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Aurel Schmidt: "Seitenwechsel"

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Wo sich der Disput ins Dogmatische verkehrt

Wenn in der Vergangenheit die Menschen miteinander nicht einverstanden waren, sagten sie, was sie dachten und stritten miteinander, manchmal heftig. War die Polizeistunde gekommen, trennten sie sich lachend und hatten den Eindruck, einen angeregten Abend verbracht zu haben. Ja, es gab Meinungsverschiedenheiten, aber sie dauerten nicht ewig, und morgen war auch ein Tag.
 
Heute ist es ein Risiko geworden, eine eigene Meinung zu vertreten. Mit einer solchen eigenen Meinung ist per definitionem eine vom Mainstream abweichende gemeint, die der Kritik ausgesetzt ist. Sie muss sich rechtfertigen. Das macht nichts, sie soll ja zur Findung von Erkenntnis führen. Das kann Darwins Evolutionstheorie, der Einsatz von Torlinienkameras, ein Dieselverbot, der Islam sein, was auch immer.

Die Sache dabei ist die, dass der Mainstream sich im Unterschied zur individuellen und Minderheitsmeinung kaum erklären oder rechtfertigen muss. Er ist unangefochten im Besitz der Wahrheit.

Was jetzt neu ist: Wahrheit, wenn damit eine Form von Übereinstimmung gemeint sein soll, ist in diesem Fall nicht das Ergebnis einer Auseinandersetzung, sondern eine Verordnung. Nicht auf den Ausgang des diskursiven Prozesses kommt es an, sondern auf eine (zufällige) Mehrheit, die entscheidet, was Wahrheit ist beziehungsweise was als richtig und normativ zu gelten hat.
 
Das Risiko der eigenen, unabhängigen Meinung hat kürzlich der Google-Angestellte James Damore erfahren, der in einem internen Papier die Ansicht vertrat, dass Frauen sich mehr für Menschen und Männer mehr für Dinge, Geräte, Technik interessieren. Das war politisch höchst unkorrekt. Google sah seinen Ruf beschädigt. Damore wurde entlassen. Google locuta, causa finita.


"Es ist Krieg: Meinungskrieg, Glaubenskrieg,
Behauptungs- und Verteidigungskrieg."


I
n Anbetracht, dass Silicon Valley sich zum Weltzentrum der digitalen Herrschafts-Technologie entwickelt hat, finde ich Damores Einstellung nicht unbedingt unsympathisch. Ich bin aber nicht sicher, ob die Verteilung von Technik-Affinität in dieser Form stimmt. Nach meinen Beobachtungen eher nicht. Alles spricht dafür, dass es ebenso viele Männer und Frauen gibt, die mit Technik umzugehen wissen, wie es Männer und Frauen gibt, bei denen das nicht zutrifft. Jeder und jede nach seiner und ihrer Façon. Und das Recht auf Ignoranz sollte niemandem verwehrt werden.


Aber musste Google Damore wegen seiner Ansicht gleich die Liebe entziehen? Schliesslich gibt es in den USA ein verfassungsmässiges Recht auf freie Meinungsäusserung, jedoch offenbar mit variablen Restriktionen, je nachdem, wer gerade das Mikrofon in der Hand hält.

Dass Menschen selten gleicher Meinung sind, ist das Natürlichste auf der Welt. Wieso nicht? Ich bin ja auch nicht mit allem einverstanden, also müssen die anderen es auch nicht sein. Einhelligkeit ist keine Tugend, und das mit dem Segen der Meinungsführer und Tonangeber ausgestattete Einvernehmen kommt einer Preisgabe von Differenzierungsvermögen und kritischem Urteil gleich.


A
us einem Narrativ geht eine Überzeugung hervor, aus Meinungsvielfalt eine Hegemonialmeinung. Es geschieht im Nu. Man ginge ein Risiko ein, etwas dagegenhalten zu wollen. Die Angst, etwas Falsches zu sagen, lässt viele schweigen. Aber Appeasement, um den Frieden zu retten, schadet ihm erst recht. Auch der Witz, der als Funktion des Unterbewusstseins selten politisch korrekt ist, hat nichts mehr zu suchen, er ist nicht mehrheitsfähig.

Früher waren "alle Menschen gleich", heute ist an Stelle von Pluralismus Diversität und von sozialen Forderungen die Verteidigung von ethnischen und sexuellen Minoritäten getreten. Je enger diese Gruppen zusammengesetzt sind, desto radikaler und rabiater werden ihre Ansprüche vertreten.

Im kleinen Kreis kann der Disput eine lebendige, sportliche Veranstaltung sein. Steigt jedoch die Zahl der Diskutanten in unüberblickbare und im Zeitalter der Social Media vor allem in anonyme Dimensionen, tritt ein kritischer Punkt ein, an dem das soziophysische System ins Schlingern gerät. Da jeder Mensch für sich eine Minorität bildet, ist eine verbindliche gemeinsame Sozialpolitik zu finden schwierig geworden.

