Fehlplanung im Gemüsegarten der Schweiz
Der Fall "Galmiz" ist ein Lehrbuch-Beispiel dafür, was Planung in der Schweiz nicht heissen darf. Mitten im Grossen Moos im Seeland sollen 55 wertvolle Hektaren umgezont werden, damit ein anonymes amerikanisches Pharma-Unternehmen sich dort niederlassen kann. Noch nicht berücksichtigt sind die fehlenden infrastukturellen Anschlüsse (Strassen, Energie).
Das Grosse Moos ist eine der letzten grossen, zusammenhängenden Landwirtschaftszonen in der Schweiz, gewissermassen der Gemüsegarten der Schweiz. In einer Art Kabinettspolitik der Gemeinde- und Kantonsbehören und mit Bundessegen wurde versucht, die Umzonung heimlich durchzuziehen und die Öffentlichkeit vor ein fait accompli zu stellen. Die lockende Aussicht auf 1'200 Arbeitsplätze schien den lokalen Amtsinhabern auszureichen, um demokratische Beschlüsse zu umgehen, raumplanerische Massnahmen über den Haufen zu werfen und dem fremden Unternehmen Steuervorteile auf zehn Jahre hinaus zu gewähren.
Wie Konquistadoren ziehen multinationale und Grosskonzerne durch die Länder und schauen sich nach Standorten um, wo sie günstige Bedingungen aushandeln können: Steuererleichterungen oder -befreiung; minimale bis gar keine ökologischen Auflagen oder Sozialleistungen; keine arbeitsrechtlichen Bedingungen. Immer mit dem Segen der jeweiligen Behörden, die oft Diktatoren sind. Wenn dann die Weide abgegrast war, wird ein neuer Standort gesucht. Die Konquistadoren-Unternehmen ziehen weiter, zurück bleibt eine Spur der Verwüstung. Das war bisher in den Schwellen- und Drittweltländern der Fall. Jetzt greift die Entwicklung auch auf die Schweiz über. Auch hier wirken diskrete und unterwürfige Lokalpolitiker mit, die leider nur das Beste im Sinn haben.
Bei der aktuellen Standort-Konkurrenz spielen die Unternehmen mit den örtlichen Behörden Katz‘ und Maus. Warum sollten sie, wenn sie an einem Ort gute Konditionen herausgewirtschaftet haben, nicht an einem anderen Ort versuchen, unter Berufung auf die erzielten Ergebnisse noch bessere herauszuholen? Das Unternehmen, das Galmiz im Auge hat, verhandelt auch mit zwei weiteren Gemeinden in der Schweiz sowie mit den Behörden in Irland und Singapore.
Der Fall "Galmiz" führt zu einigen Fragen und Schlussfolgerungen.
1. Warum sollte man wie hier nicht unverblümt von Erpressung sprechen, die nur möglich ist, weil die Lokalbehörden so bereitwillig Hand bieten? Zum Beispiel lockt die Idee Seetal GmbH (www.seetal.ch) ausländische Unternehmen unverblümt mit der Werbung an: "Deutsche Unternehmer zahlen bei uns keine Steuern." Klein gedruckt: "Pauschalsteuerabkommen möglich."
2. Bei diesem Konkurrenz-Karussell müssen einheimische Unternehmen im Ausland Standortvorteile suchen, wie sie ausländischen Unternehmen in der Schweiz gewährt werden, und sich überlegen, ob sie nicht abwandern sollen. Die Gewinne auf der einen Seite werden dann von den Verlusten auf der anderen aufgewogen.
3. Den Widerstand gegen "Galmiz" hat die Schweizerische Stiftung für Landschaftsschutz organisiert. Zum Glück gibt es das Verbandsbeschwerde-Recht.
10. Januar 2005
"Diese einmalige Gelegenheit!"
In Aurel Schmidts Artikel geht es darum, eine mögliche Ansiedlung einer Chemiefarbrik mit allen verfügbaren Mitteln zu verhindern. Die Sektionen der Pro Natura beschuldigen sich gegenseitig, dass sie einander bei der Verhinderung zum möglichen Bau einer Chemiefabrik zuwenig unterstützen. Für die Seeländer Politiker ist das Projekt in Galmiz kein Thema, da es sich zwei Kilometer von der Berner Grenze abspielt.
Sind das die Zukunftsaussichten für die Schweizerische Eidgenossenschaft? Erinnern wir uns doch einmal an die Pionierleistungen unsere Seeländer Vorfahren, sie bekannten sich zu neuen Ideen und deren Trägern. Sie gaben den Anstoss zu Leistungen, die einen wirtschaftlichen Aufschwung ermöglichten. Namen wie Neuhaus, Blösch, Widermeth, Müller und andere, die sich als Unternehmende verstanden, und die ihren Mitbürgern an Klugheit, Wagemut und Fleiss Vorbild waren.
Um ein Projekt von nationaler Bedeutung wie das Ansiedeln einer Chemiefabrik zu bewältigen, braucht es Pioniere! Diese einmalige Gelegenheit, ein Unternehmen mit hoher Wertschöpfung und die damit verbundenen Investitionen und neuen Arbeitsplätzen anzusiedeln, sollte sich die Region Seeland nicht entgehen lassen!
Sicher gibt es noch andere Standorte als Galmiz, im freiburgischen St. Aubin beispielsweise versuchen Novartis/Syngenta seit Jahrzehnten ein Werksgelände zu verkaufen. Hier sind die gesamten Infrastrukturen zur Ansiedlung einer Chemiefabrik vorhanden und das Projekt könnte in kürzester Zeit realisiert werden.
Ich wünsche mir, dass sich Politiker und Umweltaktivisten über Gemeinde- und Kantonsgrenzen hinweg zu einer Aussprache finden und sich zu neuen Ideen bekennen. Die Region Seeland hätte einen wirtschaftlichen Aufschwung mehr als verdient.
Rolf Schneeberger, Riehen