Von Blech- und anderen Schäden
Das Vokabular der medialen Umgangssprache muss dringend nachgeführt werden. Nach "Peanuts" und "Bimbes" nehmen wir den Ausdruck "Blechschaden" neu auf. Der Direktor der Eidgenössischen Bankenkommission, Daniel Zuberbühler, hat ihn geprägt und damit den "Abschreiber" (auch neu im Wörterbuch) der UBS von zuerst vier und danach elf Milliarden Franken gemeint.
Auch die Reparatur dieses Blechschadens ist keine grosse Sache. Marcel Ospel musste nur kurz zum Telefonhörer greifen und bei der GIC in Singapore anrufen. Diese bot ihm 11 Milliarden Franken an, nicht umsonst natürlich, sondern zu 9 Prozent während zwei Jahren. Von den 11 Milliarden müssen also 2 sofort wieder abgezogen werden. Nicht schlecht für die GIC. Eigentlich sehr gut. Die Sparer bei der UBS werden das anders sehen.
Von "Blechschaden" zu sprechen, zeigt deutlich, wie in diesen Kreisen gedacht beziehungsweise geschäftet wird. Man würde sich sonst keinen Begriff davon machen. Vielleicht sind 11 Milliarden wirklich nicht viel. Es kommt auf den Standpunkt an.
Die Novartis muss oder will sparen. Weil das "Marktumfeld" härter geworden ist, reagiert der Konzern mit einem "Kostensenkungsprogramm". Mit 2'500 Stellen, die abgebaut werden, 400 davon in Basel, lassen sich 1,6 Milliarden Dollar verdienen, wenn möglich durch natürliche Fluktuation. Sonst anders. Sogar die chemiefreundliche "Basler Zeitung" konnte den Verdacht nicht los werden, "dass hier Mitarbeitende, die mit ihrer Arbeitskraft zur gesunden Verfassung des Unternehmens beigetragen haben, quasi auf Vorrat abgebaut werden".
Entlassungen wie diese passen wie eine Faust auf das Auge der aktuellen Diskussion über Mindestlöhne beziehungsweise Lohnanpassungen. Nur bloss das nicht, lassen sich die erschrockenen Arbeitgeber und Wirtschaftsexperten vernehmen, das könnte "den Aufschwung behindern" und "die Wachstumschancen verspielen". Seltsam ist nur, dass die Anpassung von Minimallöhnen eine Bedrohung für die wirtschaftliche Entwicklung sein soll, die märchenhaften Manager-Gehälter es dagegen nicht sind.
Vielleicht sind "Aufschwung" und "Wachstum" Neologismen, Wortneuschöpfungen, die in der Umgangssprache heissen: "Erhöhung der Kaderlöhne und Konzerngewinne". Andernfalls fiele es den Mindest- und Tieflöhnen zu, den Aufschwung berappen. Aber auch das ist nur eine bestimmte Sichtweise.
Oder doch nicht ganz. Denn inzwischen macht sich sogar die UBS ("investor's guide", Mai 2007) Gedanken über den Unterschied von Kapital und Arbeit sowie über die auseinander klaffenden Löhne und befürchtet einen politischen Linksrutsch.
Gewisse Unternehmer scheinen mehr und mehr einem Allmachtswahn zu verfallen und das Mass zu verlieren. Sie wähnen sich als Junta dieses Landes. Der Verwaltungsratspräsident der "Bâloise" will die SP aus dem Bundesrat werfen, der SVP-Nationalrat Peter Spuhler ist der Ansicht, dass sieben Blocher in den Bundesrat gehörten.
Man muss diese Leute vielleicht erinnern, dass schon jetzt alles getan wird, um sie bei Laune zu halten, aber dieses Land ihnen noch nicht ganz gehört und der Souverän noch andere Menschen mit anderen Werten und Erwartungen umfasst.
27. Dezember 2007
"Krise innert kürzester Zeit bereinigt"
Es kommt in der Tat auf den Standpunkt an. Im Falle der UBS AG entsprechen 11 Milliarden rund 1,5 Jahresgewinnen. Dramatisch? Nein! Schlechtes Risk-Management? Auf jeden Fall! Summa summarum: Die Führung eines seit der Gründung im Dezember 1997 hochrentablen Privatunternehmens entschied in einem Transaktionssegment, in unverständlicher Dimension, falsch und verlor massiv Geld. Die notwendigen Korrekturen organisatorischer Art dürften getroffen worden sein. Gerade die Tatsache, dass selbst eine derartige Krise innert kürzester Zeit in eigener Regie bereinigt werden konnte, sollte beruhigen ... nicht echauffieren.
Patric C. Friedlin, Basel