Genau genommen stellt jeder einzelne Mensch eine Minorität dar. Der Neoliberalismus hat das Terrain vorbereitet, als er die Polis durch den Markt ersetzte. Seitdem sind die Menschen füreinander zu Konkurrenten geworden (eigentlich zu Mitläufern), die auf der Rennbahn des Marktes einen Wettlauf beziehungsweise einen Konkurrenzkampf unter sich austragen, bei dem jeder der erste sein will. Für alle gilt die Devise: "The winner takes it all". Einer gewinnt, die übrigen: ab in die Ecke!
 
Kein Wunder, dass unter solchen Voraussetzungen ausser dem Sieger alle Teilnehmer das Gefühl haben, zu kurz zu kommen. Der Vorwurf der Benachteiligung und Diskriminierung lauert überall. Auf jeden und jede kann er in irgendeiner Weise fallen, jeder und jede ist ein mögliches Ziel. Es ist Krieg: Meinungskrieg, Glaubenskrieg, Behauptungs- und Verteidigungskrieg – das neueste Szenario der Zeit.

18. September 2017
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Aurel Schmidt, Jahrgang 1935, war bis Mai 2002 Redaktor der "Basler Zeitung" (vorher "National-Zeitung"). Er war mitverantwortlich für das jeden Samstag erscheinende "Basler Magazin" und verfasste zahlreiche philosophische Essays, Reise-Reportagen, Kommentare und Kolumnen. Schmidt, der heute als Schriftsteller und freier Publizist in Basel lebt, machte sich auch als Autor mehrerer Bücher einen Namen: "Der Fremde bin ich selber" (1982), "Wildnis mit Notausgang. Eine Expedition" (1994), "Von Raum zu Raum. Versuch über das Reisen" (1998). Ausserdem liegen vor: "Lederstrumpf in der Schweiz. James Fenimore Cooper und die Idee der Demokratie in Europa und Amerika" (2002), "Gehen. Der glücklichste Mensch auf Erden" (2006), "Auch richtig ist falsch. Ein Wörterbuch des Zeitgeists" (2009). Zuletzt erschienen: "Die Alpen. Eine Schweizer Mentalitätsgeschichte" (2011). © Foto by OnlineReports.ch

aurel.schmidt@bluewin.ch

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sie braucht sich nicht mit jener der Redaktion zu decken.)

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Veranstaltungs-Hinweis

 

Ein zärtlicher Irrsinn

Nach achtjähriger Abwesenheit kehrt Avery Sutton mit seiner Verlobten Gillian zu seiner Familie zurück. Was von da an passiert, muss man gesehen haben.

Mit "37 Ansichtskarten" von Michael McKeever winkt den Zuschauerinnen und Zuschauern eine zauberhaft schwarze Komödie mit berührenden Momenten und angenehmer Unterhaltung. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Vorverkauf hier:
www.theater-rampenlicht.ch

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"Der Eigentümer hat das Regional-Journal nicht erreicht."

Regional-Journal Basel
am 15. März 2024
über die umstrittene
Basler Villa "La Torre"
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Hatte das "Regi" gerade Pause? 

RückSpiegel


Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

persoenlich.com und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports die Personalrochade bei Prime News.

Die Volksstimme schreibt über die Wahl von Claudio Miozzari zum Grossratspräsidenten von Basel-Stadt und zitiert dabei OnlineReports.

In einem Artikel über die Leerstandsquote bei Büroflächen in Basel nimmt die bz den Bericht von OnlineReports über einen möglichen Umzug der Basler Polizei ins ehemalige Roche-Gebäude an der Viaduktstrasse auf.

Das Regionaljournal Basel und die bz berichten über die Bohrpläne der Schweizer Salinen im Röserental und beziehen sich dabei auf OnlineReports.

Landrat Thomas Noack zitiert in einem Carte-blanche-Beitrag in der Volksstimme aus dem OnlineReports-Artikel über die Finanzkrise in Baselbieter Gemeinden.

Die Nachrichtenagentur SDA nimmt Bezug auf OnlineReports und schreibt, dass SP-Nationalrätin Sarah Wyss für eine Regierungs-Kandidatur nicht zur Verfügung steht.

Baseljetzt und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports, dass Swisscom die Führungen durch den Fernsehturm auf St. Chrischona einstellt.

20 Minuten und ein Podcast der Zeit nehmen den Artikel von OnlineReports über das Hupe-Verbot für das Kinderkarussell auf dem Münsterplatz auf.

Die bz zieht den OnlineReports-Artikel über die frühere Grellinger Kirchen-Kassiererin nach, die ihre Verurteilung vor Bundesgericht anficht.

Die Basler Zeitung und Happy Radio greifen die OnlineReports-Recherche zur Girema Bau AG auf.  

 

Weitere RückSpiegel

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In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).