derartige strategische Ziele zu formulieren und die Bedeutung der Ideen und des Denkens aufzuzeigen, zum Beispiel im Aufsatz "Evolution und Mensch", den Sie unter www.aubonsens.ch unter der Rubrik Publikationen finden. Wer ein Warum hat, erträgt fast jedes Wie! (Friedrich Nietzsche)
Luc Saner, Basler Gesellschaft Au Bon Sens, Basel