Das Mass der Milde für Straftäter
Straffällige, die im Gefängnis ein Leben in Saus und Braus führen, gehören zum Empörungsthema am Stammtisch. Ganz falsch sind sie trotzdem nicht, wie zwei Beispiele zeigen, die in den Medien unlängst für Aufsehen sorgten.
Für den 18-jährigen Messerstecher Carlos musste ein "Sonder-Setting" eingerichtet werden, da alle Einweisungen in Gefängnisse, Heime und Kliniken nach kurzer Zeit wegen Renitenz abgebrochen werden mussten. Carlos war gewohnt, Forderungen zu stellen: höheres Taschengeld, Gokart-Fahrten in der Freizeit, Armani-Parfüm, Cannabis und Marihuana, Thai-Boxkurse. Das Entgegenkommen, das er erfuhr, war gross.
29‘000 Franken wendete der Kanton Zürich im Sinn einer Resozialisierung für ihn monatlich auf. Eine Traumkarriere auf Kosten der Steuerzahler. Mancher Schweizer hätte ebenfalls gern so gelebt.
Der zweite Fall. Der 39-jährige, 2003 zu einer 20-jährigen Haftstrafe verurteilte mehrfache Sexualstraftäter Fabrice Anthamatten hatte während eines Freigangs auf dem Weg zu einer Reitstunde seine Sozialbetreuerin vergewaltigt und ermordet. Vier Tage später wurde er verhaftet.
Zu Recht war die Verständnislosigkeit in beiden Fällen gross. Wieso Freigang? Wieso Reitstunde? Wieweit soll und darf Milde gehen? Ich glaube aber, dass die in der Diskussion aufgeworfenen Fragen anders hätten lauten müssen.
Etwa: Wozu ist Strafe gut? Der liberale Strafzweck sieht sein Ziel in der Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der gestörten Ordnung. Er ist weder Vergeltung, noch Sühne, sondern ein Versuch, den Straffälligen zur Einsicht in das begangene Unrecht zu bringen.
Aus diesem Grund hat die Resozialisierung an Bedeutung gewonnen. Das ist eine noble Einstellung. Die Kehrseite ist die Therapie-Industrie, die sich darum herum entwickelt hat.
Mit psychiatrischen Gutachten wird das Strafmass verringert; mildernde Umstände werden im Fall einer schweren Jugend oder wegen psychischer Labilität berücksichtigt. Das ist manchmal berechtigt, aber immer häufiger diskutabel. Ich nehme an, dass die Mehrheit der Menschen nicht gerade unter idealen Verhältnissen aufgewachsen ist.
"Immer seltener werden die Menschen
zur Rechenschaft gezogen."
Zu den mildernden Umstände ist zu sagen, dass sie der nachträglichen Entschuldigung der Tat gleichkommen, wobei in dieser Umschreibung schon die Befreiung von Schuld ausgedrückt ist.
Wir leben heute in Gesellschaften, in denen es immer seltener vorkommt, dass die Menschen für ihre Taten Verantwortung tragen müssen beziehungsweise zur Rechenschaft gezogen werden. Die Schuld wird auf andere abgeschoben. Das ist ein Fehler, der zur Regel geworden ist.
In Nizza ist kürzlich ein Bijoutier mehrmals ausgeraubt worden. Als es jetzt erneut geschah, erschoss er einen der beiden Täter, als dieser mit der Beute von 100'000 Euro flüchtete. Das Recht auf Selbstverteidigung wurde dem Bijoutier zunächst abgesprochen, aber die Geschäftsleute in Nizza, die unter der Zunahme von Gewalt schon lange leiden, solidarisierten sich mit ihm. Raubüberfälle und Einbrüche gehören an der Côte d'Azur zur Tagesordnung und werden immer brutaler. Möglicherweise liegt das an einer allzu laxen Rechtssprechung. Die Täter riskieren in der Regel nicht viel. Allenfalls ein paar Reitstunden ...
Nicht überraschend ist es daher, dass auch die am Überfall Beteiligten Unterstützung erhielten. Nach der Darstellung von dessen Bruder war der Nizzaer Täter arbeitslos und in Geldschwierigkeiten. In dieser Situation war es für ihn das Naheliegendste, an einen Raubüberfall teilzunehmen. Der Bruder schien sagen zu wollen: ist doch normal. Was soll schon schlimm daran sein? Einsicht in das begangene Unrecht war nicht zu erkennen und scheint etwas Schwankendes, Freiwilliges geworden zu sein. Damit gelangt die Resozialisierung an das Ende ihrer Vernunft.
