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Aurel Schmidt: "Seitenwechsel"

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Gut leben ohne TV-Kochsendungen

Worüber ich mich manchmal mehr wundere als über alles andere, ist die unglaubliche Zufriedenheit, die geistige Genügsamkeit, die Anspruchslosigkeit, mit der sich viele Menschen abfinden.

Natürlich kann ich nicht erwarten, dass eine grosse Zahl von Menschen die Bedeutung – zum Beispiel – des "Dictionnaire historique et critique" von Pierre Bayle kennt oder etwas damit anzufangen weiss, auch wenn das Werk von 1697 dem europäischen Geistesleben einen nachhaltigen Schub gegeben hat.

Das meine ich nicht – auch wenn es mir bedauerlich vorkommt. Was ich sagen will, ist vielmehr Folgendes. Die Menschen geben zu schnell und zu leichtfertig ihre Selbstbestimmung preis. Vielleicht, weil das eigene Leben zu gestalten nichts ist, was wie eine gebratene Gans auf den Teller zu fliegen kommt, sondern eine respektable und gewollte Anstrengung erfordert.

In den "Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen", einem grossartigen Beispiel deutscher Prosa, schreibt Friedrich Schiller: "Ewig nur an ein einzelnes kleines Bruchstück des Ganzen gefesselt, bildet sich der Mensch selbst nur als Bruchstück aus, ewig nur das eintönige Geräusch des Rades, das er umtreibt, im Ohre, entwickelt er nie die Harmonie seines Wesens, und anstatt die Menschheit in seiner Natur auszuprägen, wird er bloss zu einem Abdruck seines Geschäfts, seiner Wissenschaft."

 

"Wir werden täglich von unzähligen
Redensarten und Kommandos konditioniert."


Ein selbstbestimmtes Leben zu führen, es als Kunstwerk aufzufassen, würde zuallererst bedeuten, sich von allen politischen, wirtschaftlichen, kommerziellen, religiösen Einflüsterungen loszusagen.

Wir werden täglich von unzähligen Redensarten, Kommandos, Diskursen herumgeschubst und konditioniert. Was ist unter Wachstum zu verstehen? Eine Tretmühle vielleicht? Was ist mit allmächtiger Vater, Asyl, Kultur, Konsum, Krise, Korrektheit gemeint? Was heisst Markt, Reform, Wettbewerb, Eigenverantwortung in einer Welt, in der 147 Konzerne mit vernetztem Aktienbesitz die Macht über den globalen Kapitalismus ausüben? Wo liegt der Unterschied zwischen dem Liberalismus-Begriff von Adam Smith und dem korrumpierten Begriff von heute?

Wenn ich das alles höre, frage ich mich sofort, was hier verkauft werden soll, nicht nur Zahnpasta, Toner, Designer-Kleider, Snowboards und dergleichen, sondern – in einem erweiterten Horizont – auch Glauben, Gefolgschaft, Zustimmung, Unterwerfung unter einen Konsens, der angeblich zu unserem Besten ist, aber nie zur Debatte gestanden hat.

Man sieht: Wir haben es hier nicht mit Narrativen zu tun, sondern mit Nebelpetarden oder, informationstheoretisch gesprochen, mit einem mächtigen Rauschen.

Die Chinesen sind angeblich überzeugt, dass Nashornpulver Wunder wirkt, und lassen die Tiere rücksichtslos abschlachten. Aber selber sind wir keineswegs frei von vielen anderen, mindestens ebenso absurden Meinungen, Behauptungen, Vorstellungen, Überzeugungen. Die Verführung ist wahrhaftig gross. Ich denke dabei auch an den Fantasy-Plunder im Kino. Auch die Geschichten von People und Promis aus dem Kabinett von Madame Tussaud gehören dazu. Wovon soll mit diesen Störgeräuschen in der Leitung abgelenkt werden?

Ich kann sehr gut ohne Kochsendungen im Fernsehen, "Blick am Abend", Listen der besten Hotels in der Schweiz, Sportler des Jahres, QR-Codes, virtuelle Allmachtsphantasien usw. usw. usw. auskommen. Es gibt ein Leben ausserhalb des Fussballs. Das letzte Tor von Zlatane Ibrahimovic ("Marktwert" 35 Millionen Euro) war eine Sensation, ja, vielleicht, aber es reiht sich mühelos in eine para-religiöse Heilsgeschichte ein.
 
Warum ist Zweifeln besser als Glauben? Weil man sich dann von den Verkäufern der Haupt- und Standard-Überzeugungen keinen Bären aufbinden lassen muss. Kritische Fragen zu stellen ist eigentlich eine  Bürgerpflicht und gehören zum Gründungsakt der Zivilgesellschaft. Zum Beispiel sollte man sich nicht daran halten, was die Medien verbreiten, sondern – im Gegenteil – was sie nicht veröffentlichen. Was wird vorenthalten, was ist "unwichtig" und entbehrlich – und warum? Das wäre erhellend, um die industrielle Nachrichtenproduktion in den Meinungsfabriken zu durchschauen und durchkreuzen. Die veröffentlichte Meinung ist – auch hier in den allermeisten Fällen – die herrschen sollende Meinung.

