Im Ententeich des Zeitgeists: Donald Trump
Dass Donald Trump zum Präsidenten der USA gewählt würde, war vorauszusehen. Die vielen berechtigten Angriffe auf Trumps Person erzeugten eine umgekehrte perverse Verstärkerwirkung, wie sie zur medialen Politik gehört. Noch erhellender wäre es gewesen, die Frage zu stellen, wer Stephen Bannon ist, den Trump schon im August zu seinem Chefberater gemacht hatte.
Bannon, in armen Verhältnissen aufgewachsen, hatte erlebt, wie sein Vater in der Finanzkrise sein Erspartes verlor, und daraus eine Wut auf das Establishment entwickelt, auf die Demokraten, aber auch auf republikanische Repräsentanten. Wenn Trump mal den Rambo, mal den Anarcho machte, befolgte er genau die Regieanweisungen, es denen in Washington zu zeigen, die der radikale Rechte Bannon ihm vorgeschrieben hatte.
Eines jedoch war Trump zu allerletzt: ein Rechtspopulist. Dazu passen seine Rolle und sein Handeln zu perfekt in das neoliberale Dispositiv.
Im Neoliberalismus verschwinden Demokratie und das Soziale; sie werden durch eine Marktorganisation ersetzt. Der Staat verwandelt sich in eine Firma, der Präsident in einen CEO, und an die Stelle des Bürgers, der mit anderen Menschen das soziale Zusammenleben organisiert, tritt der Konsument. Allenfalls wird Demokratie durch die Wahl zwischen zwei Markenartikeln ersetzt, vielleicht durch eine TED-Umfrage.
Der Mensch ist des Menschen Konkurrent geworden (im Sinn von Mitläufer, aber hier eher von Gegenspieler und Kontrahent). Es geht nicht um Konsens, sondern darum, die Partie zu gewinnen (wer trifft im Wettbewerb / Wettkampf / Wettlauf zuerst im Ziel ein). Nicht umsonst geniesst der Tennissport heute soviel Beachtung (er ist kein Teamsport). Das neoliberale Gesetz unterscheidet zwischen Freund und Feind ("Divide et impera"). Anstelle von Gerechtigkeit werden Sieger und Verlierer ermittelt ("the loser gets fired", selber schuld, Schicksal). Wer wundert sich also, dass Hillary Clintons "Stronger together" in der gegenwärtigen allgemeinen Stimmung nicht verfing?
"Mit Symbolpolitik wird es in Zukunft
nicht mehr getan sein."
Der Neoliberalismus, der Ungleichheit schafft, bietet sich zu deren Überwindung an, absurderweise. Trump, der den Opfern des Neoliberalismus und der Globalisierung versprach zu helfen, wird kaum daran denken, es zu tun. Warum auch? Bleibt die Frage, warum die sogenannten Abgehängten immer häufiger steuervergünstigte Milliardäre zu Regierenden wählen, mithin zu ihren Bossen. Der amerikanische Publizist Thomas Frank konnte in seinem Buch "Arme Milliardäre" (der Titel ist ironisch gemeint) die Frage nicht beantworten. Er meinte bloss, es sei die "Standard-Regel". Und das ist es wohl auch.
So geht die Welt. Trump kann also auch nicht, wie es oft geschehen ist, als Faschist bezeichnet werden. Er ist ein reiner Businessman (dem seine Pleiten nichts anhaben können), der schauen wird, die Demokratie und internationale Verträge als Marktbehinderung in die Schranken zu weisen. Sollten seine Wähler wider Erwarten davon ebenfalls profitieren – umso besser. Doppelter Gewinn. Ohne Sarkasmus kann man das nicht verstehen.
Trumps Ankündigung "Make America great again" deckt sich überraschend mit Vladimir Putins Idee über Novorussia und Recep Tayyin Erdogans neo-osmanischen Halluzinationen. In den USA ist es nicht mehr als ein Ablenkungsmanöver für die verarmte Arbeiterschaft in Pennsylvania. Zur Not kann es auch die Religion besorgen. Trump hat in seiner Firma dafür den Vize Mike Pence bestellt, den der amerikanische investigative Journalist Jeremy Scahill als Anhänger eines "christlichen Djihadismus" bezeichnet hat.
Warum aber nur ist gegen die neuen radikalen Rechtstendenzen kein Kraut gewachsen? Vielleicht, weil reaktionäres Gedankengut sich generell stets durch sich selbst erklärt. Es ist eben die Regel. Wahrscheinlich liegt es aber auch daran, dass im Habitus des rasend gewordenen Populismus dieser Zeit keinerlei Selbstzweifel programmiert sind.
Ein vergleichbarer Einwand geht auch an die Linke. Wie war es nur möglich, dass der rechte Trump den ökonomischen Verlierern in seinem Land als Heilsfigur erscheinen konnte? Wo sind die Linken geblieben, wo haben sie sich verkrochen?
Ihr Fehler war es, sich viel zu sehr auf identitätspolitische Fragen beschränkt zu haben, wie der amerikanische Autor Mark Lilla in einem Artikel in der "New York Times" festgestellt hat. Gemeint ist damit die Fokussierung auf minoritäre Identitäten (LGBT, Latinos und andere) zum Nachteil der grossen konkreten Themen wie Politik, Arbeit, Gesellschaft, soziale Ungleichheit, Kultur, die in einem übergeordneten Sinn für alle Menschen Gültigkeit haben, nicht nur für eine Apartheid-Bevölkerung.
Hillary Clinton vertrat den Status quo, aber die Hälfte der Bevölkerung wollte Wandel – Verbesserung der Lebenslage. Und Trump übernahm das Ruder.
Die Linke wird sich neu besinnen müssen, ohne der Rechten nachzugeben. Mit Multikulturalität und politischer Korrektheit wird sie nicht viel mehr erreichen als das eigene Gewissen zu beruhigen und sich den Anschein von exklusivem Anstand zu geben. Mit Symbolpolitik ist es nicht mehr getan. Umso mehr Bedeutung muss dafür eine relevante sozial und gesellschaftlich orientierte Politik wieder bekommen.
28. November 2016
"So vergessen Menschen ihre eigenen Interessen"
Die Analyse von Aurel Schmidt trifft im Grossen und Ganzen zu. Nur verstehe ich nicht, dass Populismus und Neoliberalismus nicht zusammengehören würden. Das tun sie sehr wohl. Der Neoliberalismus profitiert vom Populismus. Populismus tritt als "Phalanx" auf, Neoliberalismus (=Konservativ-Liberalismus) als "Trittbrettfahrer/Nutzniesser".
Ist da sogar kein System darin? Die Geschichte lehrt uns diesbezüglich einiges. Mit Ängsten, mit Nationalismus und Patriotismus wurden Menschen immer wieder bespielt, damit sie ihre eigenen Interessen vergassen. Wir laufen allzu schnell Volkstribunen nach, während Dritte davon nur zu gerne auch einen Gewinn ziehen.
Mich interessiert vor allem die Frage, wie bringen wir den unangenehmen Zeitgeist und die Negativspirale wieder weg. Braucht es dazu aufs Neue monströse Kalamitäten? Oder kommen die Mitte und die progressivere Rechte als Bewegungen kritischer, toleranter und optimistischer Weltbürger rechtzeitig mit der gemässigten Linke zusammen zu Gunsten einer Gesellschaftsordnung mit Zukunft und Zusammenhalt für alle?
Peter Toebak, Liestal