Dass in Nizza ein Mensch ums Leben gekommen ist, wiegt schwer. Dem stehen eine zunehmende Kriminalität, mehr Aggression und Gewalt sowie andere Rechtsverletzungen gegenüber, die wie Naturphänomene hingenommen werden. Auch die Lage der Opfer ist eher selten ein Thema. Die Täter dagegen erfahren, wie die zitierten Beispiele zeigen, eine Fürsorge, die in keinem Verhältnis zu den Erwartungen der Öffentlichkeit steht.
Bleibt als Erklärung für die Kriminalität nur die wachsende Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Auch das ist eine Delegation der Ursachen.
Wenn ich bei anderer Gelegenheit liederliche Banken, Abzocker, Profiteure oder betrügerische Geschäftsleute kritisiere, muss ich daher auch ein deutliches Wort sagen zur Klein- und Alltagsdelinquenz, die die Überwachungskameras dokumentieren. Die kriminellen Handlungen der Finanzindustrie erscheinen demgegenüber auf keinem Monitor, aber für sie muss das hier Gesagte genau gleich gelten. Denn in Frage steht der Rechts- und Gerechtigkeitsstaat.
23. September 2013
"Gerichte verhelfen Psychiatern zu grosser Kasse"
Die Therapie-Industrie blüht prächtig. Die Gerichte verhelfen den Psychiatern zu grosser Kasse. Warum wird in den Medien für die missliche und beschämende Lage der Opfer nicht mehr Raum eingeräumt? Warum sind Täter nicht für Opfer verantwortlich? Die Opfer sind oft sowieso lebenslänglich gezeichnet. An den Tätern kann jedoch viel mehr verdient werden.
Fritz Kunz, Therwil
"Die antiautoritäre Erziehung und ihre Folgen"
Herr Schmidt sie sprechen mir aus dem Herzen. Wenn ich auf gewisse Menschen zurückschaue die früher die antiautoritäre Erziehung propagierten, sehe ich heute das Resultat. Die Jungen von damals konnten machen was sie wollten, bekamen was sie forderten und wenn das nicht ging, dann halt mit Gewalt. Einstehen dafür mussten sie nicht, sie hatten ja die Eltern die alles wieder in Ordnung brachten. Darum wundert mich die Aussage:
"Nicht überraschend ist es daher, dass auch die am Überfall Beteiligten Unterstützung erhielten. Nach der Darstellung von dessen Bruder war der Nizzaer Täter arbeitslos und in Geldschwierigkeiten. In dieser Situation war es für ihn das Naheliegendste, an einen Raubüberfall teilzunehmen. Der Bruder schien sagen zu wollen: ist doch normal. Was soll schon schlimm daran sein? Einsicht in das begangene Unrecht war nicht zu erkennen und scheint etwas Schwankendes, Freiwilliges geworden zu sein. Damit gelangt die Resozialisierung an das Ende ihrer Vernunft."
Ja wenn wir alle in Schwierigen Situationen so reagieren haben wir das Chaos mit Mord und Totschlag ohne dass dafür jemand zur Rechenschaft gezogen wird. Ich begreife die Wut über die Masslosigkeit von Bänkern welche auch nicht zur Rechenschaft gezogen werden, aber das rechtfertigt keine Taten anderer krimineller Art um seine eigenen Probleme zu "lösen". Und einfach Renitent sein um dann ein schönes "Gefängnisleben" zu haben ist für alle anderen Straftäter eine Aufforderung zum Renitenten, so geht es ja auch nicht. Vielleicht sollten wir die vielen Psychiater von den Gerichten vernhalten und den gesunden Menschenverstand walten lassen.
Peter Isler, Basel
"Finanzkrise-Manager leben in Saus und Braus"
Die Verursacher der Finanzkrise von 2008 laufen immer noch frei herum und leben in Saus und Braus.
PJ Wassermann, Hersberg
"Längst überschritten"
Das Mass der Milde für Straftäter, wurde längst schon überschritten!
Heidi Gisi, Basel