Unumgänglich, um zu denken und eine eigene Meinung zu bilden, ist die Sprache. Ohne Sprache fallen wir der Ahnungslosigkeit und Ignoranz anheim. Nur was wir sagen können, frei von allen propagandistischen Absichten, kann verstanden werden, und nur, wenn wir verstanden haben, was gemeint ist, können wir uns einmischen und wehren. Sonst tun es die anderen. Für uns – aber auf ihr Konto.

31. Dezember 2012
 Ihre Meinung zu dieser Kolumne
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Aurel Schmidt, Jahrgang 1935, war bis Mai 2002 Redaktor der "Basler Zeitung" (vorher "National-Zeitung"). Er war mitverantwortlich für das jeden Samstag erscheinende "Basler Magazin" und verfasste zahlreiche philosophische Essays, Reise-Reportagen, Kommentare und Kolumnen. Schmidt, der heute als Schriftsteller und freier Publizist in Basel lebt, machte sich auch als Autor mehrerer Bücher einen Namen: "Der Fremde bin ich selber" (1982), "Wildnis mit Notausgang. Eine Expedition" (1994), "Von Raum zu Raum. Versuch über das Reisen" (1998). Ausserdem liegen vor: "Lederstrumpf in der Schweiz. James Fenimore Cooper und die Idee der Demokratie in Europa und Amerika" (2002), "Gehen. Der glücklichste Mensch auf Erden" (2006), "Auch richtig ist falsch. Ein Wörterbuch des Zeitgeists" (2009). Zuletzt erschienen: "Die Alpen. Eine Schweizer Mentalitätsgeschichte" (2011). © Foto by OnlineReports.ch

aurel.schmidt@bluewin.ch

(Die Kolumnisten sind in ihrer Meinung frei;
sie braucht sich nicht mit jener der Redaktion zu decken.)
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"Silikonimplantate bald auch unter der Hirnschale"

"Warum ist Zweifeln besser als Glauben?" Also lieber Aurel Schmidt, das ist ja total subversiv! Religiöse Zweifel werden mittlerweile in der westlichen Hemisphäre zur Not akzeptiert, wenn auch nicht vom Papst. Aber Zweifel am Sinn von Promi-Hype und Kochsendungen? Zweifel an "virtuellen Allmachtsphantasien", z.B. denen von selbsternannten Gurus? Zweifel an den Segnungen des Wirtschaftsliberalismus? Zweifel an der Wirksamkeit von Nashornpulver? Beschwören Sie da nicht auch noch einen wirtschaftlichen und kulturellen Konflikt mit China herauf?


Wir leben halt in einer neuen Aera und müssen uns damit abfinden. Die "ästhetische Erziehung des Menschen" nach Schiller wird abgelöst durch die Ästhetik der kosmetischen Chirurgie, fragen Sie nur die geschmähten Promis. Ausserdem ist es nur eine Frage der Zeit, bis Silikonimplantate auch unter der Hirnschale landen. Dann werden auch Sie das TV-Kochen bald als intellektuellen Höhepunkt erleben. Sofern Sie nicht wegen zuviel kritischer Denke auf dem Gasgrill des Fernsehkochs landen.


Esther Murbach, Basel


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"Bais steht vor Gewissens-Entscheid"

OnlineReports.ch
Im Titel des Newsletter-Textes vom 18. April 2024.
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Auch Nomen sind Glückssache.

RückSpiegel

 

Klein Report nimmt die Recherche von OnlineReports über das bz-Buch von Roger Blum auf.

Die BaZ bezieht sich in einem Artikel über die Zerwürfnisse in der Baselbieter SVP auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Kita-Krise im Baselbiet auf OnlineReports.

BaZ, Baseljetzt und Happy Radio nehmen die OnlineReports-News über das geplante Ministertreffen in Basel auf.

Der Sonntagsblick zitiert OnlineReports in einer grossen Recherche über die Baselbieter SVP-Politikerin Sarah Regez.

Baseljetzt verweist im Bericht über Basler Schiffsunfälle auf ein OnlineReports-Video.

Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

persoenlich.com und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports die Personalrochade bei Prime News.

Die Volksstimme schreibt über die Wahl von Claudio Miozzari zum Grossratspräsidenten von Basel-Stadt und zitiert dabei OnlineReports.

In einem Artikel über die Leerstandsquote bei Büroflächen in Basel nimmt die bz den Bericht von OnlineReports über einen möglichen Umzug der Basler Polizei ins ehemalige Roche-Gebäude an der Viaduktstrasse auf.

Das Regionaljournal Basel und die bz berichten über die Bohrpläne der Schweizer Salinen im Röserental und beziehen sich dabei auf OnlineReports.

Weitere RückSpiegel

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In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).