Willkommen im Menschen-Park
Die Nachrichten, die in den Tagen vor Weihnachten eintrafen, waren wenig erfreulich. Sie waren schrecklich. Es war regelrecht eine schwarze Woche.
Die EU-Agrarminister konnten sich auf keine Regelung des Kabeljau-Fangs in der Nordsee einigen. Der verhängnisvolle Raubbau kann jetzt ungebremst weitergehen.
In Bern wurde die Öffnung für Parallelimporte beschlossen, aber nur teilweise und ausgerechnet dort, wo es am verkehrtesten ist: In der Landwirtschaft, wo sie sich am Ende nachteilig auf die Landwirtschaft selbst, auf die Löhne und zuletzt auch auf die Nahrungsmittel auswirken muss, während zum Beispiel Auto-Importe oder die Pharma-Branche, wo jährlich 100 bis 200 Millionen Franken gespart werden könnten, geschont werden. Es ist ein Entscheid im Interesse der Hausherren.
Im weiteren hob der Ständerat die bisher strenge Bio-Verordnung auf, und der Nationalrat beschloss ein neues Gesetz, das für Biotech-Patente eine Lösung im Sinn der Pharma-Industrie vorsieht. Die Lobby nannte es einen "Sieg der Innovationskraft der Schweizer Wirtschaft", in Wirklichkeit wird die Grundlage für eine Steigerung der branchenüblichen Gewinne hergestellt. "Krebs-Medis viel zu teuer", schrieb der "Blick" am 20. Dezember 2006 in diesem Zusammenhang. Am gleichen Tag konnte man in "CashDaily" lesen: "Roche hat 16 Milliarden in der Kriegskasse."
Krieg. So ist es. Krieg ist der richtige Ausdruck. Noch Fragen?
Schliesslich wurde bekannt, dass das Bundesamt für Gesundheit das Verbot der Präimplantations-Diagnostik lockern und verwässern, also eigentlich liquidieren will. Damit wird die Tür zu den sogenannten Designer-Babies geöffnet.
Mit Designer-Babies ist gemeint, dass Embryos im Reagenzglas mit einer bestimmten genetischen Zusammensetzung gebastelt und in die Gebärmutter implantiert werden. Diese Gene können später für die Behandlung anderer kranker Menschen verwendet werden. Mit unabsehbaren Konsequenzen. Willkommen im Menschen-Park.
Eines Tages wird es möglich sein, Menschen nach Mass zu züchten und zu bestellen. Der Frankenstein-Realismus ist in Realitätsnähe gerückt Wer mischt die Karten? Wer macht Kasse? Die Börse? Eine dubiose Zentralakademie für die Verbesserung und den Fortschritt der Menschheit, die zu diesem Zweck ins Leben gerufen wird? Der Arbeitgeberverband, der noch 200 Kanalputzer braucht?
Man sagt zwar Gesundheit, weil man mit der nachsichtigen Denkungsart die gutgläubigen Mäuslein fängt, es geht dabei aber um die Frage, die auch in der Patent-Problematik gestellt werden kann und muss, aber übergangen wird: Wem gehört die Natur? Wer kann sie patentieren lassen? Wie der Gen-Mais schon dem Agro-Business gehört, sollen auch die Menschen eines Tages als Leibeigene in Konzern-Eigentum übergehen.
Damit ist der erste Teil der Menschheitsgeschichte von der Zellteilung zur juristischen Besitzergreifung des Lebens abgeschlossen, und ein neues Kapitel kann aufgeschlagen werden.
Zwar wollen Politiker wie Paul Gutzwiller, der von Gesundheit spricht, wenn er schulmedizinische und industrielle Interessen meint, eine "strenge Regelung". Aber die Bio-Verordnung hat demonstriert, was derlei taugt. Sobald die Grossinteressenlage kehrt, werden die Bestimmungen geändert. Passende Gründe lassen sich immer finden.
8. Januar 2007
"Hochschulen forschen oft im Interesse der Pharmaindustrie"
Eine Nebenbemerkung innerhalb dieses von Aurel Schmidt präzise dargestellten Komplexes: Die schweizerische Pharmaindustrie lässt ständig verlauten, sie brauche sowohl den maximal engst geführten Patentschutz auf alles und jedes, was sie "erfinde", und sie brauche die viel zu teuren Medikamentenpreise sowie ein Parallelimportverbot für günstigere Medikamente in der Schweiz, weil sie schliesslich in diesem Land forsche.
Fakt ist aber auch, dass der Staat Schweiz jährlich Milliarden Franken Steuergelder ausgibt, damit an den Hochschulen des Landes geforscht wird, und zwar häufig durchaus im Sinne der "einheimischen" Pharmaindustrie. Die Pharmariesen sind nicht aus lauter Liebe zum Land oder gar zu den Landesbewohnern in der Schweiz ansässig. Hauptmotor ihrer Anwesenheit ist das Umfeld, ist dieser Staat, der ihr willfährig bis zur Selbstverleugnung ist.
Dass genau dieser Umstand Grund zu kritischer Distanz gegenüber den Interessen der Nahrungsmittel- und der Pharmaindustriebesitzer sein sollte, geht in der devoten Andachtshaltung der veröffentlichten Meinung und der sogenannten bürgerlichen Politik gegenüber den Banken- und Pharmainteressen hier zu Lande längst völlig unter.
Alois-Karl Hürlimann, Basel
"Apokalyptische Untergangsstimmung der Innovations-Gegnerschaft"
In seiner "Seitenwechsel"-Kolumne über den Menschen-Park hat Aurel Schmidt einiges durcheinander gebracht bei den "Designer-Babies". Die Präimplantationsdiagnostik (PID) hat mit Designer-Babies nichts zu tun, da werden nicht "Embryos im Reagenzglas mit einer bestimmten genetischen Zusammensetzung gebastelt", denn das ist heute noch gar nicht möglich und auch nicht gewollt, da in der Bundesverfassung verboten. Bei der PID werden genetische Abweichungen, zum Beispiel schwere, unheilbare Krankheiten, oder im Falle des Retterbabys genetische Übereinstimungen untersucht. Für betroffene Eltern ist das ein Segen. Diese medizinische Diagnostik als "Frankenstein-Methode" zu bezeichnen, ist mehr als nur eine schallende Ohrfeige für betroffene Paare mit genetisch bedingten Krankheiten oder von Eltern von todranken Kindern, denen mit einer Knochenmark-Transplantation geholfen werden kann. Im Sinne des Seiten-Wechsels wäre es schön, wenn der Kolumnist seinen Blick von der apokalyptischen Untergangsstimmung der Innovations-Gegnerschaft auf die realen Bedürfnisse von betroffenen Paaren und Eltern wechseln würde, statt diese zu verunglimpfen mit Frankenstein-Vergleichen. Er soll den betroffenen Kindern und Eltern in die Augen sehen - dann wird er es auch anders sehen.
Conrad Engler, Sekretär "Verein Kinderwunsch", Binningen