Hier Lügenpresse – dort politische Korrektheit
Die geopolitische Weltlage hat sich verändert, und das real existierende Europa ist in Schieflage geraten. Das ist eine verbreitete Meinung, die man hören kann, wenn man die richtigen Medien liest. Richtig sind in diesem Fall diejenigen, die auch unangenehme Themen aufgreifen.
Die Politik der EU, die Europa prägt und Auswirkungen bis in die Schweiz nach sich zieht, hat versagt. Sie ist in einem deplorablen Zustand, weil sie mehr die wirtschaftlichen Interessen bedient als die Erwartungen der Menschen. So bildet sich eine einseitige Machtkonstellation heraus, die immer weiter um sich greift. Wir reden von Demokratie und blenden aus, dass der Finanzmarkt die Fäden zieht, an denen die Marionetten ihre Verbeugungen ausführen.
Die EU als Friedenswerk ist unbestritten, aber niemand spricht von den sozialen Einbussen. Europa ohne EU wäre ein schlechtes Projekt, aber der Markttotalitarismus, der sich ausgebreitet hat, ist selbst eines. Die Leader wollen Wohlstand, der auch ohne Demokratie möglich sein soll, doch das geht nicht zusammen. Wohlstand gedeiht und Wachstum erfolgt dort am besten, wo einigermassen gerechte Verhältnisse herrschen.
Politik hat sich, gerade in der Schweiz, auf Steuersenkungen und Parkplätze reduziert, das genügt offenbar. Die Steuerschlupflöcher sollen gestopft werden, das ist eine beliebte Aussage im Potpourri der politische Deklamationen, aber wenn es darauf ankommt, werden Beschlüsse auf das nächste Mal verschoben, wie am jüngsten G20-Gipfel.
"Es wäre ungerecht, ausschliesslich
der Politik Vorwürfe zu machen."
Preise, Tarife, Gebühren, Prämien, zum Beispiel der Krankenkassen, werden angepasst, also erhöht, nur die Einkommen hinken hinterher. Renten unterliegen den Entwicklungen auf dem Finanzmarkt und den Negativzinsen. "Das Fuder darf nicht überladen werden", auch das ist eine der vielen populären Aussagen, die nichts sagen.
Visionen werden von der Politik schon lange keine mehr weder erwartet noch hervorgebracht. Wer will sich denn deswegen gleich zum Psychiater begeben? Aber ohne Visionen, ohne Überblick, irren wir mit der allgemeinen Stange im allgemeinen Nebel umher und reden von diesem und jenem, zum Beispiel von europäischen Werten. In Wirklichkeit meinen wir den Shareholder Value und die Hausse an der Börse. Weiter reicht der Horizont nicht, und Öde breitet sich aus.
Im Namen der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen lassen die die Geschäftsleute auf die Kooperation mit korrupten Regimes und Potentaten ein. Ökonomie kann auf Charakter gut verzichten, mit Ausnahmen, natürlich, klar doch. Gleichwohl stellt sich, auch wenn die Verhältnisse in Syrien oder Eritrea ungleich schlimmer liegen, die Frage: In was für einer Zeit leben wir hier eigentlich?
Es wäre aber ungerecht, ausschliesslich der Politik Vorwürfe zu machen, auch wenn die Medien die Vertreter der politischen Klasse befragen, als wären es Hellseher und Heilsbringer. Der Vorwurf der Lügenpresse ist die Folge einer verfehlten, selektiven Informationspolitik. Dazu gehört die Angst, den Falschen in die Hände zu spielen. Wenn Nachrichten bewusst verschwiegen werden, kommt das einer Verfälschung gleich. In einer freien Gesellschaft ist Platz nur für Offenheit.
Kehrseite der Lügenpresse ist die politische Korrektheit, die die Verhältnisse genauso verfälscht und auf ein Kritik- und Meinungsverbot hinausläuft. Kritik am Islam wird als Islamophobie denunziert, obwohl nur der salafistische Dschihad-Islam gemeint ist, der zu einem Spielfeld radikaler Kräfte geworden ist, die sich ihren Einfluss finanziell etwas kosten lassen. Was wiederum eine Entwicklung ist, der die Politik hilflos gegenübersteht. Wie soll das weitergehen?
Wenn Politiker und Medien gemeint sind, dann fehlt noch eine dritte Gruppe: die Menschen, die von den beiden anderen Fraktionen abhängig sind. Sie lassen sich viel zu viel gefallen und alles mit sich machen. Meistens haben sie keine Ahnung davon, was um sie herum geschieht und nehmen zufrieden hin, was ihnen vorgemacht wird. Diese Beteiligungslosigkeit muss ihnen vorgehalten werden.
Weil sie nichts wissen, sitzen sie den ausgestreuten Risikogerüchten auf und stimmen freiwillig für den Kontrollstaat, dem sie bedenkenlos ihre Daten überlassen, so dass die Sicherheitsbehörden jeden ihrer Schritte verfolgen können. Der bargeldlose Zahlungsverkehr würde das Mass der Überwachung vollmachen.
Menschen-Management funktioniert schleichend und unsichtbar. Ich habe nichts zu verbergen, denken die Menschen und merken kaum, dass sie wie Fische im Netz zappeln. Für eine fragwürdige Sicherheit geben sie ein Stück Freiheit auf, verlieren aber, wie ein kluger Kopf einmal sagte, am Ende beides und gucken konsterniert in die Luft.
Aber halt, da klingelt das iPhone! Kommunikations-Technologie ist das Zentrum des Lebens und Telefonie die einzige überragende kulturelle Verrichtung heute.
Nur hat niemand bedacht, dass wir vielleicht zu spät erkennen werden, was wir nicht gewollt haben.
3. Oktober 2016